Schriesheim im Bild 2023

11.11.2004

Michelmann stellt ein schlechtes Zeugnis aus


Die scheidende Schriesheimer Sozialarbeiterin war mit vielen Stellen der Stadt unzufrieden, das geht aus ihrem Abschiedsbericht hervor.

Schriesheim. (ron) "Wenn die Stadt nicht bereit ist, Kompetenzen, Mittel und Ressourcen bereit zu stellen, die einer sinnvollen Stelle eines Sozialarbeiters angemessen sind, dann macht diese Stelle keinen Sinn." Mit klaren Worten in einem schonungslosen Sachstandsbericht stellt Kathrin Michelmann, die scheidende Sozialarbeiterin, der Stadt Schriesheim ein schlechtes Zeugnis aus.

Korrekterweise muss man sagen, dass der Bericht bereits im Sommer fertiggestellt war und streng genommen nicht als Erklärung für die Kündigung gilt, die Michelmann vor drei Wochen ausgesprochen hat. Aber da der Vortrag und die Kündigung fast auf den gleichen Tag fiel, kann man mehr oder weniger von einem Abschiedsbericht sprechen. Er ist ziemlich deutlich von einer Enttäuschung geprägt. Die 25-jährige Sozialarbeiterin hätte in den letzten beiden Jahren gerne mehr aus ihrem Job gemacht.

Am meisten vermisste sie laut ihrem Bericht "eigene Räumlichkeiten und die sachgerechte Ausstattung der Arbeit". Offenbar besonders enttäuscht ist sie vom Schriesheimer Gemeinderat, der ihr nie ganz Rückendeckung gab. "Der Gemeinderat muss Stellung beziehen, sich Gedanken machen und diskutieren, nur so ist ein politischer Rückhalt von politischer Seite bei der zukünftigen Arbeit gewährleistet", wünscht sie sich. Sie fordert: "Die Aufgaben und Inhalte der Stelle müssen mit klar definierten Rahmenbedingungen neu definiert und konzipiert werden."

Überraschenderweise legt Kathrin Michelmann aber nicht nur beim zögerlichen Gemeinderat den Finger in die Wunde. Auch bei anderen Stellen und Organen der Stadtverwaltung hat sie in der letzten Zeit das Engagement für die Jugendarbeit vermisst - oder sich mit ihnen nicht richtig verstanden. Das betrifft auch den Jugendgemeinderat: "Darin hat die Mitarbeiterin große Hoffnungen gesetzt, leider erhielt sie keinen Arbeitsauftrag und keine Äußerung zum erfüllenden Tätigkeitsfeld", heißt es. Auch die Kontakte zu den Fachkollegen der Stadtverwaltung haben sich offenbar nicht ganz einfach gestaltet. "Der Kontakt zum Jugend- und Sozialamt war leider nicht regelmäßig, weil die Mitarbeiterinnen dort stark ausgelastet sind", bedauert Michelmann. Der Kontakt zur örtlichen Polizeidienststelle lasse sogar "sehr zu wünschen übrig". Der Jugendsachbearbeiter habe sich nicht von der Notwendigkeit eines zumindest lockeren Austauschs überzeugen lassen. Aber auch die Gesamtverwaltung wird aus der Kritik nicht entlassen: In dem Bericht ist von einem "Hin und Her" bei den Sprechstunden die Rede und von "immer wieder kehrenden EDV-Problemen". Michelmanns Fazit: "Die Position entspricht eher der einer Einzelkämpferin."

Am meisten "Fett" bekommt aber der Jugendtreff "Juts" ab, wie neulich schon durchgesickert war. Sie spricht von großen Kommunikationsproblemen: "Man muss schon Glück haben, alle Vorstände bei einer Vorstandssitzung anzutreffen." Von den Juts-Betreibern könne sie jedenfalls keine Kooperation erwarten: "Bis heute quillt die Mülltonne jedes Mal über, wenn die Mitarbeiterin dort ist." Dabei habe sie die Vorstände schon des öfteren darauf hingewiesen, dass der Müll regelmäßig zu entsorgen sei. Der Juts sei "ein Cliquentreff (und wird es auch bleiben) und wird somit nicht von allen Jugendlichen genutzt". Auch die Erwartungen an den Push e.V, so heißt es, "halte ich bewusst niedrig". Schließlich könne noch niemand sagen, "wo die Reise hingeht". Zumal die Beteiligung der Jugendlichen aus Schriesheim an dem Verein eher gering sei. In Klammer setzt sie: "Man sollte sich mal Gedanken machen, warum das so ist."

Ihr Fazit: "Leider muss etwa zwei Jahre nach der Einrichtung der Stelle fest gestellt werden, dass sich die Einrichtung der kommunalen Jugendarbeit in Schriesheim im Allgemeinen nicht durchgesetzt und noch nicht etabliert hat. Das liegt auch an der mangelnden Unterstützung und den daran gebundenen gegebenen Rahmenbedingungen, wie den fehlenden Räumlichkeiten, den beschränkten finanziellen und personellen Mitteln."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung