Schriesheim im Bild 2023

25.04.2005

Vor Energie wie wild gesprüht!

Aus grau mach' bunt: Legale Graffiti verschönern jetzt die Eingangsbereiche der Unterführung
Legal mit Graffiti verziert wurde die Unterführung am OEG-Bahnhof. Foto: Peter Dorn

Von Nadja Müller

Schriesheim. Ein Hindernislauf wartete auf alle, die am Samstag- und Sonntagnachmittag die Unterführung am OEG Bahnhof nutzten, um die B 3 zu unterqueren: Die Treppen hinunter, vorbei an Kisten mit leeren Spraydosen, Slalom um Chipstüten und Colaflaschen. Im Tunnel hinweg über ein Wirrwarr dicker Kabel. Die Rampe auf der anderen Seite wieder hinauf, zwischen Rucksäcken und Jugendlichen hindurch. In der Nase den Geruch von Farbe, in den Ohren das Klackern und Rasseln, wenn ein Sprayer wieder einmal seine Dose schüttelte.

Letztere waren am Wochenende im Einsatz, um den grauen Betonwänden an den Eingängen der Unterführung Farbe zu verleihen. Bei einer legalen Graffiti-Aktion. Der Jugendgemeinderat hat dieses Gemeinschaftsprojekt organisiert, in Zusammenarbeit mit der Stadt, den Schulen und der Polizei. "So hat Graffiti keinen negativen Beigeschmack mehr", sagt Jacob Hörisch, Jugendgemeinderat und seit einer Legislaturperiode im Amt. Um Schmierfinken vorzubeugen, hält er es für "ein gutes Mittel, legale Sprayflächen zur Verfügung zu stellen". Vorbeugen wollte auch die Polizei mit einer Infoveranstaltung "gegen illegales Sprayen" an der Kurpfalzrealschule in der letzten Woche. Die Stadt und die kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar bezuschussten die Sprayaktion in der Unterführung mit je 250 Euro. Geld, das die Jugendlichen in Spraydosen investierten.

"Im Vorfeld haben wir einen ganzen Stapel Entwürfe gesammelt, jeder kann sein eigenes Bild umsetzen", erklärt Jacob. Ihren Ideen freien Lauf ließen 15 Schüler der Kurpfalzrealschule aus den Klassen acht und neun, ein paar "Fachmänner" und einige, die einfach so vorbeigekommen sind.

Bevor es losgehen konnte, musste der Untergrund gereinigt und für die Farbe präpariert werden: Vor zwei Wochen rückten die Jugendlichen den Wänden mit Hochdruckreinigern zu Leibe. Von den schmuddelige Kritzeleien und den grauen Schattenfiguren, die im Eingangsbereich an den Wänden erstarrt waren, ist jetzt nicht mehr viel zu sehen.

Knieend, in der Hocke oder auf der Leiter: Die Jugendlichen verrenkten sich, um alle Flächen zu erreichen und ihren Schriftzügen die richtige Dimension zu geben. Mitten unter ihnen Niels Hebling. Er sprayt seit mehreren Jahren und hat den anderen Tipps gegeben. "Eine ruhige Hand braucht man", sagt er. Außerdem Spontanität, und den richtigen Blick, denn "es soll schon irgendwie zusammenpassen." Zuerst kommen mit heller Farbe die Konturen an die Wand - als eine Art Skizze, die noch verbessert werden kann -, dann füllt der Sprayer die Umrisse mit Farbe, sprüht den Hintergrund. Zuletzt setzt er Effekte. Das Besondere an Graffiti? Einmal die Großflächigkeit. Auch die Öffentlichkeit spielt eine Rolle, schließlich kann jeder, der vorbeikommt, den Schriftzug sehen.

Langfristig würde der Jugendgemeinderat auch gerne den Fliesen eine neue Farbschicht verpassen, denn an diesen durften sich die Sprayer noch nicht ausleben. "Das würde die Aktion abrunden", hofft Jacob. Er kann sich auch vorstellen, dass auf dem ehemaligen Buschgelände legale Sprayflächen entstehen werden. Doch zunächst steht die Wahl für den Jugendgemeinderat an, am 4. Juni. Und nach der Politik kann es mit dem Sprayen vielleicht weiter gehen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung