Schriesheim im Bild 2023

04.11.2009

Bei Mobbing hört der Spaß auf

Von Stephanie Kuntermann.

Schriesheim. Eigentlich ging es um ein Buch. Das wussten die Kinder aus der fünften Klasse des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS) aber noch nicht, als sie im Rahmen des Programms der Stadtbibliothek mit Theaterpädagogin Angelina Haug szenisch und darstellerisch eine Geschichte entwickelten. Die "Eckdaten" stammten zwar aus Elisabeth Zöllers Jugendbuch "Ich knall’ dir eine – Emma wehrt sich". Was die Kinder aber aus den Angaben, die Haug ihnen gab, machten, war zum Schluss eine ganz neue Geschichte.

"Ich will Bücher und Geschichten sinnlich erfahrbar machen", sagte Haug. Im Bereich Leseförderung tätig, besucht die Theaterpädagogin und Schauspielerin aus Bad Rappenau Büchereien im weiteren Umkreis und arbeitet mit Schülern aller Altersstufen und Schularten. Nach einer spielerischen Einführung begibt sie sich mit den Kindern und Jugendlichen direkt in eine Geschichte aus deren Erfahrungs- und Fantasiewelt – die Resultate sind jedes Mal völlig unterschiedlich. "Ich weiß selbst nicht, wie sich die Geschichten entwickeln", erklärte sie.

Mit viel persönlichem Engagement, wenig Scheu auch vor ungewöhnlichen Problemstellungen und einer behutsamen Moderation stellte sich Haug nicht über die Kinder, sondern daneben, immer bereit einzuspringen, wenn die Geschichte denn doch auf Abwege geriet.

Von Anfang an stimmte die Chemie zwischen ihr und den Sextanern. Da die Klasse geteilt wurde, konnte Haug auf jedes Kind eingehen. "Eckdaten" der Handlung waren die zwei Hauptpersonen, Eva und Emma. "Die Eva muss arm sein", legte eines der Mädchen fest. Das bedeutete für die Figur "uncoole Kleidung", also ein rosa Sommerkleid, und "billige" Hobbys. "Reiten und Tennis, das ist viel zu teuer", wusste ein anderes Kind. "In dem Alter ist das Bewusstsein für soziale Zugehörigkeit schon sehr stark entwickelt", erklärte Haug, die ein besonders ausgeprägtes Gefühl für soziale Schichten gerade auch bei den Hauptschülern ausgemacht hat.

Dass die Geschichte, um die es ging, dann doch eine andere Wendung nahm, erfuhren die Kinder bald. Gegenstand von Zöllers Erzählung sind nämlich Mobbing und seine Strukturen, die eine ganze Klassengemeinschaft zerstören. Wenn die Schülerin und ihre Clique sich einzelne "Opfer" vornehmen, duldet der Rest der Klasse die Quälereien schweigend. Mit kleinen "Szenenanweisungen" ausgestattet, durften die Kinder einzelne Teile der Geschichte nachspielen. Da ging es einmal um einen Jungen, der von der Clique schwer beleidigt wird, einmal um eine ganz konkrete Misshandlungsszene. War anfangs noch Kichern zu hören, wurde den Kindern der Ernst der Szene schnell klar.

"Damit bekommen die Geschichten eine Konkretheit, die es für die Kinder leichter macht, in die Welt der Bücher einzutauchen", erklärte Haug, und tatsächlich waren die Zuhörer, aus denen im Handumdrehen Akteure wurden, gebannt von der Geschichte. Als die Pausenglocke das Ende der Stunde einläutete, waren alle Schüler enttäuscht. "Wir wollen das nächste Woche wieder machen", beknieten sie Klassenlehrerin Simone Müller.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung