Schriesheim im Bild 2023

24.01.2022

Stefan Bernauer im Interview über die "Montagsspaziergänger"

Stefan Bernauer im Interview über die "Montagsspaziergänger"

Warum gehen auch in Schriesheim seit dem 20. Dezember regelmäßig 80 bis 140 Personen montags die Straße (hier ein Bild des „Montagsspaziergangs“ vom 10. Januar am Schillerplatz)? Sind das alles AfD-Anhänger? Die RNZ sprach mit dem Mitbegründer der Bürgergemeinschaft, Stefan Bernauer, der selbst mitmacht und der ganz sicher nicht zu den Rechtspopulisten zählt. Foto: Dorn
Wieso gehen die Kritiker der Coronapolitik auf die Straße? Die RNZ fragte Stefan Bernauer von der Bürgergemeinschaft, was ihn dazu antreibt.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Auch am heutigen Montag werden sich wohl wieder, wie seit fünf Wochen, die "Montagsspaziergänger" treffen. Mit dabei ist auch der Mitbegründer der Bürgergemeinschaft (BgS), Stefan Bernauer. Der hatte in der letzten Woche per Internet eine weitere Mitbegründerin der BgS, Stadträtin Liselore "Lissy" Breitenreicher, wegen ihrer Unterstützung der überparteilichen "Uffbasse"-Gegendemonstration kritisiert, weswegen sie sich von dieser Gruppierung zurückzog. Aber Bernauer beschuldigte auch die RNZ, falsche Informationen über den letzten "Montagsspaziergang" verbreitet zu haben. Die RNZ wollte von ihm wissen, was er genau kritisiert – und warum er bei den "Montagsspaziergängern" mitläuft, auch wenn er politisch nicht bei den Rechtspopulisten einzuordnen ist, die gemeinhin als Organisatoren dieser Form der Protests gelten. Bernauer allerdings unterstützt die Kleinpartei "Die Basis", die einerseits für Basisdemokratie eintritt, zugleich aber auch von Anbeginn auch die Corona-Politik von Bund und Land ablehnt. Für die war bei der letzten Landtagstagswahl der Schriesheimer Peter Ullmann als Wahlkreiskandidat angetreten und hatte 1,1 Prozent erreicht, bei der Bundestagswahl kam der Heidelberger Ulrich Becker auf 1,4 Prozent).

Mit diesem Interview will die RNZ versuchen, auch "die andere Seite" der "Montagsspaziergänger" zu Wort kommen zu lassen, nachdem wir bereits ausführlich über den Gegenprotest von "Uffbasse" berichtet haben, der allerdings eher eine einmalige Veranstaltung bleiben soll (RNZ vom Samstag).

Sie werfen der RNZ vor, wir hätten über die "Montagsspaziergänger", insbesondere über deren Anzahl, falsch berichtet oder nicht recherchiert. Was ist Ihrer Meinung nach falsch?
Die Polizei gibt auf ihrem Presseportal die Anzahl der Spaziergänger in Schriesheim mit 140 an. Der von mir kritisierte Artikel von Max Rieser sprach von 80 Spaziergängern, und er behauptet: "Die Polizei sprach hingegen nur von 40 Personen." Das ist nicht meine Meinung, sondern ein überprüfbarer Widerspruch, und die Zahlen der RNZ passen auch nicht zu dem, was ich dort selbst gesehen habe (Anm. d. Red.: Die Zahl 40 Teilnehmern des letzten "Montagsspaziergangs" in der RNZ vom Dienstag beruht auf einem Hörfehler bei einem Gespräch mit dem Polizeipräsidium Mannheim noch am Montagabend. Ein Polizeisprecher hatte von 140 Personen berichtet, der Redakteur aber "40" verstanden. Die ebenfalls genannte Zahl von 80 Teilnehmern stammt von einer ersten Schätzung eines Polizisten vor Ort).

Aber Sie müssen doch anerkennen, dass die "Uffbasse"-Demonstranten deutlich in der Mehrzahl waren. Gibt Ihnen das nicht zu denken, dass Sie eine Minderheit sind, gegen die sich über alle Parteigrenzen hinweg die Mehrheitsgesellschaft zusammentut?
Mir ist schmerzlich bewusst, dass wir eine Minderheit sind. Wenn alle Bürger ohne Vorurteile offene Gespräche mit uns führen würden, wären wir vielleicht bald keine Minderheit mehr. Aber die Stimmung ist bereits so kritisch geworden, dass Gespräche für beide Seiten nicht mehr einfach zu führen sind. Zu dieser Entwicklung hat die Politik und auch die mediale Berichterstattung maßgeblich beigetragen. Die Menschen berichten von einer Spaltung, die durch Familien und Freundschaften geht. Wollen wir eine solche Gesellschaft? Die Formulierung: "Willkommene Sündenböcke für eine frustrierende Situation" kommt mir in den Sinn.

Sie werfen der RNZ vor, nicht von Anfang an bei den Montagsspaziergängen dabei gewesen zu sein. Wie hätten wir davon außerhalb des Nachrichtendienstes Telegram erfahren sollen?
Nein, ich warf Ihnen vor, nicht gut recherchierte Behauptungen über "die Spaziergänger" zu verbreiten. Mir fehlt hier der Platz, um im Einzelnen darauf einzugehen. Nachdem Sie nun wissen, dass Sie mich gerne fragen können, ist dieses Interview ja immerhin ein Anfang, und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.

Wieso machen Sie diese Montagsspaziergänge nicht öffentlich, also per Pressekonferenz oder Ankündigung?
Wer sollte das tun? Wir sind nicht organisiert. Die Menschen kommen auch völlig ohne solche Ankündigungen, und bisher wurden es jede Woche mehr. Außerdem hat die Presse ja mehrfach berichtet. Leider bisher sehr einseitig, um es vorsichtig zu formulieren.

Wieso melden Sie die Montagsspaziergänge nicht als Demonstration an? Oder gelten diese Regeln für politische Versammlungen nicht für Sie?
Weil es nun mal keine Demonstrationen sind. Ich glaube auch nicht, dass "politische Versammlung" eine treffende Bezeichnung ist. Ich habe zwar keinen Überblick über alle politischen Vorstellungen der Spaziergänger, aber es geht den meisten sicher nicht nur um Politik, sondern um eine Fehlentwicklung unserer gesamten Gesellschaft. Eine Entwicklung, die viele Bereiche betrifft: die Medien, die Industrie, den Lobbyismus, die Reichtumsverteilung, den Umgang miteinander, aber natürlich auch kritikwürdige politische Maßnahmen, insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Politik. Wenn Gregor Gysi bei Markus Lanz davon spricht, dass 30 Prozent der Bevölkerung jegliches Vertrauen zur etablierten Politik verloren haben, und niemand widerspricht ihm, dann sind die Spaziergänger nur die Spitze eines Eisberges, der nach meiner Einschätzung wächst. Wir sollten das alle sehr ernst nehmen. Mit repressiven Maßnahmen und sozialem Druck ist ein solches Problem nicht zu lösen.

Man hat den Eindruck, dass viele "Montagsspaziergänger" nicht aus Schriesheim kommen. Dann sagen Sie doch mal, wer da mitmacht.
Woher soll ich das wissen? Ich kenne zwar relativ viele, aber bei Weitem nicht alle und kann auch nicht mit allen ausführlich reden. Auf jeden Fall sind viele Schriesheimer dabei. Aber auch aus umliegenden Städten und Dörfern kommen Leute. Aber warum ist das wichtig? Weltweit gehen Menschen auf die Straße, außer vielleicht in Ländern wie China. Wir reden hier ja nicht über Probleme, die Schriesheim alleine betreffen.

Sie kritisieren die "Uffbasse"-Organisatoren, insbesondere Bernd Hegmann, dass sie nicht das Gespräch mit den Montagsspaziergängern gesucht haben. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass diese gesprächsbereit sind.
Ich bin gesprächsbereit. Woher kommt Ihr Eindruck? Gab es gescheiterte Versuche der "Uffbasse"-Organisatoren? Mit mir jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil. Ich könnte einige Beispiele nennen, in denen Gesprächsangebote von meiner Seite nicht angenommen wurden, das war allerdings schon, bevor es Montagsspaziergänge gab. Die Spaziergänge sind die Folge einer schon länger andauernden Entwicklung.

Sie kritisieren zudem, dass Sie in die rechte Ecke gestellt werden. Aber Sie finden auch nichts dabei, mit der AfD mitzumarschieren. Wieso tun Sie das?
Ihre Frage suggeriert, dass die Spaziergänge von der AfD organisiert wären. Das stimmt nicht, und daher "marschiere" ich auch nicht mit "der AfD". Aber ich habe keine Probleme mit Thomas Kröber, der Stadtrat für die AfD in Schriesheim ist, einen Spaziergang zu machen und über die Probleme unserer Gesellschaft zu diskutieren. Wo kommen wir hin, wenn wir in der Demokratie nicht mehr mit Andersdenkenden sprechen dürfen? Das wäre eine recht schweigsame Gesellschaft. Ebenso wenig hatte ich jemals ein Problem damit, mit irgendeinem anderen Gemeinderat zu reden. Ich bin doch auch kein Grüner, nur weil ich schon mal mit Frau Tuncer gesprochen habe. Allerdings hat Lissy Breitenreicher inzwischen ein Problem, mit mir zu sprechen, und lehnt das aus mir kaum nachvollziehbaren Gründen öffentlich in der RNZ ab. Die Spaltung der Gesellschaft findet derzeit auf allen Ebenen statt – eine Katastrophe für uns alle, wenn Sie mich fragen.

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Stefan Bernauer. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung