Schriesheim im Bild 2023

29.12.2004

Als der Zentgraf noch in Schriesheim richtete


RNZ-Serie zum Jahrbuch 2004 - Melanie Hägermann beschäftigt sich in ihrem Artikel mit der Gerichtsbarkeit in der Weinstadt

Die Verurteilten kamen an den Pranger am Alten Rathaus. Foto: Kreutzer

Schriesheim. (nam) Ein Artikel im Schriesheimer Jahrbuch 2004 behandelt die kurpfälzische Strafrechtsgeschichte in der Zent Schriesheim. "Von Freveltaidigung und Blutgericht" berichtet Autorin Melanie Hägermann.

Sie erläutert zunächst Begriffe und Ereignisse, die zum Verständnis der damaligen Verhältnisse und des Rechtssystems notwendig sind. Landesherrschaft war mit der Blutgerichtsbarkeit untrennbar verknüpft, deswegen gingen strafrechtliche Sachverhalte meistens mit Territorialpolitik Hand in Hand. Schließlich definiert die Autorin noch die Rolle des Landesherren als Gesetzgeber und weist auf die Rolle von Gesetzeswerken hin, die das Strafgerichtswesen ordneten.

Schriesheim selbst geht erst Ende des 15. Jahrhunderts in Kurpfälzer Besitz über und wird dann Sitz des Zentgerichts. Das Tribunal tagt in regelmäßigen Abständen vor dem Rathaus und setzt sich aus Personen mit unterschiedlichen Funktionen zusammen. Mehrere Schöffen beraten und fällen als Laienrichter das Urteil, den Vorsitz hat der Zentgraf inne.

Es gibt noch einen Protokollanten und einen Gerichtsboten. Professionelles Personal ist nur bei Hochgerichtsfällen anwesend: Ankläger, Verteidiger und Henker. Das Zentgericht selbst ist nur für bestimmte Fälle zuständig, die im Laufe der Zeit immer neu definiert werden. Um kleinere und mittelschwere Vergehen kümmern sich die Dorfgerichte. Ab 1582 treten Landrecht und Landesordnung sowie eine "Malefizordnung" in Kraft, die die Zuständigkeiten der Gerichte bestimmen und klar regeln. Im Mittelpunkt der Zentgerichtsversammlungen steht die "Freveltaigung", das heißt die Verhandlung von Straftaten, die mit Geldbußen geahndet werden. Schwerwiegende Fälle kommen vor das Blutgericht, dessen Verdikt die Verurteilten ein Körperteil oder sogar das Leben kosten kann. Getagt wurde auf dem Galgenberg, einer flachen Erhebung beim Heddesheimer Weg in Richtung Leutershausen.

Mit den Gesetzeswerken von 1582 werden die Gerichtsverfahren zunehmend formalisiert und bürokratisiert, die Zentgerichte verlieren an Bedeutung. Sie sind nicht mehr für Verhandlung und Urteilsfindung zuständig, sondern nur noch für seine Verkündung und Bestätigung. Rechtsgelehrte und Beamte kümmern sich nun um die Beurteilung der Fälle, da die Schöffen mit den Sachverhalten oft überfordert sind. Die Zenten selbst sind im Wandel von Staats-und Justizsystemen überholt und verschwinden schließlich 1803 von der Landkarte.

Der Artikel gibt einen ausführlichen Einblick in die damaligen Rechtsverhältnisse, ohne sich in zu vielen Details zu verlieren. Hägermann erläutert die relativ komplexen Sachverhalte klar und strukturiert, Originaldokumente veranschaulichen und ergänzen sie zusätzlich. Wer sich ein Bild über das damalige Strafrecht in der Region machen möchte, der hat mit dem Schriesheimer Jahrbuch eine gute und verständliche Zusammenfassung gewählt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung