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03.09.2003

Die Liberalen wollen um jede Stimme kämpfen

FDP-Einzelstadträtin Dr. Birgit Arnold im RNZ-Sommerinterview - "Ablehnung gegen Nord wird immer stärker"

Schriesheim. (ron) Im RNZ-Sommerinterview äußert sich heute FDP-Stadträtin Dr. Birgit Arnold.

Frau Arnold, stört es Sie, im Gemeinderat eine Außenseiterin zu sein?

Zunächst einmal stört mich der Begriff. Ich empfinde mich nicht als Außenseiterin, weder persönlich noch sachlich. Ich habe zu allen Mitgliedern des Gemeinderates ein gutes persönliches Verhältnis, weil ich unterscheiden kann zwischen persönlichem Umgang und sachlichen oder politischen Differenzen. Auf der Sach- oder Politikebene erst recht nicht, weil viele Beschlüsse im Gemeinderat einstimmig gefasst werden. Bei strittigen Entscheidungen stimme ich je nach Sachlage mal mit der einen, mal mit der anderen Fraktion. Das ich mit meiner Stimme ganz allein dastehe, kam bisher selten vor. Allerdings habe ich gegebenenfalls auch den Mut dazu.

Als Einzelstadträtin sind Sie in wichtigen Ausschüssen nicht vertreten. Waren Sie von wichtigen Beschlüssen abgekoppelt?

Natürlich werde ich damit von wichtigen Entscheidungen abgekoppelt. Die beschließenden Ausschüsse können zum Beispiel Haushaltsmittel bis 100 000 Euro bewirtschaften oder Personalentscheidungen bis A 9 und III BAT treffen. Damit haben aber auch rund 9 000 Wählerstimmenfür die FDP, darunter 1610 für mich persönlich, in diesen Ausschüssen keine Vertretung. Das ist umso bedauerlicher, als die Gemeindeordnung dem Gemeinderat bei der Festsetzung der Zahl der Ausschussmitglieder fast freie Hand lässt. Ein zusätzlicher Sitz für die FDP wäre also möglich gewesen. Und in anderen Gemeinderäten wird dieser Minderheitenschutz auch so gehandhabt. Wir Liberale haben jetzt nur noch eine Möglichkeit . Bei der nächsten Kommunalwahl müssen wir so viele Stimmen bekommen, dass es mindestens für einen zweiten Sitz reicht. Wir werden deshalb um jede Stimme kämpfen.

War es eigentlich eine richtige Entscheidung, den Vorsitz des Stadtverbandes abzugeben und eine Ein-Frau-Show zu spielen?

Das war eine richtige Entscheidung. Als Einzelstadträtin muss ich mich allein mit allen Sachentscheidungen beschäftigen. Das bringt viel Arbeit mit sich. Deshalb war ich sehr froh, dass mir Herr Renkenberger die Führung des Ortsverbandes abgenommen hat. Zur Ein-Frau-Show. Das stimmt zunächst einmal. Denn schließlich ist nur eine Frau für die FDP im Gemeinderat. Ein mögliches Missverständnis will ich allerdings beseitigen. Wir Stadträte sind nach der Gemeindeordnung nur unserer "freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung" verpflichtet. Ich kann mich also wie alle anderen auch gegen jede parteipolitische Einflussnahme verwehren.

Sie waren und sind hartnäckigste Gegnerin des Neubaugebietes Nord. Warum, meinen Sie, ist Nord schädlich für die Stadt?

Der Gesetzgeber erlaubt die weitere Zersiedelung unserer Landschaft nur bei einem echten Bedarf. Den habe ich bis heute nicht erkennen können. Also habe ich es abgelehnt. Diese Ablehnung ist im Laufe der Zeit vor allem durch die Vorgehensweise der Verwaltung immer stärker geworden. Sie erinnern sich an den Eklat im Zusammenhang mit den beiden Protokollversionen des Bauausschusses bezüglich des Erschließungsvertrages. Dann bekamen wir dieses seltsame "Märchen" über die Entstehung des Baugebietes Nord aus der Hand von Herrn Mühlmann auf den Tisch. Das besondere an diesem "Märchen" ist, das es die Wahrheit erzählt. Wenn man das alles liest, weiß man nicht, ob man als Stadtrat lachen oder weinen soll. Schließlich die Behandlung der Ausgleichsflächen und jetzt zuletzt noch dieses "Öko-Baufenster", das angeblich nicht beplant werden darf - all das hat meine Ablehnung nur bekräftigt.

Gegen die Ansammlung von Supermärkten im Gewerbegebiet hatten Sie aber nichts. Wie erklären Sie das jetzt erstens den Einzelhändlern der Innenstadt und zweitens den lärmgeplagten Anwohnern des Gewerbegebietes?

Das stimmt so nicht. Ich sehe sehr wohl die Probleme, die die Ansiedlung von Supermärkten im Schriesheimer Gewerbegebiet mit sich bringt. Aber der Bebauungsplan des Gewerbegebietes hätte von vorne herein genau festlegen müssen, was dort hinein darf, auch wegen der Verkehrsproblematik. Das ist damals versäumt worden. Und jetzt fehlt uns die rechtliche Handhabe.

Der Stadt droht im nächsten Jahr der finanzielle Einbruch im Verwaltungshaushalt der laufenden Kosten. Wo will die FDP sparen?

Ich habe zur Zeit keine weiteren Informationen darüber, wieviel Geld uns fehlen wird. Deshalb müssen wir zunächst einmal abwarten, wie sich die Dinge auf Landesebene entwickeln. Auch Landesfinanzminister Stratthaus hat noch keinen Überblick darüber, wieviel ihm 2004 in der Kasse fehlen wird. Es ist ja im Bundesrat noch gar nicht entschieden, ob die Steuerreform wirklich vorgezogen wird. Dass gespart werden muss, steht außer Frage. Und das kann nur bei den freiwilligen Leistungen der Gemeinde sein. Ein weiterer Griff in die Rücklage oder gar Schulden sind für mich inakzeptabel.

Welches sind für Sie die großen Themen des zweiten Halbjahres 2003?

Wichtig ist, dass wir vor allem in der Sanierung und dem weiteren Ausbau des Schulzentrums vorankommen. Ich bin vor zwanzig Jahren mit meiner Familie nach Schriesheim gezogen, weil für unsere drei Kinder ist dort alles vorhanden war: Kindergarten, Schulzentrum mit allen Möglichkeiten, Musikschule, Stadtbücherei. Diese Einrichtungen sind ein großer Standortvorteil unserer Stadt, den wir für die Zukunft erhalten müssen.

Nach der Sommerpause beginnt der Kommunalwahlkampf. Kann man auf der Liste wieder Überraschungscoups erwarten?

Ja, die eine oder andere Überraschung wird es sicher geben. Die Gespräche laufen noch.

Was wird die FDP im Kommunalwahlkampf besonders thematisieren?

Finanzen, Jugendpolitik, Stadtentwicklung werden eine Rolle spielen. Aber ich möchte unseren Beratungen noch nicht vorgreifen.

Und nach der Kommunalwahl kommt bald die Bürgermeisterwahl? Man kann wohl davon ausgehen, dass die Liberalen, selbstbewusst wie immer, einen eigenen Kandidaten stellen? Oder eine Kandidatin? Schließlich hatte Sie selbst vor zwei Jahren schon einmal Ambitionen?

Sie kennen sicher den alten Jagdspruch: Wer aus der Deckung kommt, wird erschossen. Das gilt auch in der Politik. Deshalb halten sich die Schriesheimer Parteien in der Kandidatenfrage für die Bürgermeisterwahl noch bedeckt. So auch wir. Nach der Kommunalwahl sehen wir weiter.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung