Schriesheim im Bild 2023

03.01.2022

Das waren die Themen des letzten Jahres

Das waren die Themen des letzten Jahres

Die Mannheimer Polizeisprecherin Claudia Strickler berichtet bei „Aktenzeichen XY“ über den Schriesheimer Postüberfall. Foto: Dorn
So war das Jahr 2021 in Schriesheim. Ein thematischer Rückblick.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Hinterher wollen es alle gewusst haben: Christoph Oeldorf, unterstützt von CDU, Freien Wählern sowie Teilen der Bürgergemeinschaft und der FDP, ist der klare Sieger der Bürgermeisterwahl vom 28. November. Mit 56 Prozent lag er deutlich vor seiner aussichtsreichsten Mitbewerberin Fadime Tuncer (Grüne Liste), die auf 42 Prozent kam. Oeldorfs Sieg war allein schon deswegen so überzeugend, weil er sowohl die Kernstadt (52,8 Prozent) als auch Altenbach (62,2 Prozent) und Ursenbach (70 Prozent) klar für sich entschied. Auch in den vermeintlichen "Grünen-Hochburgen", den Fensenbäumen und dem Neubaugebiet Nord, hatte er die Nase vorn. Und doch: In dieser Deutlichkeit war das Ergebnis überraschend, nicht wenige hatten schon einen zweiten Wahlgang befürchtet.

Die beiden parteilosen Mitbewerber, Helmut Oelschläger aus Wilhelmsfeld und Dauerkandidat Samuel Speitelsbach aus Ravenstein, spielten mit zusammen 1,4 Prozent keine Rolle; Speitelsbach war kein einziges Mal in Schriesheim aufgetaucht, und Oelschläger hatte sich mit teils wirren Aussagen in den drei Kandidatenvorstellungen um jede Chance gebracht. Da die Kandidaturen sowohl Oelschlägers als auch Speitelsbachs erst dreieinhalb Wochen vor der Wahl publik wurden, war der Wahlkampf die meiste Zeit ein Duell zwischen Tuncer und Oeldorf. Beide hatten recht früh ihre Kandidaturen erklärt: Oeldorf am 25. Juni, Tuncer am 8. Juli.

Doch die recht lange Kampagne, die erst nach der Bundestagswahl vom 26. September richtig auf Touren kam, war nicht ohne Hindernisse für Oeldorf: Am schwierigsten war wohl, dass die Parteien, die als zunächst als sichere Unterstützer galten, für ihn keine Wahlempfehlung aussprachen – zuerst spaltete sich Mitte August die Bürgergemeinschaft (wobei Liselore Breitenreicher und Hilmar Frey umso energischer Wahlkampf für ihn machten), dann zwei Monate später die FDP (die ganz offiziell keinen Kandidaten unterstützte). Dass die SPD im September auch für keinen Kandidaten votieren wollte, lag im Rahmen des Erwartbaren.

Im Wahlkampf zeigte sich der Wilhelmsfelder Bürgermeister – und Sohn des Hirschberger Alt-Bürgermeisters Werner Oeldorf – eher ruhig und besonnen, was ihm einige so auslegten, als "brenne" er für nichts so richtig. Da war Tuncer schon um einiges lebhafter, allerdings unterschied sich das Programm der beiden nicht allzu sehr: Die meisten Themen lagen ja sowieso auf der Hand: Abarbeiten des Sanierungsstaus, Belebung der Innenstadt – eventuell mit einer Verkehrsberuhigung –, die Zukunft des Festplatzes, das Dauerthema Verkehr und Parken sowie eine bessere Einbindung von Bürgern und Vereinen.

Am Ende waren es aber nicht die Themen, die diese Wahl entschieden, sondern ganz offensichtlich der Umstand, dass sich viele Bürger (wieder) einen Verwaltungsfachmann an der Rathausspitze wünschten – was auch Christian Wolf, der Grüne-Liste-Fraktionssprecher im Gemeinderat, kurz nach der Wahl im RNZ-Interview eingestand – und sogar von einer "Wechselstimmung" sprach.

Auch wenn der Wahlkampf recht harmonisch war, kam es doch noch am Tag danach zu einer heftigen Debatte. Denn Tuncer hatte sich ihre Wahlniederlage mit der "Angst vor der Fremden, der Frau und Muslima mit Migrationshintergrund" erklärt – was etliche Oeldorf-Wähler so auffassten, als seien sie wegen ihres Votums auf einmal Rassisten. Und als dann auch noch bekannt wurde, dass Oeldorf auf Facebook einem AfD-ler für seine Glückwünsche gedankt hatte, stand er, zumindest bei einigen Tuncer-Anhängern und auch der "AfD-Watch Heidelberg", im Verdacht, sich bei den Rechtspopulisten Stimmen geholt zu haben. Kurz darauf distanzierte sich Oeldorf scharf von allen Vereinnahmungsversuchen dieser Partei.

Mit Oeldorfs Sieg endet nicht nur die 16-jährige Amtszeit von Hansjörg Höfer, sondern auch die eines grünen Bürgermeisters – und vielleicht auch die seit Jahrzehnten währende Erfolgsgeschichte der Grünen Liste, die seit 2014 mit klarem Abstand die stärkste Kraft im Gemeinderat ist. Aber noch ist das Zukunftsmusik, denn zwar haben die Grünen 2021 mit Wolfgang Fremgen und vor allem Robert Hasenkopf zwei ihrer bekannten Gesichter und Stimmenbringer verloren, als diese ihr Ratsmandat zurückgaben; aber noch wichtiger ist, wie viel Schwung Oeldorf in Kommunalpolitik und Verwaltung bringt.

Einzigartig ist wohl, dass ein designierter Bürgermeister vier Tage nach der gewonnenen Wahl Vater wird: Am Morgen des 2. Dezember kam Sohn Jonathan zur Welt. Oeldorfs hochschwangere Frau Laura hatte ihn tapfer während aller Wahlkampfauftritte begleitet. Dass sie sich als einstige Wilhelmsfelder Grüne derart engagierte, sehen einige als Beleg, dass Oeldorf das Zeug dazu haben könnte, die politischen Gräben in Schriesheim zuzuschütten.

Und auch ein anderer Aspekt ist historisch: Zum ersten Mal seit 180 Jahren hat Schriesheim keinen Bürgermeister mehr, der aus der Stadt stammt.


Drei Überfälle in zwei Monaten

Eine ungewohnte Serie von Raubüberfällen beunruhigte im Frühjahr die Schriesheimer: Zuerst wurde am 5. April die "Aral"-Tankstelle an der B3 überfallen, dann am 6. Mai der "Edeka"-Markt in der Bismarckstraße. Schließlich folgte am 31. Mai die Postfiliale in der Hübsch’schen Mühle. Polizeifahndungen mit dem Einsatz starker Kräfte und sogar Hubschraubern hatten keinen Erfolg.

Doch die Taten unterscheiden sich: Im Fall der Tankstelle und des Supermarkts hatte ein junger Mann die Angestellten mit einem Messer bedroht, nur jeweils einen knapp fünfstelligen Bargeldbetrag erbeutet und war dann zu Fuß geflohen. Bei der Post war der Täter mit einem Kastenwagen vorgefahren, hatte die Mitarbeiterin bedrängt und 30.000 Euro aus dem Tresor mitgenommen. Tatsächlich wurden die ersten Überfälle schnell aufgeklärt: Es handelte sich um einen jungen Italiener, der in Schriesheim wohnte und dort als Pizzabäcker und Bedienung arbeitete – wobei er sogar bei seinen Arbeitgebern eingebrochen ist. Wohl wegen seiner Online-Spielsucht kam er mit seinem an sich ordentlichen Verdienst nicht aus; er wurde im Juli gefasst, als er einen Edelmetallhändler in Heidelberg überfallen wollte. Am 14. Dezember verurteilte das Landgericht Mannheim den 19-Jährige zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

Weiterhin ungeklärt ist der Postraub. Auch als sich die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" am 8. Dezember dieses Falls mit einem eigenen Film annahm, gab es bisher noch keine heiße Spur.


Was wird aus dem Mathaisemarkt?

2020 abgebrochen, 2021 ausgefallen – und was wird 2022 aus dem Mathaisemarkt? Das wusste man am 8. Dezember auf der Sitzung des Markt- und Kulturausschusses auch nicht. Denn alles steht weiterhin unter Pandemie-Vorbehalt. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war am wahrscheinlichsten, dass ein Rummel aufgebaut wird und dass die Straußwirtschaften öffnen können (was auch am wenigsten Vorlaufzeit braucht), aber dass es sicherlich kein Festzelt geben wird. Noch unsicher sind der Umzug (eher unwahrscheinlich) und die Krönung der Weinhoheiten (wahrscheinlicher, da nötig), eventuell im kleinen Kreis im Zehntkeller. Alles in allem wird es, wie Bürgermeister Hansjörg Höfer sagte, "keinen Mathaisemarkt geben, wie wir ihn kennen". Im Januar soll entschieden werden, was die Coronalage dann zulässt. Denkbar wäre auch eine Art Alternative in Form eines späten Frühjahrsfestes, an dem man manches nachholen könne. Aber immerhin: Es wurde diskutiert, wie es weitergehen soll – und zwar mit den Vereinen (nicht-öffentlich) wie auch mit den Organisatoren, Straußwirten und Schaustellern (öffentlich). Zu Beginn 2021 wurde noch ohne Rücksprache mit den Beteiligten der Mathaisemarkt am 8. Februar per Rathaus-Pressemitteilung abgesagt.

Allerdings wurde auch in diesem Jahr nicht weiter über eine Neuausrichtung des Festes gesprochen – vor allem, weil Höfer das nicht wollte. Zwar gab es in der Mai-Sitzung des Markt- und Kulturausschusses eine zaghafte Debatte – Stichworte "Festzelt", "Besucherrückgang", "Oktoberfest", "Mathaisemarkt vor allem für Schriesheimer" oder "Rat von Fest-Profis einholen" –, doch die versandete schnell. So wird es wohl eine der nächsten Aufgaben des neuen Bürgermeisters Christoph Oeldorf, auszuloten, wohin die Reise beim Mathaisemarkt gehen soll. Und wie er die "Traditionalisten" und "Erneuerer" austariert.


Ein Jahr voller Wahlen

Das Glück ist nicht immer mit dem (im Wahlkreis) Tüchtigen: Während Sebastian Cuny (SPD) aus Schriesheim Mitte März das ersehnte Landtagsmandat erhielt, hatte ein gutes halbes Jahr später Alexander Föhr (CDU) aus Heidelberg Pech; er zieht – erst mal – nicht in den Bundestag ein. Beide hatten einen engagierten, bürgernahen Wahlkampf geführt, allerdings konnten sie sich dem jeweiligen Abwärtstrend ihrer Parteien nicht entziehen, und so mussten beide in der Wahlnacht zittern: Cuny knapp drin, Föhr knapp draußen.

Ansonsten waren beide Wahlen, zumindest auf den ersten Blick, für die Grünen ein überwältigender Erfolg: Der Weinheimer Landtagsabgeordnete Uli Sckerl (70) sicherte sich am 14. März mit 35,8 Prozent das zweite Mal das Direktmandat im Wahlkreis Weinheim (und lag in jeder Kommune meilenweit vor seinen Mitbewerbern) – was seine 15-jährige Landtagskarriere krönte. Die Heidelbergerin Franziska Brantner (42) gewann am 26. September mit 30,2 Prozent zum ersten Mal direkt den Wahlkreis Heidelberg/Weinheim.

Und doch gelang es Cuny (43) und Föhr (41), bemerkenswerte Akzente zu setzen: Der Sozialdemokrat holte mit 13,7 Prozent für seine Partei – in Schriesheim sogar 17,1 Prozent – ein überdurchschnittliches Ergebnis, die im Land nur auf 11,1 Prozent kam. Und Föhr, der den nicht mehr angetretenen Dauerabgeordneten Karl A. Lamers beerben wollte überflügelte an Bergstraße und Neckar bei den Erststimmen Brantner in den meisten Kommunen mit Werten um die 30 Prozent, kam aber gegen ihren überwältigenden Vorsprung in Heidelberg (38,7 Prozent für Brantner, 20,2 Prozent für Föhr) nicht an.

Die SPD holte mit Elisabeth Krämer – Lothar Binding hatte wie Lamers nicht mehr kandidiert – ein achtbares Ergebnis (20,2 Prozent), aber Krämer war in der Region im Wahlkampf kaum präsent. Nun ist Föhr der Erste auf der baden-württembergischen Nachrückerliste. Erstmals seit Langem wird nun der Wahlkreis vor allem von einer Abgeordneten, Brantner, vertreten, nicht jedem gilt der zweite Gewählte, Malte Kaufmann (45) von der AfD, als satisfaktionsfähig.

Bitter war es für die Dossenheimer Christdemokratin Julia Philippi (59), die nach nur drei Jahren wieder aus dem Landtag ausschied. Der Wahlkreis wird nun von zwei statt drei Abgeordneten vertreten.


Heißt Kooperation gleich Fusion?

Das nennt man wohl einen Paukenschlag: Der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft, Manuel Bretschi, war noch nicht einmal ein halbes Jahr im Amt, da wurde auch schon eine Zusammenarbeit mit der doppelt so großen Winzergenossenschaft Heppenheim verkündet. Am 13. Dezember erklärten die beiden führenden Bergsträßer Weinproduzenten, dass beim baden-württembergischen Genossenschaftsverband eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben sei, deren Ergebnisse im nächsten Herbst vorliegen sollen.

Insofern blieb die Frage vorerst offen, wie weit diese Kooperation gehen soll. Ist es erst mal nur ein gemeinsames Marketing, oder werden die Schriesheimer fortan ihre Weine in Heppenheim ausbauen, oder steht gar eine Fusion im Raum? Darauf antworteten Manuel Bretschi und sein Heppenheimer Amtskollege Patrick Staub eher ausweichend. Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass die Schriesheimer mit dem Badischen Winzerkeller in Breisach, wo seit 1970 ihre Weine abgefüllt werden, nicht mehr so zufrieden sind. Einerseits sind es die 200 Kilometer Entfernung, da liegt Heppenheim mit 20 Kilometern deutlich näher und hat auch genügend Produktionskapazitäten.

Andererseits machte der Winzerkeller in den letzten Jahren von schier endlosem Streit und der Entlassung seines langjährigen Kellermeisters Jörg Wiedemann negative Schlagzeilen. Unter den Bergsträßern sei man sich schlicht auch mentalitätsmäßig näher, hieß es bei der Pressekonferenz. Und nur gemeinsam könne man die Bekanntheit der kleinsten deutschen Weinregion heben – wobei es die "Badische Bergstraße" seit 1971 als Weinanbaugebiet gar nicht mehr gibt. Die sonst so trennende Landesgrenze sei auch kein Problem, schließlich lieferten ja schon seit Jahrzehnten die Laudenbacher und Hemsbacher Winzer nach Heppenheim ab.

Die ersten Reaktionen aus Politik – darunter Bürgermeister Hansjörg Höfer –, Banken und Gremien seien positiv ausgefallen, hieß es aus der Runde. Auch wenn WG-Aufsichtsratschef Winfried Krämer betonte, es werde "auf Augenhöhe" verhandelt, liefe eine Fusion eher auf ein Schlucken der Schriesheimer hinaus: So haben es die Heppenheimer an der gesamten hessischen Bergstraße immer gehalten.


Personalie des Jahres: Manuel Bretschi

Ein Dreivierteljahr war der Posten des Geschäftsführers der Winzergenossenschaft (WG) vakant, nachdem im Herbst 2020 Harald Weiss nach fast 25 Jahren in den Ruhestand gegangen war. Ende Februar stellte die WG den 39-jährigen Manuel Bretschi vor.

Der Lampenhainer, der in Schriesheim aufs Gymnasium gegangen war, kam vom Deutschen Weininstitut. Doch sein Amt konnte Bretschi erst am 1. Juli antreten. Der Öffentlichkeit stellte er sich erstmals Mitte August bei der Benefiz-Weinprobe der WG zugunsten der Ahrtal-Flutopfer vor – und begeisterte gleich als kundiger wie eloquenter Experte, dem zu jedem Tropfen unerschöpflich Details einfallen. Auch für die WG hat er sich einiges vorgenommen und will ihr ein frischeres Image verpassen – und gewann so als Botschafter des Schriesheimer Weins den Mannheimer Komiker Bülent Ceylan.

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Das waren die Themen des letzten Jahres-2
Kaum gewählt, schon das Amt des Landtagsschriftführers: Sebastian Cuny (SPD). Foto: pd

Das waren die Themen des letzten Jahres-3
Die Bergsträßer Winzergenossenschaften wollen stärker zusammenarbeiten, das erklärten am 13. Dezember (v.l.) für Schriesheim Winfried Krämer und Manuel Bretschi sowie für Heppenheim Patrick Staub, Reinhard Antes und Bernhard Boppel. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung