Schriesheim im Bild 2023

30.10.2003

"Nord" birgt ein finanzielles Risiko

Stadt muss weiter Schulden machen

Schriesheim. (ron) Es gab Zeiten, da konnten sich Städte an ihren Neubaugebieten gesund stoßen. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Für Schriesheim birgt das künftige Neubaugebiet "Nord" sogar ein finanzielles Risiko. Schon der nächste Haushalt ist daher von Millionenschulden geprägt.

Die Zauberworte heißt Mehr- und Minderzuteilung. Das ist quasi die Schnittmenge zwischen der Gesamtfläche eines Neubaugebietes und der am Ende ausgewiesenen Bauplätze. Ein Grundstücksbesitzer, der nur einen Bauplatz behalten will, aber mehr Grundfläche in den Bebauungsplan einwirft, hat das Recht auf eine Minderzuteilung und die Auszahlung des restlichen Wertes in barer Münze. Und von diesem Recht haben jetzt in "Nord" überraschend viele Schriesheimer Gebrauch gemacht. Die Folge: die Stadt muss das Geld für die Minderzuteilung innerhalb einer Frist von wenigen Monaten nach Rechtskraft der Bauland-Umlegung an die Grundstücksbesitzer auszahlen.

Als Schriesheims Bürgermeister Peter Riehl und sein Kämmerer Volker Arras vor ein paar Wochen von der Höhe der gewünschten Minderzuteilung erfahren haben, dürfte ihnen der Schreck in die Glieder gefahren sein: nicht weniger als rund 28 000 Quadratmeter, also fast ein Drittel des gesamten Neubaugebietes, fallen auf diesem Wege an die Stadt zurück - und müssen mit einer Zuteilungssumme in Höhe von jeweils 425 Euro entschädigt werden. Das ist eine neue Entwicklung an der Bergstraße. Noch bei der Umlegung der "Fensenbäumen" vor zehn Jahren machte die Stadt eine schnelle Mark, weil die Eigentümer überwiegend eine Mehrzuteilung forderten.

Weil die Stadt in "Nord" selbst ein paar eigene Grundstücke eingeworfen hat, reduziert sich die Summe zwar ein bisschen. Dennoch muss die Stadt bis zum April nächsten Jahres an die "Nord-Eigentümer" für die Minderzuteilungen das stattliche Sümmchen von 9,5 Millionen Euro ausschütten. Wohlgemerkt: natürlich bekommt die Stadt Bauplätze im Gegenwert. Aber wann und zu welchem Preis diese verkauft werden können, kann niemand mit Gewissheit sagen. Die Fraktionen hörten gestern vor der Gemeinderats-Sitzung in einer nicht-öffentlichen Finanzausschuss-Sitzung jedenfalls die schlimme Nachricht des Kämmerers: den 9,5 Millionen Euro stehen zunächst nur realistisch veranschlagte 4,5 Millionen Einnahmen für Grundstückserlöse entgegen. Den Rest muss die Stadt zwischenfinanzieren, Klartext: neue und weitere Schulden machen. Bis alle Grundstücke verkauft sind, dauert es nach Ansicht von Marktexperten drei bis fünf Jahre. So kommt es, dass die Stadt den Haushalt 2004 im Vermögenshaushalt nach ersten Kalkulationen offenbar mit einer Deckungslücke in Höhe von fast vier Millionen Euro und entsprechend neuen Darlehen aufstellen muss. Schon gestern Abend im Gemeinderat war herauszuhören, dass diese hausgemachte Situation den "Nord"-Kritikern natürlich Wasser auf die Mühlen trägt. "Das ist doch der Beweis dafür, dass es für dieses Neubaugebiet nie einen Bedarf gegeben hat", so heißt es schon aus den Reihen von Grünen und FDP.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung