Schriesheim im Bild 2023

17.01.2018

Flüchtlingshilfe in Schriesheim: Die Aufgaben der Helfer haben sich verändert

Seit dreieinhalb Jahren koordiniert Fadime Tuncer die Flüchtlingshilfe - Von deren Ideen sollen nicht nur Zugezogene profitieren

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Flüchtlingen helfen? "Deutschland sollte erst mehr für seine eigenen Mitbürger tun", lautet ein in Diskussionen häufig geradezu reflexartig geäußertes Gegenargument. Fadime Tuncer, Leiterin der Schriesheimer Flüchtlingshilfe, wehrt sich dagegen und behauptet das Gegenteil: "Der Zuzug von Geflüchteten hat ein Bewusstsein dafür geweckt, auch andere in den Blick zu nehmen, die Hilfe brauchen." In Zukunft könne auch die Flüchtlingshilfe ihren Fokus vermehrt darauf legen.

Vor dreieinhalb Jahren kamen die ersten geflüchteten Familien aus Syrien in die Weinstadt, praktisch zeitgleich begann Tuncer, Gemeinderätin und Kreisvorsitzende der Grünen, mit der Koordinierung der ehrenamtlichen Hilfe. "Das war schon wahnsinnig viel Arbeit", sagt sie rückblickend. "Dass im Rathaus dafür inzwischen zwei Stellen geschaffen wurden, entlastet uns ungemein." Isabel Herschel ist seit Februar 2016 Integrationsbeauftragte der Stadt, Barbara Gutruf kam im September 2017 als Integrationsmanagerin dazu.

"Jetzt können wir uns endlich auf unsere eigentlichen Aufgaben konzentrieren", sagt Tuncer. Zuvor waren die Ehrenamtlichen meist die erste Anlaufstelle für sämtliche Anliegen der Neuankömmlinge gewesen, zum Beispiel als die Kreisunterkunft in der Carl-Benz-Straße bezogen wurde: "Früher sind wir da eingesprungen, jetzt gehen die Leute zuerst ins Rathaus."

141 geflüchtete Menschen wohnen derzeit in Schriesheim, Familien und Einzelpersonen. Insgesamt funktioniere deren Integration gut, sagt Tuncer, merkt aber an: "Es ist leichter, mit Familien in Kontakt zu kommen. Deren Teilhabe ist durch Kindergarten und Schule viel intensiver." Gerade für die jungen Männer, die in die Gemeinschaftsunterkunft im Dossenheimer Weg eingezogen sind, sei es schwierig, ehrenamtliche Paten zu finden. "Obwohl dort bisher nichts Auffälliges geschehen ist", so Tuncer.

Die Einzelbetreuung in Patenschaften ist inzwischen eine der Hauptaufgaben der 35 Ehrenamtliche zählenden Flüchtlingshilfe. Dazu kommt Deutschunterricht für alle, die keinen Integrationskurs besuchen und Hilfe bei Behördengängen. Zum Beispiel als eine syrische Frau ihre Bewerbungsunterlagen übersetzen lassen musste: Der Dolmetscher verlangte mehrere Hundert Euro in Vorkasse, das Jobcenter übernahm die Kosten aber erst nach Vorlage einer Rechnung und der Übersetzung. Also streckte die Flüchtlingshilfe das Geld vor.

90 weitere Geflüchtete sollen dieses Jahr Schriesheim zugewiesen werden. Wann genau, weiß niemand. Wo sie untergebracht werden können, ist ebenfalls noch nicht sicher. Den Ankauf von Immobilien durch die Stadt und die Schaffung von sozialem Wohnraum im Zuge der Unterbringung von Flüchtlingen sieht Tuncer aber positiv: "Da hat sich viel verändert, und das ist gut so." Sie ist zuversichtlich, dass die derzeit etwa 35 Helfer langfristig auch andere Bedürftige unterstützen könnten.

"Aus der Flüchtlingshilfe heraus werden jetzt schon Ideen entwickelt, wie auch andere mehr an der Gesellschaft teilhaben können, zum Beispiel die Aktion ,Zeitfenster’ mit persönlicher Betreuung", sagt Tuncer. Bei abnehmenden Zuweisungen könne das künftig vielleicht eine Aufgabe der Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe werden. Ob sie deshalb darüber froh ist, dass weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen? "Nein, das kann ich nicht sein", sagt Tuncer, "das Problem ist damit ja nicht gelöst."

Info: Wer sich ehrenamtlich als Pate in der Flüchtlingshilfe engagieren möchte, meldet sich telefonisch bei Isabel Herschel, 06203/602132, oder Barbara Gutruf, 06203/602134.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung