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21.01.2022

Wer denkt an die behinderten Mitarbeiter im Seniorenheim "Edelstein"?

Wer denkt an die behinderten Mitarbeiter im Seniorenheim "Edelstein"?

Das Seniorenheim „Edelstein“ in der Talstraße. Foto: Dorn
Christina und Volker Obergföll fürchten um die Jobs ihrer beiden Töchter. Abgerissener Gesprächsfaden zum Betreiber soll wieder aufgenommen werden.

Schriesheim/Hirschberg. (hö) In der Debatte um die – zumindest vorerst – gescheiterten Umzugspläne des Seniorenheims "Edelstein" aufs Gärtner-Gelände fehlte bisher ein Aspekt: In der Einrichtung arbeiten 16 Behinderte, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Christina und Volker Obergföll aus Leutershausen stört das: "Von den Bewohnern und dem Personal ist nie die Rede, mit keinem Wort werden die behinderten Mitarbeiter erwähnt."

Denn ihre beiden Töchter Leonie und Lisa arbeiten seit 16 Jahren im "Edelstein" und fürchten angesichts seiner ungewissen Zukunft um ihre Stellen – zumal sie sich, wie das Ehepaar versichert, dort sehr wohlfühlen. "Die viel gepriesene Inklusion hört oft nach der Schule auf", weiß Volker Obergföll, der lange als Realschulrektor in Eppelheim gearbeitet hat.

Denn der Job der beiden Schwestern war ein richtiger Glücksgriff: Wegen ihrer Lernbehinderung waren Leonie und Lisa nach der Sonderschule, einem Jahr auf der Helen-Keller-Berufsschule in Weinheim und schließlich eineinhalb Jahren Berufsvorbereitung im Mannheimer Werkhof auf der Suche nach einer Beschäftigung, die ihrem Wesen entsprach: Und das war die Hauswirtschaft. Zunächst versuchten sie es im Hotel, wo es aber durchaus hektisch zugehen kann.

Nach einem Praktikum im Großsachsener Hotel-Restaurant "Krone" gab dessen Chefin Sabine Grüber den entscheidenden Tipp: Die beiden sollten es doch mal in einem Altenheim versuchen. Christina Obergfölls Schwester, die früh verstorbene Medizinerin und SPD-Stadträtin Maria Bullinger-Baier, war beruflich oft im "Edelstein" und fand, dass das Haus ausgezeichnet geführt war – und legte es den beiden Schwestern ans Herz. Denn hier arbeiten traditionell viele Behinderte als Stationshilfen, die das Essen servieren, die Bewohner bei Bedarf füttern – und ansonsten einfach da sind und mit den Senioren reden.

Das änderte sich auch nicht, als die Bühler Firma SWB Ende 2016 das "Edelstein" vom Evangelischen Verein für Innere Mission (Karlsruhe) abkaufte. SWB-Geschäftsführer Hubertus Seidler, der in letzter Zeit viel Kritik der Schriesheimer Kommunalpolitik einstecken musste, sei dabei "Retter in höchster Not" gewesen, nachdem Übernahmeverhandlungen mit der Stadtmission Heidelberg gescheitert waren. Und Seidler sei es zu verdanken, dass die 16 Stellen der behinderten Mitarbeiter erhalten geblieben seien.

"Wir rechnen es ihm heute noch hoch an, dass er damals eingestiegen ist", sagt Christina Obergföll. Unter Seidlers Ägide erhielten die beiden Schwestern mehr Urlaub und mehr Lohn. Einmal abgesehen von einem Arbeitsklima, in dem sie sich wohlfühlen. Zumindest nennen ihre Töchter das "Edelstein" eine "zweite Heimat". Auch ihre Eltern attestieren ihm einen "vorbildlichen Umgang mit Behinderten". Christina Obergföll, die vor der Pandemie in dieser Einrichtung mit Demenzkranken musizierte, weiß von den Bewohnern und ihren Angehörigen, dass "die Atmosphäre hier stimmt".

Die geplatzten Umzugspläne aufs Gärtner-Gelände und die anschließende Kritik an Seidler – weil er zu einer wichtigen Sitzung des Gestaltungsbeirats nicht erschienen war und einseitig die Konzeption des "neuen Edelstein" nur noch mit Betreutem Wohnen geändert hatte – beunruhigten das Leutershausener Ehepaar. Deshalb wandten sie sich mit einem Brief an die Schriesheimer Stadträte und den designierten Bürgermeister Christoph Oeldorf – mit der Bitte, den abgerissenen Gesprächsfaden zu Seidler wiederaufzunehmen. Erste Reaktionen seitens einiger Stadträte "ließen Gesprächsbereitschaft durchblicken".

Zumal Volker Obergföll den Eindruck hat, dass "am Ende nicht mehr richtig zugehört wurde". Dabei habe man doch noch im Herbst "kurz vor einer Einigung gestanden". Er meint: "Im Grunde müsste nun ein Mediator ran, und das ist der neue Bürgermeister." Mit Sorge sah das Ehepaar, dass die vielen von der Kommunalpolitik geforderten Tiefgaragenplätze das Neubauvorhaben immer teurer machten. Dabei finden beide: "Ein Heimplatz muss doch bezahlbar bleiben. Man sollte nicht zu viele Wünsche nachschieben."

Das Schlimmste für die Bewohner und die Beschäftigten im "Edelstein" wäre das Aus für die Einrichtung, denn im Moment läuft bei der Heimaufsicht das Genehmigungsverfahren für den Weiterbetrieb; und wirtschaftlich ist das marode Haus auch nicht mehr. Insofern hoffen die Obergfölls, dass es für das "Edelstein" doch noch eine Perspektive auf dem Gärtner-Gelände gibt. Oder dass wenigstens ein neuer Betreiber den Bewohnern und dem Personal eine Garantie gibt, im Neubau bleiben zu dürfen.

Denn die Sorge um ihre Jobs macht Leonie und Lisa Obergföll zu schaffen, sagen ihre Eltern: "Sie bekommen das schon mit. Umso mehr haben sie sich gefreut, als es mal hieß, dass das ,Edelstein’ bald in einen Neubau ziehen soll."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung