Schriesheim im Bild 2023

28.10.2003

Ist das "Öko-Quartier Nord" noch ökologisch?

Umweltexperte Dr. Michael Gagelmann distanziert sich, weil die Stadt seine Kriterien aus dem Katalog wieder herausgestrichen hat

Von Roland Kern

Schriesheim. Die ökologische Qualität des "Öko-Quartier" genannten 1,6 Hektar großen Baufensters im Neubaugebiet Nord ist zwei Tage vor der entscheidenden Gemeinderats-Sitzung am Mittwoch fragwürdig geworden.

Grund: Wie die RNZ gestern erfahren hat, ist der in Schriesheim wohnende Umweltexperte und Öko-Gutachter Dr. Michael Gagelmann (Foto: Dorn) kurzfristig auf Distanz gegangen zu dem Kriterienkatalog, den der Gemeinderat am Mittwochabend beschließen soll, um einen Verkauf an die Dossenheimer Bauträger-Firma Conceptaplan zu ermöglichen. Gagelmann war von der Stadt als maßgeblicher Berater in Umweltfragen hinzugezogen worden. "Das ist nicht mehr mein Katalog, ich kann da nicht mehr dahinter stehen", erklärte er gestern auf Anfrage der RNZ. Nach seinen Empfehlungen seien jetzt in der Gemeinderats-Vorlage wesentliche Bestandteile getilgt worden. "Das kann man jetzt nicht mehr als Öko-Gebiet bezeichnen", so brachte es der Umweltexperte auf den Punkt. Mehr noch: nach diesem Vorgehen ist Gagelmann auf die Schriesheimer Stadtverwaltung nicht mehr allzu gut zu sprechen. Gestern hat er dem Rathaus sogar schriftlich mitgeteilt, dass er eine weitere Zusammenarbeit mit der Stadt für problematisch hält. "Das steht auf der Kippe", erklärte der Wissenschaftler, der sich vor zwei Jahren bei der PCB-Sanierung im Schulzentrum wegen seiner Kompetenz parteiübergreifend höchstes Lob von allen Seiten verdient hatte. Sein demonstrativer Rückzug aus der ökologischen Planung des "Nord-Quartiers" bedeutet für die Stadt so etwas wie eine Ohrfeige.

Auf Anfrage der RNZ wollte Bürgermeister Peter Riehl gestern die Wende im "Öko-Quartier" nicht so dramatisch bewerten wie zum Beispiel die Grünen, die nachmittags dem Verwaltungsvorschlag die ökologischen Komponenten absprachen. "Das ist nur ein Öko-Gebiet in Anführungszeichen", bemängelte zum Beispiel Grünen-Stadtrat Robert Hasenkopf. "es ist Einiges angesprochen, aber vieles zu wachsweich formuliert", so bewertete es Grünen-Fraktionschef Christian Wolf.

"Es gibt zwischen Herrn Gagelmann und uns einen Dissens über die Verfahrensvorschriften", so lautet die Version Riehls. Er bestätigte, dass in der Vorlage zum Gemeinderat nicht alle Forderungen Gagelmanns berücksichtigt sind. Das sei durchaus Absicht. Denn Verwaltung und Gremium, so der Rathauschef, haben seiner Meinung nach die Aufgabe, ihre Vorstellungen einzubringen, die auch "städtebaulich und marktpolitisch zu vertreten sein müssen". Riehl: "Es soll das Anliegen der Fraktionen sein, das Öko-Quartier zu gestalten." Deshalb habe die Stadtverwaltung mit der Vorlage keine Richtung vorgeben wollen. Er, so Riehl, könne Gagelmann durchaus verstehen. "Er hat bei der Ökologie andere Vorstellungen." Als Bürgermeister müsse er aber zur Meinungsfindung im Gemeinderat beitragen.

"Richtig froh", sei er deshalb, dass die Grünen eine ganze Reihe von Anträgen zur wirklich ökologischen Ausgestaltung des "Öko-Quartiers" gestellt haben (wir werden noch berichten). Auf einen Teil der Forderungen, die auch denen Gagelmanns entsprechen, könne die Verwaltung auch eingehen. Aber die Entscheidung, wie ökologisch das "Quartier" am Ende wird, müsse bei den Fraktionen des Gemeinderates liegen. Die Grünen haben gestern einen Antrag mit acht Punkten vorgelegt, die sie im Kriterienkatalog für das "Öko-Quartier" berücksichtigt haben wollen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung