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06.04.2005

"Bei Deutsch weiß man nie, was rauskommt"

Die Schriesheimer Abiturienten haben die erste Prüfung hinter sich - Bei den Aufgabenstellungen gab es keine Überraschungen

Von Nadja Müller

Schriesheim. Es ist 7.30 Uhr. Noch eine halbe Stunde bis zum Einzug in die Klassenzimmer zur ersten schriftlichen Abiturprüfung in diesem Jahr. Im Kurpfalzgymnasium (KGS) haben sich einige Dreizehner im Pausenbereich versammelt. Aufregung ist ihnen nicht anzumerken. Und gut geschlafen haben sie auch, meint zumindest eine Schülerin. Sie ist froh, dass es jetzt endlich los geht.

"Klar, man denkt immer, dass man sich besser hätte vorbereiten können", schränkt sie dann ein. Besonders das Schwerpunktthema Exillyrik finden die Schüler unberechenbar: "Auf die Lektüren kann man sich gezielter vorbereiten". Dann schultern sie ihre Rucksäcke und machen sich auf den Weg in den Keller, beziehungsweise unter das Dach, denn hier liegen die vier Räume, in denen die Abiturienten ihr Wissen zu Papier bringen werden. Etwa fünf Stunden später kommen die ersten aus den Klassenzimmern. Erschöpft sehen sie aus, aber größtenteils zufrieden. "Ist ganz gut gelaufen", meint Eva. "Wir wussten ja, was auf uns zukommt", sagt auch Peter. Kai zuckt mit den Schultern:"Wie immer bei Deutsch: man weiß nicht, was rauskommt". Die Schüler sammeln sich in Grüppchen, diskutieren über die Aufgabenstellung, zünden sich erst einmal eine Zigarette an. Und heute Nachmittag? "Mathe lernen und versuchen, noch etwas Routine für den Pflichtteil zu bekommen", so Jana. "Ich muss auch noch was tun", bestätigt Philipp. Also ist es erst einmal nichts mit dem Entspannen nach der ersten Prüfung.

Und was sagen die Lehrer? "Für gut vorbereitete Schüler kein Problem", meint Dr. Thomas Krämer, Fachleiter Deutsch am KGS. Zwischen fünf Themenstellungen konnten die Abiturienten wählen: ein Interpretationsaufsatz, eine gestaltende Interpretation und eine literarische Erörterung jeweils zu den Lektüren "Effi Briest" und "Kabale und Liebe". Oder alternativ ein Gedichtvergleich sowie als letzte Aufgabenstellung die Analyse und Erörterung eines Artikels aus der "Zeit".

Krämer zeigt sich überrascht, dass das Kultusministerium bei einigen Themen ungewöhnliche Schwerpunkte setzte. Alles in allem haben die Aufgabenstellungen aber die Erwartungen der Deutschlehrer erfüllt. "Etwas anspruchsvoller als im Vorjahr", fasst Krämer zusammen. Werner Rendel, Direktor des KGS, sieht die Schwierigkeit in der Formulierung der Aufgabenstellung. Die waren im letzten Jahr konkreter. "Dieses Mal drängen sich die Lösungswege nicht auf, die Schüler müssen genauer hinschauen". Die Deutschprüfung sei aber kein Gradmesser für den Anspruch eines Abiturs, sagt Rendel weiter. Das ist dann schon eher die heutige Mathematikprüfung oder die Sprachen.

Rendel kann sich nicht vorstellen, dass das Anforderungsprofil in Zukunft steigen wird. Die Reform G8 - das Abitur nach der zwölften Klasse - hält Rendel für "einen Gewinn für die Gymnasien". Fachleiter Krämer sieht die Vorteile der Umstrukturierung besonders darin, dass die Schüler jetzt mehr referieren müssen. "Diese Fertigkeiten können sie im Berufsleben anwenden". Positiv findet er auch, dass im Zuge der Reform die Kreativität und die eigenständige Leistung der Schüler gefördert werden soll. Nach ersten Einschätzungen haben sich viele Schüler für Thema Nummer 1 entschieden: ein Vergleich der beiden weiblichen Hauptpersonen Luise ("Kabale und Liebe") und Effi ("Effi Briest"). Diese Tendenz zeigte sich auch unter den 19 Abiturienten des Heinrich-Sigmund-Gymnasiums. Zwölf wählten diese Aufgabenstellung. Als "sehr fair und im Rahmen dessen, was vorbereitet wurde" empfindet Angelika Arns, Deutschlehrerin am Sigmund Gymnasium, die erste Abi-Klausur in diesem Jahr. Das Niveau sei mit dem des Vorjahrs vergleichbar. Dr. Wolfgang Metzger, der Direktor, zeigte sich mit dem Beginn der Prüfung zufrieden. Berührungsängste mit der Oberstufenreform hätten sich gelegt. "Es spielt sich ein". Auch er betont, dass die neuen Strukturen sehr praxisorientiert seien. "Die Schüler können sich auf vielfältige Weise präsentieren, das ist wertvoll im späteren Leben". Ein Zugeständnis an die Moderne, während im Gegenzug klassische Fächer wie Mathe, Deutsch oder Englisch wieder einen höheren Stellenwert bekommen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung