Schriesheim im Bild 2023

14.02.2022

Wie Altenbach vor 50 Jahren eingemeindet wurde

Im Gespräch war eine Fusion mit Wilhelmsfeld. Große Krise bei der Talstraßensperrung.

Von Micha Hörnle

Schriesheim-Altenbach. Die Geschichte der Eingemeindung Altenbachs nach Schriesheim – sie erfolgte offiziell am 1. Januar 1972 – ist spannend wie ein Krimi. Darüber informiert der Journalist Konstantin Groß in seinem Buch "Vom Bischofsgut zum Bungalow", das zur 600-Jahrfeier Altenbachs 2001 herauskam.

Der Grund für die Eingemeindung lag vor allem an der Gemeindereform, die die Landesregierung ab 1968 verfolgte: Ziel waren leistungsfähige Gemeinden, als Zielgröße galten mindestens 5000 Einwohner, besser noch 10.000. Aus den damals 3400 selbstständigen Gemeinden – davon ein Drittel mit weniger als 1000 Einwohnern – sollten am Ende nur noch knapp über 1100 werden. Altenbach zählte damals rund 1650 Einwohner, galt aber, vor allem wegen eines fehlenden Gewerbegebietes, als arm, die wichtigsten Ausgaben für die Infrastruktur waren kaum zu bewältigen, wie der damalige Bürgermeister Peter Gutfleisch 1966 in einem RNZ-Interview zugab. Sein Stellvertreter Heinz Flohr, der später zum "Architekt der Eingemeindung" (Groß) werden sollte, sah das genauso.

Im Gespräch war zunächst als Partner Wilhelmsfeld (und eventuell eine Fusion mit den Steinachtal-Gemeinden), zumal es enge Bindungen dorthin gab: nicht nur verwandtschaftliche, aber auch infrastrukturelle (Wasser und Telefonvorwahl) sowie kirchliche. "Allerdings waren die historischen Bindungen ins Schriesheimer Tal stärker", meint Groß, gerade was die medizinische Versorgung anging. Ein geflügeltes Wort damals war: "Das Wasser fließt bergab, nicht bergauf." Zumal Schriesheims Eigenständigkeit ebenfalls bedroht war: Zur Diskussion standen damals dessen Eingemeindung zu Weinheim oder Heidelberg oder die Bildung einer Großgemeinde Bergstraße (mit Dossenheim, Leutershausen, Großsachsen und Lützelsachsen).

Das Karlsruher Regierungspräsidium hatte zwar klar eine Präferenz für eine Großkommune "Steinach" inklusive Altenbach geäußert, aber es kam dann doch anders, vielleicht spielte der langjährige Landrat des Landkreises Heidelberg, Georg Steinbrenner, der in Wilhelmsfeld wohnte, eine entscheidende Rolle – damals gehörte Altenbach verwaltungsmäßig dazu. Wahrscheinlich erhofften sich auch die Altenbacher von den reicheren Schriesheimern eine ordentliche "Eingemeindungsmitgift", die es von Wilhelmsfeld und den Steinachtalkommunen, alle bitterarm, nie gegeben hätte. Der Altenbacher Gemeinderat boykottierte Fusionsgespräche mit Wilhelmsfeld, Schönau und Heiligkreuzsteinach und entscheid sich im November 1969 eindeutig für Schriesheim. Im Jahr drauf sagte auch Schriesheim ja, am 3. Februar 1971 trafen sich erstmals die Altenbacher und Schriesheimer Gemeinderäte zu einer gemeinsamen Sitzung im Gasthaus "Zur Pfalz", auf der ein Ausschuss beschlossen wurde, der den Eingemeindungsvertrag ausarbeiten sollte.

Das größte Problem war allerdings die Zukunft von Bürgermeister Gutfleisch. Denn der Schriesheimer Bürgermeister Wilhelm Heeger weigerte sich, ihn zum Beamten zu ernennen. Gutfleisch, 50 Jahre alt, ging wieder in seinen alten Beruf – er war Versicherungsberater – und zog sich völlig aus der Kommunalpolitik zurück.

Ebenfalls kniffelig war der Status Altenbachs. Da der neue Stadtteil von der Kernstadt räumlich getrennt war, wurde – gegen den Widerstand Heegers – eine Ortschaftsverfassung beschlossen, Altenbach bekam einen Ortschaftsrat mit etlichen Kompetenzen (wie dem Spielplatz oder den Friedhof). Und schließlich sollte Altenbach seine eigenen Räte in den nun gesamtstädtischen Gemeinderat entsenden (die sogenanntechte Teilortswahl). Nur um ihre Zahl gab es Streit: alle zehn (bei 16 Schriesheimer Räten)? Oder weniger? Am Ende einigte man sich auf fünf (heute: vier).

Im August 1971 billigten erst der Altenbacher, dann der Schriesheimer Gemeinderat den Eingemeindungsvertrag, der am 12. September 1971 den Bürgern Altenbachs zur Abstimmung vorgelegt wurde – die Schriesheimer wurden nicht gefragt: 610 Stimmen (bei 1109 Stimmberechtigten) wurden abgegeben (54,8 Prozent), für die Eingemeindung nach Schriesheim stimmten 432 (70,8 Prozent). Und so verlor Altenbach gut 570 Jahre nach seiner ersten urkundlichen Erwähnung seine Selbstständigkeit. Der Landrat des Landkreises Mannheim, Albert Neckenauer, sagte beim Eingemeindungsfestakt Ende Februar 1972, dass das Zusammengehen Schriesheims und Altenbachs "eine Vernunftehe" und keine Liebesheirat sei.

Die ersten Tage beschäftigten die Altenbacher Alltagsfragen: Sind Telefonate nach Schriesheim Ortsgespräche? Welche Nummernschilder bekommt man nun (vorher hatte Altenbach HD, Schriesheim MA, aber mit dem neuen Rhein-Neckar-Kreis wurde das 1973 wieder hinfällig). Unterdessen benahmen sich die Schriesheimer, allen voran Ratsschreiber Valentin Morast, nickelig zu den Altenbachern: Der dortige Ratsschreiber Helmut Jörder durfte nicht im Altenbacher Rathaus Dienst tun, sondern musste nach Schriesheim.

Kommunalpolitisch glätteten sich nach Gutfleischs Rückzug allerdings die Wogen, Heinz Flohr, ein Sozialdemokrat, wurde neuer Ortsvorsteher. Der sorgte wohl auch mit dafür – sehr zum Verdruss der Schriesheimer SPD, die den Karlsruher Oberpostrat Franz Joachim Barth nominiert hatte –, dass Bürgermeisterkandidat Peter Riehl ein ordentliches Ergebnis in Altenbach einfuhr: Bei der Wahl vom 2. Dezember 1973 holte er mit 61,8 Prozent hier drei Prozentpunkte mehr als in der Kernstadt. Riehl beließ Jörder in Altenbach, vor allem setzte er das "Eingemeindungsgeschenk", die Mehrzweckhalle (samt Feuerwehrhaus), in die Tat um, die 1976 eingeweiht wurde. Nach zähem Ringen wurden ab 1972 die Bebauungspläne verabschiedet, die vor allem dazu dienen sollten, dass Altenbach überhaupt eine Kanalisation bekam.

Für die ganz große Krise im Verhältnis der Altenbacher zu Schriesheim sorgte 1989 die plötzliche Sperrung der Talstraße, die nach Unterspülungen zwischen der Gauls- und der Schotterersbrücke saniert werden musste. Damit wurde der Lebensnerv des neuen Ortsteils gekappt – die Altenbacher sollten über Ursenbach, Rippenweier und Großsachsen nach Schriesheim fahren –, es gründete sich eine Bürgerinitiative. Die Wogen gingen hoch, und die Altenbacher hatten das Gefühl, "Schriesheimer zweiter Klasse" zu sein. Denn Bewohner des Branichs und des Schlossbergs (und auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung) erhielten Ausnahmegenehmigungen: Sie durften über den Laubelt in Richtung Stadt fahren.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung