Schriesheim im Bild 2023

10.05.2005

"Die Niederlage, die ein Sieg war"

KGS-Direktor Werner Rendel referierte zum 8. Mai - "Die Wahrheit über das annehmen, was im Namen Deutschlands geschah"
Rund 180 Schüler der Klassenstufen zehn und elf hörten beim Vortrag Werner Rendels einen Abriss deutscher Geschichte. Applaus gab es auf Wunsch Rendels keinen. Foto: Dorn

Von Nadja Müller

Schriesheim. "Gedenktage sind problematisch, garantieren sie doch bei den Zuhörenden nicht stets die Bereitschaft des Gedenkens", mit diesen Worten leitete der Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums, Werner Rendel, sein Referat anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes ein. Rund 180 Schüler und Schülerinnen der zehnten und elften Klassen lauschten dem gut einstündigen Vortrag zur "Niederlage, die ein Sieg war". Rendel sprach zunächst über das Datum 8. Mai und seine Bedeutung: Ein Tag der Befreiung oder der Niederlage? Zwei Begriffe, die nicht miteinander korrespondieren könnten, sagte Rendel. Denn "Befreiung lässt Unterdrückung vermuten, ebenso bietet sich Sieg als unausweichliches Kontra zu Niederlage an". Der Sieg für die Alliierten, als sie die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte entgegen nahmen, bedeutet gleichzeitig die Befreiung von Unterdrückung.

Den Vortrag begleitete eine Powerpointpräsentation. Am 8. Mai "endete eine Kette von Ereignissen", so Rendel, auf die er Bezug nahm. Den Anfang habe der Kriegsschuldartikel des Versailler Vertrags 1919 gemacht: Er belastete die junge Republik von Weimar, das militärischen Versagen wurde "zum Mythos Dolchstoßlegende" verfremdet. Die Demokraten waren als "Erfüllungspolitiker Beute des rechten Mobs". Rendel unterstrich mit Artikeln und Zitaten die Situation, wie sie in der Weimarer Republik an der Tagesordnung war: Politische Morde, denen Matthias Erzberger, der den Waffenstillstandsvertrag mitunterzeichnete, und Außenminister Walther Rathenau zum Opfer fielen.

Rendel ging kurz auf die Rolle der Obersten Heeresleitung ein, auf Hindenburg und Ludendorff. Dieser zog sich nach Hitlers gescheiterten Putschversuch in den Hintergrund zurück. Hindenburg wird Reichspräsident und ernennt Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler. "Kriege brechen punktuell aus, aber ihre Ursachen liegen weiter zurück". Anhand von einer Passage aus Hitlers "Mein Kampf" zeigte Rendel, dass "der Weg des Führers nie in eine andere Richtung als die des Krieges wies": Da ist die Rede von "Bodenpolitik der Zukunft", der Name Russland fällt. "Nicht umsonst entschuldigte sich Gerhard Schröder in Moskau, denn kein Land in Europa hat unter dem zweiten Weltkrieg mehr gelitten als Russland", nahm Rendel Bezug auf die Gedenkfeiern. Der nächste Teil des Vortrags thematisierte Hitlers Außenpolitik, "Schein und Wirklichkeit". Was der Diktator vor den Befehlshaber des Heeres und der Marine verkündete: "Die Absage an den Pazifismus, die Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie, die rücksichtslose Germanisierung. Und was er vor dem Reichstag erklärte: "gleiche Gefühle und Lebensansprüche der anderen Völker, Respekt vor deren Rechten, friedliche und vertragliche Auseinandersetzung mit ihnen".

Anhand von Fotografien charakterisierte Rendel den Menschen Hitler, als Uniformträger, Biedermann, vor idyllischer Kulisse am See oder umgeben mit Kindern. Die band Hitler in seine Propaganda ein und pflanzte seine Ziele "in die Gehirne der Menschen", so Rendel, "eine Erziehung zum Tod". Lesebücher für Jungen rühmten den Tod für Hitler und das Vaterland, Fibeln bereiteten Mädchen auf den "Geburtenkrieg" vor.

Hitlers Kriegsabsichten, "sein Bekenntnis zur Gewalt" manifestierte sich auch in der Hoßbach-Niederschrift 1937, in der Hitler von "einer Lösung der Raumnot" spricht, die nur durch "Brechen von Widerstand und unter Risiko vor sich gehen könne": Ein Weg der Gewalt. Auch wenn Hitler die ersten Schritte durchsetzen konnte "ohne einen Büchsenschuss": beispielsweise die Besetzung des Rheinlandes oder die Anektierung Österreichs. Auch die Nürnberger Gesetze und das Reichspogrom schafften keine Reaktion, weder im Inland noch im Ausland. Stattdessen Appeasementpolitik seitens Großbritanniens und Frankreichs, die "Hitler den 23. August 1939 ermöglichte", den Hitler-Stalinpakt, so Rendel. Mit Stalin als Bundesgenossen stand einem Krieg nichts mehr im Wege. Rendel zeigte auch Hitlers Reaktionen und Befehle, als das Deutsche Reich kurz vor der Niederlage stand: Die Familien desertierter Soldaten wurden bestraft, alles, was dem Feind irgendwie nützlich sein konnte, musste zerstört werden. Seinen Selbstmord inszenierte Hitler als Legende, die Zeitungen meldeten den Heldentod.

Mit dieser ungewöhnlichen Geschichtsstunde wolle er nicht die Gedenkinflation anreichern, schloss Rendel. Vielmehr bat er die Schüler, "die Wahrheit über das anzunehmen, was von 1933 bis 1945 im Namen Deutschlands geschah".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung