Schriesheim im Bild 2023

18.03.2022

"Seitz Backrohstoffe" in Heiligkreuzsteinach: 20 Mal so große Bestellungen wie vor Krieg

Bäckerei bekommt die Weizenkrise zu spüren: "Hier brennt die Hütte" und der Preis ist um 15 Prozent gestiegen.

Von Lukas Werthenbach

Heiligkreuzsteinach. Steigende Preise, Hamsterkäufe, leere Supermarktregale: Der Krieg in "Europas Kornkammer" Ukraine als wichtiger Getreidelieferant wirbelt den Weltmarkt für Mehl, Sonnenblumenöl und andere Zutaten heftig durcheinander. Das bekommt auch die Firma "Seitz Backrohstoffe" mit Sitz im Heiligkreuzsteinacher Ortsteil Vorderheubach zu spüren. Und das, obwohl das Unternehmen selbst hauptsächlich mit Produkten aus der Region arbeitet.

"Hier brennt momentan die Hütte", sagt Karl-Peter Seitz, Inhaber des Traditionsunternehmens. Dessen Ursprünge gehen auf die Gründung der Seitz-Mühle in Schriesheim im Jahr 1856 durch Seitz’ Ur-Ur-Großvater Philipp Seitz zurück. Inzwischen in Heiligkreuzsteinach ansässig, liegt der Fokus unter anderem auf Backmitteln wie etwa Malz, auf Backgrundstoffen und Rohstoffspezialitäten. "Wir liefern auch Marzipan und Schokolade an Bäckereien", erklärt der 53-Jährige. Zudem werden hier Backmischungen für Brot, Brötchen und Kuchen hergestellt. Auch große Supermarktketten gehören zu den Kunden. Gerade beim Getreide werde hier ausschließlich regional eingekauft.

So könnte man meinen, dass die Firma im beschaulichen Odenwaldort mit ihren 25 Mitarbeitern von Krisen auf dem globalen Lebensmittelmarkt weitgehend unberührt bliebe. Doch auch hier sind die weltweiten Turbulenzen spürbar. "Wir haben viele Produkte mit Weizenmehl", erläutert der Unternehmer: Der Weizen werde knapp, weil Russland und Ukraine als große Exporteure zunehmend wegbrechen. Das wiederum sorge dafür, dass die großen Mühlen, die aus dem Getreide Mehl herstellen, schon nahezu "leer gekauft" seien.

Vor diesem Hintergrund bemerkenswert: Eigentlich – keine großen Ernteausfälle vorausgesetzt – deckt der bundesweite Anbau den Bedarf an Getreide in Deutschland zu 100 Prozent und mehr. "Aber weltweit fehlt gerade Mehl", verdeutlicht der Fachmann. So würden nun zahlreiche Abnehmer auf kleine und mittelständische Mühlen ausweichen, um sich – wenn auch zu teureren Preisen – mit Mehl einzudecken. "Wir kriegen unser Mehl nur von solchen kleineren Mühlen in der hiesigen Gegend", so Seitz. "Die sind aktuell am Anschlag und können gar nicht so viel produzieren, wie gebraucht wird."

Von den Mühlen kauft seine Firma das Mehl in großen Mengen, die hier in Vorderheubach wiederum von Hand in kleinere Portionen zwischen einem und fünf Kilogramm verpackt werden. So gehen die Päckchen dann unter anderem an Supermärkte. "Jetzt sind die Regale leer, es wird mehr Mehl bestellt und wir kommen mit dem Verpacken kaum hinterher", schildert der Unternehmer. In den vergangenen drei Wochen sei im Vergleich zu normalen Zeiten die 20-fache Menge an Mehl bei Seitz bestellt worden.

Dabei geht der 53-Jährige davon aus, dass auch "Hysterie und Hamsterkäufe" aufgrund des Kriegs eine Rolle spielten und ein großer Teil des gerade gekauften Mehls in Kellern "gebunkert" verfallen werde: "Mehl ist zwar lange, aber nicht ewig haltbar", so Seitz. Der Kilopreis sei seit dem Krieg um bis zu 15 Prozent gestiegen. "Wir bieten rund 600 Artikel an, davon sind gut 90 Prozent teurer geworden", berichtet Seitz.

Ein weiteres Problem seien Saaten, die immer weniger verfügbar seien und entsprechend im Preis steigen würden. "Die ukrainische Hafenstadt Odessa ist ein großer Umschlagplatz für Getreide und Saaten, da geht momentan nichts raus." Dies sorge dafür, dass sämtliche bisherigen Abnehmer dieser Produkte neue Lieferanten suchen müssen.

Die aktuelle Situation der Verbraucherpreise vergleicht Seitz mit einem Schneeballsystem: "Jeder bekommt gerade die Preissteigerungen zu spüren, gibt sie in seiner jeweiligen Branche an seine Kunden weiter und schlägt dann oft noch auf, um mehr in der eigenen Tasche zu haben – weil es eben gerade jeder macht."

Und der Ukrainekrieg füge sich da in eine Entwicklung ein, die schon vorher in vielen Bereichen zu spüren gewesen sei: "Der Butterpreis wird zum Beispiel täglich höher." Dies sei schon lange vor dem Krieg zu beobachten gewesen, weil etwa Futtermittel für Kühe teurer wurden: Diese stehen am Anfang der Produktionskette für Butter. "Das ist eine galoppierende Inflation bei den Rohstoffpreisen", stellt Seitz fest.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung