Schriesheim im Bild 2023

11.03.2005

Der Herr der 8000 halben Hähnchen

Schriesheim "ist so herzig und warm": Christian Göttmann ist seit diesem Jahr der neue Küchenchef im Mathaisemarkt-Festzelt

Schriesheim. (ron) Die Stressfrage beantwortet Christian Göttmann in ulkigstem bayerisch: "I bin der ausgeglichenste Mensch, den wos es gibt". Jomei, so wirkt er auch der 37-jährige neue Chefkoch des Göckelesmaier-Mathaisemarktfestzeltes. Lächelnd wandelt er durch die Gänge der Festzelt-Küche, hat da ein gutes Wort für Elena, die Salatfrau. Und dort ein Augenzwinkern für Didi, das hühnchen- und haxenbratende Faktotum im Hause. "Wer einmal auf hoher See gekocht hat", schmunzelt der Chef, der kommt nicht so leicht ins Schwimmen. Auch wenn - wie fast jeden Abend beim Mathaisemarkt - hunderte von hungrigen Mündern zu stopfen sind. Fast im Akkord wetzen die Bedienungen mit halben Hähnchen respektive "Göckele", mit kiloschweren Schweinshaxen, Maultaschen oder ähnlichen Speisen durch die Bankreihen. Alles frisch, alles heiß, alles schmackhaft. Und das innerhalb weniger Minuten nach der Bestellung. Selbst erfahrene Restaurantköche bewundern eine solche Professionalität. Hobbyköche geben ehrerbietend den Löffel ab.

Göttmann bleibt cool, auch wenn es direkt nebem dem Haxen-Bratofen gut 50 Grad sein mögen. Seine großen Erfahrungen hat der Küchenchef, der in diesem Jahr den in Schriesheim so geschätzten Wolfgang Lochmann abgelöst hat, auf dem Vier-Sterne-Luxus-Dampfer "Royal Caribian" gemacht. Erst als Küchenchef, später als Küchendirektor, hat er 160 Köchinnen und Köche gemanagt und nicht weniger als 2800 Menschen tagtäglich verköstigt. "Sechs Wochen, hundert Stunden Arbeit in der Woche", erinnert er sich lächelnd. Wer einmal das geschafft hat, für den sind 8000 halbe Hähnchen in einer Woche quasi Peanuts. Genauso viele "Göckele" hat Göttmann für den Mathaisemarkt 2005 geordert, 4000 Hähnchen, halbiert, auf zwei Lieferungen. Erfahrungswerte.

Seit Jahr und Tag führten die Küchenchefs des Zeltes genau Buch über den Hunger und den Durst der Mathaisemarkt-Besucher. Darauf kann der neue Oberkoch seine Bestellungen stützen, einige Erfahrungswerte und Fingerspitzengefühl gehören aber auch dazu. Er braucht wohl ein unerschütterbares Gemüt, um die Nerven zu bewahren. Zum Beispiel die Schweinshaxen. Die drehen sich zwei Stunden vor der Glut, bis sie gar und knusprig sind. Die müssen am Spieß rotieren, noch bevor klar ist, wie viele Leute abends das Zelt betreten. Mit den "Göckele" ist es nicht anders, eines flattert eine Dreiviertelstunde um die eigene Achse, bis es den idealen Garzustand annimmt: durchgebraten aber saftig. Harte Arbeit und eine akribische Vorbereitung ist die Basis für den Erfolg. Morgens um acht geht es los. Fünf Leute hat Göttmann in der Küche. Alle wissen, was sie zu tun haben und kennen jeden Handgriff. Salat waschen, Kartoffel schälen, Fleisch würzen, Saucen kochen, das Bratenfleisch brät dazu in den Öfen. Keine Minute wird verschenkt.

Göttmann kennt den Betrieb schon von Kindesbeinen an, er ist der Neffe der Seniorchefin Josefine Maier und half schon als Jugendlicher aus. Koch zu werden, war immer sein Ziel. Geboren ist er in München, dort lernte er auch Koch, später wanderte er durchs Berchtesgardener Land, dann auf die Bermudas und heuerte schließlich auf Luxuslinern an. Nach Lochmanns Krankheit rief der Familienbetrieb - und Göttmann ist froh, zumindest zeitweise wieder eine Heimat zu haben. Das merkt man ihm an. Und ein Teil dieser Heimat ist jetzt, wie für die ganze Familie die Mathaisemarkt-Stadt Schriesheim geworden. "Die Stadt ist so herzig und warm", bayert er grinsend. Da vermisst er auch die klimatische Wärme der Bermudas nicht.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung