Schriesheim im Bild 2023

14.10.2004

Wenn die Scheibenbremsen glühen

Der junge Schriesheimer Steffen Gaber gehört in seiner Altersklasse zu den besten Mountainbike-Fahrern Europas - Erfolg am Rothorn

Von Jochen Schlabing

Schriesheim. Ein junger Schriesheimer gehört zu den erfolgreichsten Mountainbike-Fahrern Europas: der 18-jährige Steffen Gaber. Die RNZ hat ihn besucht.

Es geht bergab. Über nasse Steinplatten, Kiesel, rutschige Wurzeln, glitschige Graspartien, um Kurven, an Abhängen vorbei. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 70 Stundenkilometer und auf dem Fahrrad. Der Sport heißt "Downhill", also "den Hügel hinab" , doch das ist eine Untertreibung. Der 18-jährige Steffen Gaber aus Schriesheim ist einer von diesen wagemutigen Fahrradkünstlern. Im Schweizer Lenzerheide stürzte er sich, zusammen mit 572 Wettkampfteilnehmern, aus 2800 Meter Höhe ins Tal. Und wurde Zweiter in der Juniorenwertung. Insgesamt belegte er den 34. Platz. Ungewöhnlich für den jungen Auszubildenden, denn beim längsten Schweizer Downhill-Rennen fuhren auch Mitglieder der Schweizer Mountainbike-Nationalmannschaft und andere Profiradsportler mit.

Mit "Trial" fing es an
Steffen Gaber bekam sein erstes Mountainbike mit sechs Jahren. Mit acht Jahren begann er "Trial" zu fahren, eine Fahrrad-Disziplin bei der es vor allem auf Geschicklichkeit ankommt: Man hüpft mit dem Fahrrad über Steine, Betonröhren und andere Hindernisse oder balanciert auf Podesten und fährt über schmale Bretterbrücken. Verliert man die Balance und muss die Füße auf den Boden setzten, gibt es Fehlerpunkte. "Ich war relativ erfolgreich", sagt Gaber. Noch heute zeigt er sein Können im Rahmenprogramm von Veranstaltungen. Bei diesen artistischen Übungen lernte Gaber sein Fahrrad zu beherrschen, die Kontrolle zu behalten, was ihm nun hilft, in atemberaubenden Tempo gen Tal zu fahren. Ohne aus den Kurven zu fliegen. Meistens jedenfalls.

"Am reizvollsten sind für mich die kniffligen Passagen, zum Beispiel Steine oder Absätze", sagt Gaber. Doch beim Downhill gibt es auch schnelle Hänge, auf denen er Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern erreicht. Deshalb trägt er eine Schutzausrüstung, die an eine moderne Ritterrüstung erinnert: Vollvisier-Helm, Brust- und Rückenpanzer, Ellbogen-, Knie- und Schienbeinprotektoren gehören zur Grundausstattung. Allein die Schutzkleidung kostet etwa 600 Euro, ein gutes Downhill-Fahrrad kann leicht 5000 Euro kosten. Der Schriesheimer Fahrradladen "Cyclomanix" sponsert das junge Talent, dadurch wurde die Ausrüstung erschwinglich. Die Downhill-Fahrräder sind etwa 20 Kilogramm schwer, sehr robust gebaut und weich gefedert Downhiller sprechen auch nicht von einem Sturz, sie "steigen ab", das klingt harmloser. Mediziner zählen Downhill aber zu den Risikosportarten. "Es waren schon heftige Dinger dabei, mit Flug über den Lenker und ins Gebüsch", so Gaber. Seine Mutter sei manchmal etwas skeptisch, angesichts der Prellungen und Kratzer. Vom Vater habe er die volle Unterstützung. Kein Wunder, denn Gerd Gaber fährt seit 19 Jahren Mountainbike und transportiert den Sohn samt seinen Rädern und Ersatzteilen zu den Rennen.

Erst seit wenigen Jahren fährt er bei Mountainbike-Wettkämpfen mit und war auf Anhieb erfolgreich. Den Jugendcup, eine Rennserie mit fünf Läufen, gewann er vor zwei Jahren, beim Unterländer-Odenwald-Cup wurde er in diesem und im letzten Jahr Zweiter. Ohne regelmäßiges Training wären diese Erfolge nicht möglich. "Ich trainiere sehr ernsthaft", sagt Gaber, "zwei bis dreimal die Woche, sooft ich neben der Ausbildung Zeit finde". Gaber macht eine Ausbildung zum Industriemechaniker in Mannheim. Am Wochenende trainiert er mit seinen Vereinskollegen vom Mannheimer Radsportverein Pfaffenhuber. Treffpunkt ist in Schriesheim am großen Weinfass. Der Verein gehört zu den aktivsten in Baden, im Kader sind auch zahlreiche Lizenzfahrer, also Profisportler.

"Ein paar aus dem Verein haben mir von dem Rennen 'Bike Attack' in der Schweiz erzählt", berichtet Gaber. Den Schwärmereien konnte er nicht standhalten. "Du hast da gute Chancen", versprachen ihm die anderen. Also wurde der nächste Familienurlaub kurzerhand in die Schweiz verlegt: Steffen Gaber übernachtete mit seinen Freunden spartanisch auf dem Zeltplatz, die Eltern zogen die gemütlicheren Hotelbetten vor. Mit der Gondel wurden die Sportler auf das 2800 Meter hohe Rothorn gebracht. "Der Blick war gigantisch, man sah die kleinen Wege im Talkessel und die Schneefelder, die über den Sommer noch liegen geblieben waren", sagt Gaber. In einem Qualifizierungsrennen kämpften die 572 Teilnehmer um die vorderen Startpositionen.

"Es war ein klasse Gefühl"
Bereits da merkte Gaber, dass er ganz gut mitfahren konnte, doch eines seiner wichtigsten Fahrradteile ging zu Bruch, der Dämpfer! Zum Glück hatte der Vater ein Ersatzrad dabei, nachts im Zelt konnte das Ersatzteil eingebaut werden. "Das war ein leichtes Handicap", sagt Gaber. Am nächsten Morgen lag Nebel auf den Hängen. "Es war ein richtiger Massenstart, da ging alles auf einmal los. Man hörte ringsum die anderen Fahrradfahrer antreten, mein Adrenalin-Pegel stand ganz oben", beschreibt Gaber seine Gefühle zu Rennbeginn. "Anfangs war mir etwas mulmig, da alle um mich herum etwas größer waren", erinnert er sich.

Auf dem Weg bergab überholte er etwa 40 Fahrer und erreichte im Ziel den 34. Platz. Eine kleine Sensation, mit der er nicht gerechnet hatte. "Im Tal war eine Mordsstimmung, es gab Musik und viele Zuschauer", sagt Gaber. Von den über 40 Junioren erreichte er den zweiten Platz. Mit Lorbeerkranz und dem Pokal unter dem Arm radelte er zurück zum Campingplatz. "Unterwegs haben die Autofahrer angehalten und mir gratuliert, das war ein klasse Gefühl", so Gaber. Im kommenden Jahr hat er noch mehr vor: "Besseres Material mitnehmen und die Bremse länger offen lassen", lautet seine Devise. Nur ein Downhiller kann so reden. Im Ziel glühten seine Scheibenbremsen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung