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20.12.2006

„Ich bin sowieso nicht der Typ, der die Verwaltungsvorlage abliest"

„Ich bin sowieso nicht der Typ, der die Verwaltungsvorlage abliest"

(cab) Seit September sitzt Marc Gnädinger als Einzelstadtrat der FDP im Gemeinderat. Die RNZ sprach mit ihm über seinen Start im Gremium.

Herr Gnädinger, wie ist es denn so, das Einzelkämpferdasein?

Es macht mir große Freude. Vorher saß ich oft im Publikum. Jetzt kann ich dabei sein. Das ist eine tolle Sache. Es ist zwar viel Arbeit, aber es ist eine Arbeit zum Wohl der ganzen Stadt. Ich bin schon stolz darauf, Stadtrat zu sein.

Aber immer alle Vorlagen alleine bearbeiten zu müssen, so ganz ohne Fraktion, und dann auch noch zu allem was sagen zu müssen: Das stellt man sich mühsam vor.

Als Diplom-Volkswirt und Verwaltungswissenschaftler bin ich mit den Begrifflichkeiten ganz anders vertraut. Ich muss mich da nicht groß einarbeiten. Ansonsten finde ich im Rathaus bei Fragen sehr willige Gesprächspartner. Dafür bin ich dankbar.

Sie sprechen immer dann, wenn alle Fraktionen meist schon alles gesagt haben. Und oft wurde dann auch schon gesagt, was Sie denken. Macht Ihnen auch das nichts aus?

Na ja, ich bin sowieso nicht der Typ, der die Verwaltungsvorlage abliest. Man kann vieles auf den Punkt bringen. Und es ist ja auch so, dass sich die Fraktionen nicht schnell mal umentscheiden, nur weil der Gnädinger eine andere Meinung vertritt. Nein, es ist so, dass ich gute Kontakte zu den Fraktionen brauche, um deren Abstimmungsverhalten auszuloten. Da muss ich Vertrauen schaffen. Gute Ideen sind eben die eine Sache, Mehrheiten die andere. Ich selbst sehe mich aber noch in einer Eingewöhnungsphase.

Mit wem sprechen Sie noch, um die Sitzungen vorzubereiten?

Wir von der FDP haben immer montags vor der Gemeinderatssitzung ein Arbeitstreffen zur Kommunalpolitik. Ich referiere zur Tagesordnung. Und ein Mitglied spricht zu einem Zukunftsthema, das ihm besonders am Herzen liegt. So legen wir dann ein Stück weit unsere Zukunftsprogrammatik fest. Die Veranstaltungen sind für FDP-Verhältnisse immer ziemlich gut besucht. Wir sind da auch ganz offen für die Bevölkerung.

Und Frau Dr. Arnold ist dann auch dabei?

Sie war noch nie dabei. Sie hat durch ihr Landtagsmandat einfach viele Termine.

Im Arbeitskreis wird Ihre Linie für die Gemeinderatssitzungen festgelegt?

Also da muss ich in erster Linie mal an mein Mandat denken und vor mir vertreten können, wie ich abstimme. Aber ich habe in den Treffen auch schon mal meine Meinung zu einem Thema geändert. Man darf das, was Sie ansprechen, aber nicht unterschätzen. Ich vertrete nämlich nicht nur die FDP im Gemeinderat, sondern auch die Jungen Liberalen. Da bekommt man schon ganz schön Input von allen Seiten.

In der September-Sitzung wurden Sie vereidigt, dann haben Sie sich hingesetzt und gleich loslegen müssen in der Tagesordnung. Was war das für ein Gefühl?

Ich war schon aufgeregt. Und ich bin es jetzt in den Sitzungen auch noch. Vielleicht ist das ganz gut so. Auch daran erkenne ich, wie wichtig mir das Mandat ist.

Sie haben gleich in Ihrer ersten Sitzung die Finanzen der Eigenbetriebe kritisch angesprochen.

In der Vorlage war die Finanzplanung der WVE mit drin, die für viele Aufgaben sorgt, die mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung in der Stadt verbunden sind. Dazu gehören auch Neubaumaßnahmen und Sanierungen im Anlagenbereich. Die Eigenbetriebe Wasser und Abwasser erheben Gebühren und zahlen Entgelte an die WVE. Das sind für die WVE dann die Umsatzerlöse. Aber wenn die WVE mehr investiert, müssen auch die Entgelte steigen. Im Eigenbetrieb Wasser haben wir aber jetzt schon eine Kostenunterdeckung. Und Schulden, die getilgt werden müssen. Den Zustand haben wir auch in der WVE. Da muss etwas passieren.

Was muss passieren?

Man muss alles gut planen, und ich will die Verwaltung da auch gar nicht unter Zeitdruck setzen. Aber man kann entweder die Gebühren erhöhen oder die Eigenbetriebe über den kommunalen Schriesheimer Haushalt subventionieren. Ob das überhaupt geht, ist die andere Frage. Aber man muss das mal zur Kenntnis nehmen: Im städtischen Haushalt haben wir Schulden und dazu auch noch in den Haushalten der Eigenbetriebe.

Wie sollte sich das ändern?

Wir brauchen eine moderne Haushaltswirtschaft, die den gesamten Ressourcenverbrauch nach gleichen Kriterien abbildet, unter anderem auch mit Abschreibungen und notwendigen Rückstellungen. Das städtische Vermögen ist ja noch nicht mal vollständig bewertet. Der Haushalt im Ganzen ist auch zu wenig aussagekräftig. Wir können doch nur sagen, ob uns die Investitionen gefallen oder nicht.

Eigentlich hätte Ihnen die Erhöhung der Kindergartengebühren in Bezug auf den Haushalt gefallen müssen.

Es ist richtig, im Kindergartenbereich Geld auszugeben. Die Frage ist aber, wie man das finanziert. Nur im konkreten Fall war die Vorbereitung schlecht. Ich habe die Briefe der Eltern ja erst direkt in der Sitzung bekommen. Hätte man die Eltern vorher eingebunden, hätte ich einer Gebührenerhöhung zugestimmt. Allerdings hätte sie wesentlich moderater ausfallen müssen. Diese Sache hat auch gezeigt, dass wir in der Bürgerbeteiligung besser werden müssen. Ich denke da zum Beispiel an die Zukunft des OEG-Geländes.

Sie haben in den Sitzungen ja schon einiges erlebt als Stadtrat. Man denke nur an die letzte.

Also bei der Diskussion um Höfers Beraterin bin ich auch auf die Verwaltung zugegangen, um eine Änderung herbeizuführen. Aber als sich da nichts tat, war mir die konstruktive Kritik wichtiger als eine meines Erachtens falsch verstandene Loyalität zum Bürgermeister, der mich schon einige Male beeindruckt hat.

Zum Beispiel?

Man erkennt das demokratische Verständnis eines Menschen vor allem auch daran, wie er mit Minderheiten umgeht. Und ich bin ja eine Minderheit im Gemeinderat. Nach einer Fraktionssprechersitzung hat er mich zu vorgerückter Stunde nochmal in sein Büro gebeten, weil ich eine Rückfrage hatte. Und das Thema haben wir dann ausdiskutiert. Da waren die anderen schon lange weg.

Neben dem 28 Jahre alten Sebastian Cuny von der SPD und dem 31-jährigen Anselm Löweneck von der CDU sind Sie mit 27 der dritte aus der Riege der jungen Ortsvorsitzenden, die zugleich auch Stadträte sind. Das ist bemerkenswert.

Die Jugend tut dem Gemeinderat immer gut. Aber wichtiger ist die Arbeit. Und da ist es mir gleich, ob einer jung oder alt ist.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung