Schriesheim im Bild 2023

11.11.2021

In Sachen Hochwasser hatte Schriesheim "bisher Glück"

Aber für eine Jahrhundertflut braucht es ein neues Rückhaltebecken, das aber ganz anders aussieht als das alte.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Das wird eine der größten Investitionen der nächsten Jahre – und die meisten Schriesheimer haben davon bestenfalls am Rande gehört: das neue Rückhaltebecken oberhalb vom Mühlenhof. Es soll von 2023 bis 2025 für, Stand heute, fünf Millionen Euro gebaut werden, allerdings gibt es bis zu 70 Prozent Landesförderung. Wieso dieses zweite Becken – das alte wird gerade saniert und soll bis Mitte 2022 wieder ganz betriebsbereit sein – unbedingt nötig ist und wie es aussehen wird, erklärten Florian Leuthe und Stefan Arendt vom Ingenieurbüro Wald+Corbe bei einer Bürger-Information in der Mehrzweckhalle.

> Die Notwendigkeit: In den letzten Jahren häuften sich die heftigen Regenfälle, die den Kanzelbach fast aus seinem Bett treten ließen. Aber eben nur fast. Denn die ganz große Katastrophe für die Innenstadt ist bisher ausgeblieben. "Wir sind immer mit einem blauen Auge davongekommen", sagte Bürgermeister Hansjörg Höfer. Auch Leuthe sagte: "Sie hatten einfach Glück, dass es eine solche Situation noch nicht gab." Aber es ist nur eine Frage der Zeit, dass eine Riesenüberflutung – die Planer sprechen von einem hundertjährlichen Hochwasser – kommt, denn die Überflutungen vom Januar 2011, Mai 2013 sowie Mai und Juni 2016 waren "nur" zehn- bis 20-jährliche Hochwasser. Auch Leuthe sprach von einer "sehr großen Hochwassergefährdung" der Stadt. Da würden auch keine mobilen Wände helfen, nur ein Rückhaltebecken. Ohne das würden bei einer Jahrhundertflut große Teile der Innenstadt – mindestens 130 Häuser wären betroffen (Schaden: sechs Millionen Euro) –, aber auch die Felder an der A 5 überschwemmt.

Das größte Problem ist weniger der Kanzelbach an sich, sondern seine innenstadtnahen Nadelöhre: die Gaulsbrücke, die Doppelverdohlung an der Ölmühle, aber auch an Rathaus und Festplatz. Diese Engstellen lassen nur sieben bis acht Kubikmeter Wasser (7000 bis 8000 Liter) pro Sekunde durch, bei einem hundertjährlichen Hochwasser kommen aber zwölf Kubikmeter pro Sekunde an. Und genau für diese Art von Jahrhundertflut ist das neue Becken ausgelegt, hinzu kommt auch noch ein "Klimawandelzuschlag" von 15 Prozent. Das Wasser wird hier zurückgehalten, um es dosiert in den Kanzelbach abzugeben.

> Die Planung: In eine natürliche Mulde oberhalb vom Mühlenhof soll das neue Becken gebaut werden, durch das dann der Kanzelbach fließen wird. Sein Flussbett wird dabei nur leicht verändert. Die Senke wird nicht ausgehoben, sie bleibt, alles andere wäre "ein zu starker Eingriff" (Leuthe). Allerdings wird ein knapp sieben Meter hoher und 100 Meter langer Damm, eher ein Erdwall, mit einem Betriebsgebäude obendrauf und zwei Auslässen (einem "ökologischen" für den Kanzelbach und einem für den Hochwasserfall) gebaut. Das Becken wird etwa 300 Meter lang und 100 Meter breit, es soll insgesamt 46.000 Kubikmeter fassen. Das hört sich heftig an, allerdings wird es sich halbwegs in die Landschaft einpassen. Denn im Gegensatz zum alten Becken wird hier nichts betoniert, es sieht eher aus wie eine begrünte Riesenwanne. Und: Es ist, außer im Hochwasserfall, trocken, also kein Stausee wie das alte.

> Die Probleme: Nicht alle Bäche, die in den Kanzelbach münden, werden durch das neue Becken erfasst, vor allem nicht der Pappelbach, der in den letzten Monaten bei Starkregen besonders viel Probleme machte, aber auch nicht der Weitetalbach oder der Allmes- und der Geisenbach, die vom Ölberg her kommen. Um die aufnehmen zu können, müsste das Becken schon deutlich mehr Richtung Stadt verlegt werden – was aber nicht geht. Leuthe beruhigte: Bei den Berechnungen des neuen Bauwerks seien diese Bäche berücksichtigt worden, Gleichzeitig soll der Einlauf des Pappelbaches in den Kanzelbach verbessert werden, so Leuthe. Schließlich gibt es für die Einläufe von Pappel- und Allmes- in den Kanzelbach auch einen neuen Pegel, um deren Wassermassen bestimmen zu können. Der Pegel machte bei der Planung den meisten Ärger. Denn ursprünglich sollte der – inklusive Zufahrtsweg – mitten ins Waldschwimmbad gesetzt werden, was zulasten des Kinderbeckens und der Liegewiese gegangen wäre. Nun kommt der Pegel an den Mühlenhof, dessen Besitzer etwas von ihrem Grundstück abgaben, wie Höfer berichtete. Auch eine Befürchtung des Sportangler-Vorsitzenden Rainer Müller konnte Leuthes Kollege Stefan Arendt entkräften: Auch mit dem neuen Becken "ist der Kanzelbach weiterhin beangelbar". Und das alte Rückhaltebecken, in dem Müllers Verein Fische hält, wird wegen des neuen nicht leerlaufen: "Beide Becken sind völlig unabhängig voneinander."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung