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16.02.2022

Zum Tod von Uli Sckerl: Einer von hier und für hier

Die Region trauert um einen Politiker, vor allem aber einen Menschen. Aus bescheidenen Anfängen zu einer der Stützen der Landespolitik.

Von Micha Hörnle

Bergstraße-Neckar. Es sagt schon viel über einen Menschen aus, wenn so viele in einer Region um ihn trauern. Egal, mit wem man sich am gestrigen Dienstag an der Bergstraße unterhielt: Immer ging es um den plötzlichen Tod von Uli Sckerl, der am Montagabend nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 70 Jahren gestorben ist, und um die tiefe Betroffenheit über diesen Verlust. Sckerl wurde als gewiefter Landes- und Kommunalpolitiker geschätzt, vor allem aber als Mensch. Er konnte durchaus knorrig sein, aber er war immer nah bei den Menschen, er schien jeden im Wahlkreis zu kennen und hatte für alle trotz seines enormen Arbeitspensums in Stuttgart immer ein offenes Ohr.

Gerade in der Coronakrise, also seit fast zwei Jahren, wusste man am Neckar und an der Bergstraße, was man an ihm hatte: Wenn niemand mehr im Verordnungsdickicht durchblickte, wusste Sckerl immer sofort, was Sache war – und wie man das "rüberbringt". Gerade die Rathäuser, die die sich ständig ändernden Regeln vor Ort umsetzen mussten, verließen sich oft auf den kurzen Draht zu Sckerl. Er war einfach der geborene Kommunikator, der selbst komplizierteste Zusammenhänge prägnant auf den Punkt bringen konnte. Und vielleicht auch deswegen waren ihm so viele Menschen innerlich nah, er war schlicht für die meisten "der Uli", "Hans-Ulrich" nannte ihn kaum jemand.

Er kannte selbst als bekannter Landespolitiker keine Dünkel, das mag an seiner Kindheit liegen: In Weinheim wuchs er, wie er einmal der RNZ sagte, "in bescheidensten Verhältnissen" auf. Er hatte liebevolle Eltern, aber Geld war keines da: "Ich kenne nicht nur die Sonnenseite. Das ist eine gute Schule fürs Leben." Im heutigen Heisenberg-Gymnasium war er ein guter Schüler, aber Sport war seine große Leidenschaft, vor allem der Handball. Eine Rückenverletzung beendete seine Sportlerkarriere, aber inzwischen studierte er Jura. Das erste Staatsexamen machte er, das zweite konnte er aus familiären Gründen damals nicht ablegen: "Heute bereue ich das sehr", erklärte er in einem RNZ-Porträt vor knapp einem Jahr. Also konnte er nicht Anwalt werden, arbeitete aber in einer Kanzlei, war Berater und Geschäftsführer kleiner Unternehmen, bis er 2006 in den Landtag gewählt wurde. Fünf Jahre versuchte er, seinen alten Job noch nebenberuflich weiterzuführen, aber mit seinem Aufstieg in der Landeshauptstadt "konnte ich das nicht mehr leisten". Den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann kennt Sckerl "seit mindestens 30 Jahren", sie waren enge Weggefährten.

Überhaupt: Landespolitik war seine Passion: "Berlin, oder früher Bonn, ist zu weit weg. Ich will den Leuten nah bleiben." Schon 1996 und 2001 stellte er sich bei der Landtagswahl auf, es fehlten nur wenige Stimmen, 2006 schließlich klappte es – "auch ohne Kretschmann-Effekt", und das in einem eher schwarzen Wahlkreis: "Darauf bin ich schon etwas stolz. Und es war damals auch meine letzte Chance."

Knapp 16 Jahre war er Landtagsabgeordneter, zweimal wurde er direkt gewählt: 2016 und 2021, zuletzt mit 35,6 Prozent. In Stuttgart wurde er als Parlamentarischer Geschäftsführer zwar ein "hohes Tier", aber seine Anfänge in der Kommunalpolitik hatte er nie vergessen, er war oft genug die Stimme der Kommunen in der Landespolitik. Denn dort begann sein politisches Engagement, zunächst in seinem damaligen Wohnort Leutershausen: Von 1989 bis 1998 saß er im Hirschberger Gemeinderat, zu dieser Zeit hatte die Grüne Liste dort nur zwei Sitze (heute sind es fünf). Nach einem kurzen Intermezzo in Wiesenbach kehrte er vor 20 Jahren wieder nach Weinheim zurück – und schon 2004 amtierte er wieder im Gemeinderat: "Ich bin wohl einer der wenigen, die in zwei Gemeinden in diesem Gremium vertreten waren." 2019 wurde er bei der Kommunalwahl sogar "Stimmen-Vizekönig". Auch als er längst in der Landespolitik war, dachte er nicht daran, die Kommunalpolitik aufzugeben. Denn er beherzigte den Rat seiner Oma: "Bleibe mit beiden Beinen im Leben."

Und derartig geerdet trug er seine Erkenntnisse auch nach Stuttgart: "Das Land muss auf die Kommunen achten. Wenn es denen gut geht, geht es auch dem Land gut." Deswegen war es für ihn in der Coronakrise auch "extrem wichtig, dass das Land die finanziellen Ausfälle der Städte und Gemeinden kompensiert".

Sckerl war politisch pragmatisch – bei den Grünen nennt man das einen "Oberrealo" – er hat allerdings ganz anders begonnen: In seinen frühen Jahren war Sckerl wie viele spätere Grüne "ganz links", mit Mitgliedschaft in den K-Gruppen und Demos gegen den Vietnamkrieg. Später engagierte er sich in etlichen Bürgerinitiativen und mischte Weinheim auf. 1979 gehörte er bei den Grünen zu den Gründern – und mit der Partei haderte er vor allem, wenn es "um Krieg oder Frieden" ging, zuletzt beim umstrittenen Kosovo-Einsatz der rot-grünen Bundesregierung 1998. Auf der legendären Bundesdelegiertenkonferenz, auf der der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer mit einem Farbbeutel beworfen wurde, stimmte er gegen die Beteiligung der Bundeswehr, trug den Beschluss aber nachher mit.

Auch wenn die Landespolitik Sckerls große Leidenschaft ist, es gab auch noch eine Familie: "Family first, das gilt auch für den Politikjunkie Uli Sckerl." Er war seit 2005 mit einer Pfarrerin verheiratet. Zusammen haben sie einen 14-jährigen Sohn, aus einer anderen Beziehung stammt eine Tochter, die mittlerweile bei Stuttgart Tierärztin ist. Zu beiden hatte er "eine liebevolle Beziehung", doch mit seinem Filius teilte er die Begeisterung für geschichtliche Themen. Seine Familie hielt er allerdings vollkommen aus der Öffentlichkeit fern.

Mit seiner Familie trauert eine ganze Region um einen Menschen, dem sie viel zu verdanken hat. Die Trauerfeier für Uli Sckerl findet an diesem Samstag, 19. Februar, um 14 Uhr in der Peterskirche in Weinheim unter 2G-Bedingungen statt. Die Urnenbeisetzung am Grab erfolgt später im engsten Familienkreis.

Tuncer rückt für Sckerl im Landtag nach

Bergstraße-Neckar. (hö) Es ist sicher pietätlos, an dem Tag diese Frage zu stellen, an dem die Nachricht vom Tode Uli Sckerls so viele Menschen bewegt: Wer wird ihm im Landtag nachfolgen? Im Gegensatz zur Bundestagsregelung springt hier der Ersatzkandidat ein. Erst wenn der ablehnen sollte, rückt der nächste nicht-gewählte Grünen-Kandidat aus dem Regierungsbezirk Karlsruhe nach. Ersatzkandidatin bei der Landtagswahl 2019, wie schon 2016, war Fadime Tuncer. Vom Tode ihres langjährigen Freunds und politischen Mentors sichtlich mitgenommen, hatte sie am Dienstag keinen Kopf für solche Dinge. Und doch sagte sie auf RNZ-Anfrage: "Es ist meine Pflicht und Aufgabe, das Mandat anzunehmen." Sie wisse, dass Sckerl eine große Lücke hinterlasse, die man nur schwer füllen könne. Aber wer sie kenne, wisse, dass sie sich nur dann aufstellen lässt, wenn sie es auch wirklich ernst meint.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung