Schriesheim im Bild 2023

05.07.2004

Dem "Berggeist" unter Tage auf der Spur

Aber auch über Tage war beim Bergwerksfest der Grube Anna-Elisabeth einiges geboten - Schriesheimer Verein hält Bergwerksgeschichte wach

Von Stephan Mayer

Schriesheim. Der Stollen ist eng und feucht. Die etwa zehn Besucher schieben sich förmlich durch den Berg. Plötzlich knipst Tim Warneke, der Gruppenleiter, das Licht aus. Es ist praktisch stockfinster. Nur noch ein paar Öllämpchen flackern. So haben die Menschen vor 500 Jahren den Tag im Stollen verbracht.

"Man kam, mit Hammer und Schlegel ausgestattet, jeden Tag nur etwa einen Zentimeter voran, denn der Granit unter dem Branich ist extrem hart. Zwei Drittel der Arbeiter waren lediglich damit beschäftigt, das Wasser aus dem Berg zu schöpfen, um ihre Kameraden vor dem Ertrinken zu schützen", erzählt Tim Warneke den interessierten Besuchern. Zum Schmelzen des Erzes wurde eine große Menge an Holz notwendig. So rodete man in der Umgebung des Bergwerks sämtliche Hänge.

Schriesheims Bergbaugeschichte beginnt im Jahre 1473, also nur wenige Jahre, nachdem Friedrich I., Kurfürst der Pfalz, Schriesheim besiegt und seinem Kurfürstentum einverleibt hatte. Man trieb zunächst den heute teilweise verschütteten, weiter unten gelegenen Stollen in den Berg. "Silber versuchte man dem Berg abzutrotzen. Die Ausbeute war allerdings minimal", so Warneke. "Von ähnlichen geologischen Formationen können wir darauf schließen, dass weniger als ein Prozent des Gesteins aus Silber bestand", fährt der Historiker fort.

Vitriol statt Silber
Warneke: "Als man Amerika entdeckte, und der europäische Markt auf einmal von Silber aus der neuen Welt überschwemmt wurde, kam es zu einem drastischen Preisverfall und der Bergbau in Schriesheim stand vor dem Ende."

Knapp 300 Jahre war danach Pause. Ende des 18. Jahrhunderts begann dann die zweite Phase des Bergbaus in der Grube Anna-Elisabeth. Eisenvitriol wurde ab jetzt gefördert. Es handelt sich dabei um ein Färbemittel, aus der man die so genannte Eisen-Gallus-Tinte gewinnt. Mit ihr unterzeichnet man auch heute noch wichtige Dokumente, denn sie ist normalerweise extrem langlebig.

In einem komplizierten Verfahren wird das Gestein aufgeschmolzen. Beim Abkühlen werden in die Bottiche Stäbe eingelassen, an denen sich Kristalle ablagern.

Schriesheims Eisenvitriol hat einen Nachteil: Es ist extrem schwefelhaltig und das ergibt dann den von allen Archivaren gefürchteten Tintenfraß. Schon nach wenigen Jahrzehnten war somit die Gewinnung unrentabel geworden. Schriesheims Bergbaugeschichte ging zu Ende, diesmal für immer.

Im Zweiten Weltkrieg wurde in der Grube Anna-Elisabeth ein Bunker eingerichtet, der aber, zum Glück, fast nie zum Einsatz kommen musste. Nach dem Krieg waren es dann die Schriesheimer Kinder, die aus dem Stollen einen " Abenteurspielplatz" machten. Sie durften sich nur nicht erwischen lassen. 1985 begann man dann mit der Herrichtung des teilweise stark verschütteten Bergwerks.

Um das Bergwerk ranken sich noch immer einige Mythen. Es wird erzählt, dass einst der russische Zar auf dem Weg nach Frankreich an einem Festbankett in der Grube teilgenommen haben soll. Aber Warneke ist sich sicher: "Da ist nicht Wahres dran." Fest steht: Unter den Minenarbeitern entwickelte sich aufgrund ihrer Abgeschlossenheit im Berg ein großer Aberglaube. Hammer und Schlegel liegen über Kreuz als Zeichen des Glücks, und auch der Berggeist spielt eine wichtige Rolle.

Neben der Besichtigung des Bergwerks standen auch noch andere Dinge auf dem Programm des Bergwerkfestes. Am Samstag gab es ein Richtfest für das neue Schachhaus, das nach den Plänen von 1805 errichtet wurde. "Wir sind daran interessiert, alles originalgetreu zu gestalten,", so Curt Falkvom Bergwerksverein.

Spaß rund um die Grube
Die Schriesheimer Jagdhornbläser waren zu Gast und die "T-Band". Am Sonntagmorgen stand ein Jazzfrühschoppen mit Weißwurstessen auf dem Programm. Auch für die Kinder wurde einiges geboten: Von Kinderzauberin Claudilina und Schminkkünstlerin Britta waren die Kleinen begeistert. "Uns geht es darum, fünfhundert Jahre Bergwerksgeschichte lebendig zu halten", so Wilhelm Gassert, erster Vorsitzender des Bergwerkvereins und sein Stellvertreter Götz Schmitt ergänzt: "Dank an alle, die zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung