Schriesheim im Bild 2023

21.05.2003

Schriesheims Winzer scheinen nicht abgeneigt zu sein

Schriesheim. (ron) Zumindest gab es keinen lauten Aufschrei der Schriesheimer Winzer, wie von manchen Leuten befürchtet. Interessiert und nur mit wenigen Gegenstimmen hörten sich die Weinbauern am Montagabend die Pläne einer Rebflurbereinigung des Kuhbergs an. Bürgermeister Peter Riehl fasste die Botschaft des Abends zusammen: "Wir können weitere Schritte einleiten."
So nahmen auch Hans-Georg Stritt vom Heidelberger Flurbereinigungsamt und Reinhard Vogel, der für die Bergstraße zuständige Weinbaubeauftragte des Karlsruher Regierungspräsidiums, Hausaufgaben mit in ihre Behörden. Als nächstes wird nun mit dem Land die Zuschussfrage geklärt, denn 60 Prozent der Kosten trägt das Land. Dann werden geologische Gutachten in Auftrag gegeben, aus denen hervorgehen soll, was mit dem Schriesheimer Boden südlich der Strahlenburg überhaupt anzufangen ist.

Ein Idealbild haben die Behördenvertreter bereits vor Augen. In der Ortenau gibt es Weinberge dieser Art, bei der die Steillagen jeweils etwa 2,20 Meter breit terrassiert sind - und damit maschinell zu bearbeiten. In Lützelsachsen ist derzeit auch ein solcher Vorzeige-Weinberg am Entstehen. Die Firma Freudenberg lässt ihn anlegen. "Wo man jetzt 1000 Arbeitsstunden pro Hektar rechnet, kommt man später auf 350 Arbeitsstunden", veranschaulichte Reinhard Vogel, der neulich mit Stritt und Vertretern von Schriesheimer Winzern eine Weinbergswanderung durch Schriesheims problematische Lagen unternommen hat.

Die Erkenntnisse waren bitter aber nicht neu: Viele Kuhberg-Steilstücke werden nicht mehr bewirtschaftet und wuchern zu. "Bei anderen haben wir uns gefragt, wie ein Mensch überhaupt auf so einem Stück arbeiten kann", berichtete Vogel. Seine Bestandsaufnahme des Kuhbergs fiel schonungslos aus: "Bis zu 60 Prozent Steigung, dabei teilweise ein starker Seitenhang, viele Rebflächen sind überaltert, kein Maschineneinsatz möglich, immer mehr Flächen werden einfach aufgegeben, dadurch entsteht ein unkontrolliertes Wachstum, das die noch bewirtschafteten Grundstücke beeinträchtigt." Sein Fazit: "Wenn wir keine Flurbereinigung durchführen, werden wir das Gelände für den Weinbau verlieren."

Dieser Einschätzung schlossen sich die meisten Behördenvertreter und auch Winzer an. Bürgermeister Riehl warf außerdem in die Waagschale, dass die Stadt nicht mehr in der Lage sei, das Wegenetz zu unterhalten. An manchen Stellen könne man jetzt schon fast nicht mehr durchfahren. "Unsere Jugend wird dort sicherlich nicht mehr arbeiten", so die Einschätzung des Rathauschefs. Auch Harald Weiss, der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft, appellierte eindringlich an seine Kollegen: "Es ist fünf vor zwölf, und wenn wir nichts unternehmen, wird es dem Weinbau in Schriesheim künftig schlechter gehen." Winzerwirt Wilhelm Müller beschrieb sogar: "Wenn ich aus anderen Weinbaugebieten wieder zurück nach Schriesheim komme, muss ich mich schämen." Ludwigstal-Wirt Willi Krämer formulierte am drastischsten: "Wenn die Flurbereinigung nicht kommt, stirbt die Weinstadt Schriesheim." Gerd Bartsch, dessen Weingut Schlossberg die meisten Steillagen besitzt, meldete sich nicht öffentlich zu Wort. Er hat allerdings schon im Vorfeld durchblicken lassen, dass er einer Flurbereinigung aufgeschlossen gegenübersteht. Und der Ladenburger Gartenbau-Unternehmer Andreas Huben, dem ein großes Grundstück am Kuhberg gehört, forderte: "Ich habe für mich auch noch nicht entschieden, ob die Flurbereinigung für alle ein Segen ist, aber wir müssen drangehen und uns mit der Sache beschäftigen."

Huben teilte freilich mit einigen besonders engagierten Hobby-Winzern wie Karl-Heinz Grüber und Dieter Thoni ihre Bedenken; sie haben erst in den letzten Jahren neue Anlagen gepflanzt und in die Anpflanzung investiert.

"Was passiert mit diesen guten Stücken", fragten diese drei verwundert. Vogel verwies dabei auf das Verfahren: Bevor der erste Bagger rollt, wird eine Altbestand-Schätzung vorgenommen, die den Wert der bestehenden Grundstücke ermittelt. Dieser Wert stellt die Grundlage für die Neuzuteilung nach der Flurbereinigung dar. So sollen Winzer, die in den letzten Jahren viel in ihre Grundstücke investiert haben, nicht bestraft werden. Für die Winzer, die keine Kosten auf sich nehmen und lieber ganz auf ihr Grundstück verzichten wollen, springt die Stadt als Käufer ein, sicherte Riehl zu. Denn von den geschätzten 1,2 Millionen Euro würden rund 20 Prozent, also rund 240 000 Euro an den derzeit rund 80 Grundstücksbesitzern hängen bleiben. 20 Prozent blieben bei der Stadt. Dennoch zeigte sich Riehl zuversichtlich: "Der Gemeinderat wird mitziehen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung