Schriesheim im Bild 2023

11.02.2022

Beim Thema Impfpflicht schwant Pflegeheimen nichts Gutes

Die Einrichtungen befürchten, dass sich dadurch die Personalnot nur noch verschlimmern wird.

Schriesheim. (max) Ab 15. März kommt sie, die Impfpflicht. Allerdings nicht für alle, sondern nur für Pflege- und Gesundheitseinrichtungen, diejenigen also, die seit Beginn der Pandemie die Auswirkungen des Virus am heftigsten zu spüren bekommen. Viele Betreiber von Pflegeeinrichtungen befürchten, dass sich die ohnehin angespannte Personalsituation dadurch zuspitzen könne – und sehen die einrichtungsbezogene Impfpflicht kritisch.

Haus Edelstein: Die Impfquote im "Edelstein" liegt bei 92 Prozent, wie Betreiber Hubertus Seidler berichtet. Drei ungeimpfte Angestellte hätten schon angekündigt, das Haus zu verlassen, wenn die Impfpflicht kommt. Es beträfe allerdings nicht nur Pflegepersonal, sondern auch "Küche, Reinigung und Hauswirtschaft". Für die restlichen 33 Beschäftigten im Edelstein würde das mehr Arbeit bedeuten, so Seidler: "Wir haben keine andere Chance, als es abzufangen, aber es wird immer enger." Man sei jetzt schon am Rande der Unterbesetzung. Um die Situation etwas zu entspannen, müsse er entweder an einen Belegungsstopp denken, was bedeuten würde, frei gewordene Plätze nicht mehr neu zu besetzen, oder er bietet keine Kurzzeitpflege mehr an. Somit wären am Ende die alten Menschen die Leidtragenden: "Wir haben noch weniger Zeit für persönliche Gespräche oder Befindlichkeiten."

Seidler hat eine klare Haltung: "Ich finde es absolut daneben, dass da sortiert wird. Eine allgemeine Impfpflicht ja. Aber man sollte diejenigen, die man braucht, um die Pandemie über die Bühne zu bringen, nicht auch noch gängeln." Um seine Angehörigen besuchen zu können, bietet das Haus Schnelltests für Besucher an.

Haus Stammberg: Michael Meisel, Leiter der Einrichtung an der Talstraße, berichtet: "Wir haben eine Impfquote von 98 Prozent bei den Angestellten und 99 Prozent bei den Bewohnern." Im "Stammberg" sei ihm von Anfang an die Kommunikation über die Impfung wichtig gewesen, was sehr geholfen habe: "Es war uns wichtig, Ängste wahrzunehmen und niemanden zu zwingen. Wir haben es mit Argumenten versucht und die Emotionalität aus der Debatte zu nehmen, das hat sich bewährt."

Von seiner Seite brauche es also keine Impfpflicht, so Meisel. Auch er ist der Meinung: "Wenn Impfpflicht, dann für alle." Gelte das nur Menschen in Gesundheitsberufen, sei zu kurz gedacht und helfe nicht bei der Virusbekämpfung. Es sei ein falsches Zeichen, die Pflicht auf die Schultern einer Berufsgruppe abzuwälzen: "So vermittelt man, dass Pfleger, die sich nicht impfen lassen allgemein eine Bedrohung sind – und das ist ja nicht das Thema."

Durch den niedrigen Prozentsatz an Ungeimpften im Stammberg werde der Betrieb nicht durch Kündigungen bedroht, sagt der Leiter. Auch hier können sich Besucher testen lassen, wenn sie keinen aktuellen Test haben. Das Personal werde zudem täglich getestet, die Bewohner dreimal in der Woche. Einen Corona-Ausbruch habe es weder bei Bewohnern noch bei Angestellten bisher gegeben.

Haus Ella: Für das Altenbacher Pflegeheim will Einrichtungsleiter Joachim Veigel aus Datenschutzgründen keine Angaben zur Impfquote machen. Die Situation sei aber "weiterhin eine Katastrophe". Veigel rechnet damit, dass durch die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach bald viele Einrichtungen schließen müssen, da durch die "spezifische Impfpflicht" an vielen Orten Personal wegbrechen würde. Im zwölfköpfigen Team des Ella sei die Bedrohung nicht so groß, "landesweit wird es aber ganz schön rappeln". Der Zustand in der Pflege sei so katastrophal, dass viele Beschäftigte durch das Gesetz sagen würden: "Das Maß ist voll", glaubt Veigel. Der Notstand sei seit Jahrzehnten bekannt, es würde nicht gegengesteuert: "Wir finden kein examiniertes Pflegepersonal, weil es einfach keins gibt." Nun würde die einrichtungsbezogene Impfpflicht weiter "unnötigen Druck" aufbauen.

Kirchliche Sozialstation: Auch als nicht-stationäre Einrichtung, ist man hier von der Impfpflicht auch betroffen. Pflegedienstleiterin Darja Lohmeier berichtet: "Wir haben eine Impfquote von 100 Prozent." Das liege allerdings auch daran, dass die einzigen beiden Ungeimpften gerade an Corona erkrankt seien und danach vorerst den Genesenen-Status innehätten. Sollten sie sich danach weiterhin nicht impfen lassen wollen, würden die beiden aber wohl ausfallen, so Lohmeier: "Ein Ausscheiden von zwei Mitarbeitern kann sich kein Pflegedienst leisten, zumal uns so schon drei fehlen." An der Haltung Bayerns, das die Impfpflicht vorerst aussetzen will, sehe man, "dass das alles Mal wieder schnell gemacht aber nicht gedacht" gewesen sei. Die Pflege werde seit 30 Jahren durch Einsparungen torpediert, durch die Zusatzbelastung falle "das ganze Konzept zusammen."

In Krankenhäusern sei die Situation noch schlimmer, sie erhalte immer mehr Bewerbungen von dort. Das freue sie zwar, sei aber nicht Sinn der Sache: "Wir brauchen ja an allen Fronten genug Mitarbeiter", findet sie.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung