Schriesheim im Bild 2023

05.01.2005

Riehl: "Die Grünen kriegen die Kurve nicht"

Im RNZ-Jahresinterview äußert sich der Schriesheimer Bürgermeister zum neuerlichen Gemeinderats-Streit, zum neuen Haushalt, blickt voraus auf sein letztes Amtsjahr

"Ein Abschied auf Raten ist nicht meine Sache", sagt Bürgermeister Peter Riehl (r.) hier in seinem Jahresgespräch mit den RNZ-Redakteuren Roland Kern (l.) und Carsten Blaue. Der Schriesheimer Rathauschef biegt auf die Zielgeraden seiner Amtszeit ein. Foto: Dorn

Schriesheim. Jetzt biegt Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl endgültig auf die Zielgeraden ein. 32 Jahre ist der 62-jährige Rathauschef nun im Amt. Und es ist nicht leichter geworden. Im Frühjahr wird der Kampf um seine Nachfolge beginnen, im Februar nächsten Jahres geht Riehl in Rente. Über sein letztes Jahr im Dienst, über den nächsten Haushalt, die Grünen, die Jugendpolitik und seine Wünsche und Ziele äußerte sich Riehl jetzt im RNZ-Jahresgespräch mit den Redakteuren Roland Kern und Carsten Blaue.
Herr Riehl, wie war Ihr Weihnachtsfest?

Sehr ruhig im Kreise meiner kleinen Familie, an Silvester habe ich kurz die Benefiz-Party im Kaffeehaus besucht, dann habe ich eine schöne Stunde im Kreise meiner Feuerwehrkameraden verbracht. Das hat mich sehr zufrieden gemacht, als ich gesehen habe, dass dort bereits die dritte Generation an Ehrenamtlichen heranwächst.

Als Rotkreuz-Experte haben Sie sicher noch persönlichere Eindrücke von der dramatischen Lage in Südostasien erhalten. . .

Natürlich. Alle Rotkreuzleute hatten natürlich sofort den unbändigen Wunsch, sofort zu helfen. Nun ist es aber auch so, dass alle Hilfsleistungen effektiv in die Gesamtorganisation eingebunden werden müssen. Also ist es auch eine Kunst, keine Frustration unter den Helfern entstehen zu lassen. Wir haben jede Menge Spenden, aber alles muss organisiert werden.

Was können wir Deutschen tun?

Gezielt abgestimmt auch andauernde Hilfe leisten. Uns helfen auf Dauer nicht die fünf Millionäre, die fünf Kindergärten spenden. Dann müssen wir Deutschen auch dringend merken, dass sich diese Länder nach der Katastrophe verändert haben und einen anderen Tourismus brauchen als zuvor.

Zu Schriesheim, kurz vor Weihnachten haben sich die drei Fraktionen erstmals gemeinsam in deutlicher Schärfe gegen die Grünen gewandt, kann es sein, dass Sie dahinter gesteckt haben?

Schon diese Frage missfällt mir gewaltig.

Wir stellen sie aber trotzdem. . . .

Die ganze Situation geht doch viel tiefer, natürlich rede ich mit den Fraktionsvorsitzenden auch über meine Sorgen. So natürlich auch über die, die die Haltung der Grünen betreffen. Die Grünen haben oftmals Sachpolitik aufgegegeben und praktizieren nur noch eine Contra-Haltung. Das widerspricht - gerade in der Kommunalpolitik - gutem demokratischem Brauch. Zumal die Mehrheitsbeschlüsse des Gemeinderates sich zum Positiven hin entwickelt haben.

Aber in Diskussionen geben Sie, Herr Riehl, doch auch nicht kleinbei ...

Ich kann kämpfen und kämpfe gerne, aber die Grünen kriegen die Kurve nicht. Die sind doch heute noch gegen die Hübschsche Mühle, obwohl sie nachweislich für Schriesheim gut war.

Aber Sie haben so einen demonstrativen Akt, wie jetzt von den Fraktionen, immer gefordert, sie können nicht sagen, das würde Ihnen nun keine Genugtuung verschaffen, oder?

Es war höchste Zeit, auch in der Außenwirkung der Stadt. Mich haben ja schon Leute gefragt: Was ist denn bei Euch los?

Spielt sich der ganze Streit eigentlich nur zwischen Stadtrat Wolf und Bürgermeister Riehl ab oder haben Sie mit der ganzen Grünen Liste Krach?

Ich fürchte, dass aus dem einstigen Kampf Riehl gegen Wolf ein Gesamtkonzept der Grünen Liste geworden ist. Ich will das nicht allen Stadträten unterstellen, aber ich wundere mich, dass sie das Verhalten ihres Fraktionssprechers dulden.

Besteht nicht die Gefahr, dass sich das Klima jetzt noch weiter verschlechtert? Die Grünen stehen mit dem Rücken zur Wand.

Ich kann nur hoffen, dass sich die Geschichte in die richtige Richtung bewegt. Und da muss sich meine erste Frage natürlich an die Mehrheit der Grünen richten: warum macht keiner etwas dagegen? Die Stadt ist in einer Situation, dass sie nämlich ganz andere Sorgen hat.

Also zu den Sachfragen: Der Haushalt steht in den nächsten Wochen zur Beratung an. Wie schlimm ist es denn wieder?

Die Zeit des Sparens ist vorbei, denn sparen kann man nur, wenn man etwas abgeben kann. Wir müssen jetzt aber verzichten. 2003 und 2004 sind wir verhältnismäßig gut über die Runden gekommen, das gibt uns ein kleines Polster in diesem Jahr.

Wie kam das denn?

Sparsames Wirtschaften.

Muss sich die Stadt nun weiter verschulden?

Wahrscheinlich nicht. Zwar müssen wir unseren Verwaltungshaushalt auch mit einer negativen Zuführung aus dem Vermögenshaushalt ausgleichen, etwa in Höhe einer dreiviertel Million Euro, aber nach dem neuen Entwurf müssen wir keine Schulden aufnehmen.

Das ist außergewöhnlich im Vergleich zu anderen Kommunen, wie kommt es dazu?

Das ist unser Neubaugebiet Nord, aus dem wir Grundstückserlöse erhalten. So ist der Vermögenshaushalt ausgeglichen und es ist noch Geld übrig für die Rebflurbereinigung und die Erweiterung des Schulzentrums. Mit diesem Haushalt kann ich gut leben und in meinem letzten Jahr alles wegschaffen, was ich versprochen habe.

Wie viel Geld erwartet die Stadt denn noch aus "Nord?

Grundstückserlöse in Höhe von etwa 3,7 Millionen Euro.

Wie geht's weiter, wenn "Nord" verfrühstückt ist?

Wenn es noch lange so weitergeht, und da meine ich die Bundes- und Landespolitik, dann wissen die Kommunen nicht mehr, was sie machen sollen. Sie wären dann am Ende.

Wer muss sich noch weiter einschränken?

Wir alle müssen das. In diesem Jahr allerdings noch nicht. Noch steht die volle Bezuschussung von Vereinen und Einrichtungen im Haushaltsentwurf. Aber an der Unterdeckung des Verwaltungshaushaltes sieht man gut, dass er Gemeinderat in nächster Zeit an Grundsatzdiskussionen nicht herumkommen wird.

Geht es mit der Schulhaussanierung wieder weiter?

Nein, das passt in diesem Jahr mit einem Abschnitt, den wir abschließen. Mein Amtsende wird auch die richtige Zeit für eine Zwischenbilanz der Sanierung sein, mein Nachfolger muss dann entscheiden, wie er weitermacht.

Wie sieht es mit dem Anbau aus, kommen Sie da in diesem Jahr schon weiter?

Ja wir hoffen es und glauben es auch. Der Architekt arbeitet im Moment gerade an der Ausschreibung, die Pläne sind fertig. 250 000 Euro an Zuschussmittel aus dem Ausgleichsstock haben wir schon zugesichert bekommen, wenn das Oberschulamt demnächst hoffentlich weitere 650 000 Euro bewilligt, dann können wir die Million Differenz drauflegen. Dann kann es noch im Sommer losgehen.

A propos Schule, wegen G 8 werden irgendwann weitere Ausbaumaßnahmen nötig sein?

Nein, wir haben nachweislich genügend Räume im Gymnasium, zumal es wohl auf Dauer dreizügig werden wird. Es wird schon noch die Frage der Verpflegung geben, aber meiner Meinung nach nicht nach neuen Räumen. Wir suchen da noch nach Lösungen, am besten wäre ein kleines Kiosk, betrieben von einigen Eltern, in dem günstige Speisen angeboten werden können.

Wie sehr können Sie dem Push-Verein helfen?

Die Verwaltung wird einen Zuschuss von 25 000 Euro vorschlagen, damit kann das Vorhaben des Vereins für das nächste Jahr realisiert werden.

Aber in dem einen Jahr Ihrer Amtszeit wird kaum noch eine effektive offene Jugendarbeit möglich sein, oder ?

Die zwei Jahre mit Kathrin Michelmann waren für uns alle sehr wertvoll und keinesfalls vertane Zeit. Manche Entscheidungen der Vergangenheit waren eben falsch, das müssen wir einsehen. Dafür sind wir heute weiter mit unseren Erkenntnissen als die meisten anderen Kommunen, weil wir erst später in die Jugendarbeit eingestiegen sind. Das ist so wie wenn man ein neues Auto kauft, das ist dann auch moderner als das Auto, das ein anderer schon ein paar Jahre fährt.

Und wie lange bleibt das JUTS noch offen?

Die Stadtverwaltung wird gemeinsam mit Vertretern der Fraktionen und den Jugendlichen aus Push, Juts und Jugendgemeinderat ein Konzept erarbeiten, das der Gemeinderat noch vor den Sommerferien beraten soll, dabei wird auch die Frage der Zusammenführung zwischen Push und Juts gestellt.

Was wollen Sie in diesem letzten Jahr unbedingt noch schaffen?

Den Einstieg in die Flurbereinigung, das hängt allerdings mehr vom Verfahren ab als von uns, dann der Schulhausanbau, wenn der Zuschuss läuft, in Altenbach haben wir Friedhofswege zu sanieren und einen Rest der Mehrzweckhalle. In Ursenbach müssen ein paar Grünanlagen und die Friedhofskapelle saniert werden. Das war's.

Es beginnt jetzt die Zeit, in der sie alle Ihre Tätigkeiten zum letzten Mal tun werden. Kommt jetzt die Wehmut auf? Zum Beispiel wenn es den letzten Mathaisemarkt gibt?

Ja damit habe ich schon meine Probleme, denn ein Abschied auf Raten ist nicht meine Sache. Die Vereine wollten für den Mathaisemarkt einen Festzug unter dem Motto "Bürgermeister Peter Riehl", das habe ich abgewehrt. Mir wäre am liebsten eine riesige Verabschiedung am Ende meiner Amtszeit: 1500 Menschen in der Mehrzweckhalle und alles weint.

Halten Sie den Zeitpunkt, sich zurückzuziehen, immer noch für richtig?

Ja, ich bin komplett mit mir im Reinen. Ich bin aber auch heilfroh darüber, dass ich vor acht Jahren noch einmal angetreten bin, weil auch der Wahlkampf so erfreulich war. Es ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt aufzuhören, obwohl ich vor einer weiteren Kandidatur keine Angst hätte.

Ist die Arbeit eigentlich schwieriger geworden?

Ja sehr. Früher hat man über die Politik eines Bürgermeisters gestritten und das war auch gut so. Heute glaubt man ihm nicht mehr und spricht im das Fachwissen ab und das ist schlecht.

Und der Umgang mit Ihren Bürgern, Sie sind ja im 21. Jahrhundert nicht gerade ein moderner Politikertyp?

Es gibt Reaktionen, die kränken mich, aber die werden wettgemacht durch viele andere Glücksmomente im Umgang mit der Bevölkerung. Ich bin voll zufrieden mit dem Entgegenkommen meiner Bürger

Welcher Eindruck hinterlässt bei Ihnen die Kandidatensuche für die Bürgermeisterwahl?

Ich mische mich da nicht ein, obwohl es mir natürlich nicht unwichtig ist, wer in Schriesheim Bürgermeister wird. Ich hoffe, dass es gute Kandidaten gibt und die Bürgerinnen und Bürger auch für eine Richtung entscheiden können.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung