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09.08.2021

Jungwinzerinnen wollen "zurück zur Natur"

Jungwinzerinnen wollen "zurück zur Natur"

Für ihren Weinberg direkt unter der Strahlenburg wollen Ann-Kathrin Haas (l.) und Annalena Spieß einen „frischen Riesling mit ansprechender Säure“ erreichen. Das Gelände gehört der Winzergenossenschaft. Foto: Dorn
Ann-Kathrin Haas und Annalena Spieß bewirtschaften einen eigenen Weinberg und wollen "mal etwas Neues in Schriesheim zu wagen".

Von Max Rieser

Schriesheim. Es ist eine Chance, die nicht jeder Winzerlehrling bekommt. Ann-Kathrin Haas und Annalena Spieß bewirtschaften seit April einen eigenen Weinberg direkt unter der Strahlenburg. Das 57 Ar, also einen gut halben Hektar große Gelände – mit ausschließlich Rieslingreben – gehört der Schriesheimer Winzergenossenschaft.

Begonnen hatte alles sehr spontan, berichtet Spieß: "Der Vorstand der Genossenschaft hat mittwochs besprochen, dass wir das machen könnten. Donnerstags haben sie es uns gesagt, freitags haben wir uns das Gelände angeschaut, und samstags ging es schon los." Sie hätten sich sehr über die neue Herausforderung gefreut. Auch dass man ihnen die Pflege eines eigenen Weinbergs zutraut, macht sie stolz.

Ganz zufällig wurden die Winzerinnen nicht ausgewählt. Die Väter der beiden, Karlheinz Spieß und Hartmut Haas, sitzen im Vorstand der Winzergenossenschaft. Das bedeute aber nicht, dass man sich jetzt ganz auf die Leitung der väterlichen Fürsorge verlasse. Im Gegenteil machten die Töchter es indirekt zur Bedingung, die Aufgabe nur dann anzunehmen, wenn es wirklich "ihr" Weinberg würde. Annalena Spieß ist im zweiten Lehrjahr und hat bereits auf dem Pfälzer Weingut "Lucashof" in Forst gearbeitet. Momentan lernt sie beim Weingut "Honold" in Östringen. Ann-Kathrin Haas hat ihre Ausbildung im Juli beendet. Auch sie war schon viel unterwegs. Erst beim Genossenschaftswinzer "Krämer" in Schriesheim und jetzt bei der "Rebschule Krapp" im pfälzischen Ungstein.

Das Ziel der Jungwinzerinnen ist es, das Gelernte in ihrer Parzelle umzusetzen und sich selbst auszuprobieren. Denn in einer fachkundigen Familie aufzuwachsen, sei "Fluch und Segen gleichzeitig", wie Spieß sagt. Sie hätten schon von klein auf die nötige Arbeitsmoral gelernt und wüssten, wie es ist, auch mal zwölf Stunden anstatt acht zu arbeiten und sich auch sonntags um die Reben zu kümmern, die sich nicht an Bürozeiten halten. Viele ihrer Ausbildungskameraden, die nicht aus dem Weinbau kommen, täten sich damit schwer.

Allerdings hätten zwei langjährige Profis wie Hartmut Haas und Karlheinz Spieß sehr genaue Vorstellungen, wie der Weinbau zu funktionieren habe, was zwei "junge Wilde" auch einschränken könne: "Wir wollen hier frei entscheiden, wie es gemacht wird", erzählen sie. Völlig ohne Hilfe müssen sie die Arbeit aber nicht stemmen. Da man für das Fahren des kleinen Traktors auf dem steilen Terrassengelände sehr viel Erfahrung braucht, übernehmen dies ihre Väter und Winzer Stefan Röger.

Beim Anbau gehe es ihnen darum, sich den wandelnden Gegebenheiten anzupassen, erklärt Haas. Der Klimawandel würde alles verändern. Extreme Hitze und Trockenheit würden dazu führen, dass die Pflanzen früher austreiben und auch die Lese teilweise schon im August begonnen werden müsse. Für ihren Weinberg wollen sie einen "frischen Riesling mit ansprechender Säure" erreichen. Das sei nicht ganz einfach, denn durch das veränderte Klima sei es wichtig, den perfekten Zeitpunkt für die Ernte zu erwischen, da die Trauben sonst zu viel Zucker enthielten und die Säure stark zurückginge.

Es sei außerdem nötig, mal etwas Neues in Schriesheim zu wagen, finden die engagierten Winzerinnen. Damit meinen sie, die Weine anders anzubauen: "Es muss nicht immer bio sein, aber wir wollen zurück zur Natur und mehr auf die Natur hören", sagt Spieß. Das flächendeckende Ausbringen von Pheromonkapseln zur Abschreckung von Schädlingen statt der Verwendung von Insektiziden wäre ein Schritt, den sie sich vorstellen könnten. Denn viele Insekten seien Nützlinge, die dem Weinberg auch wieder etwas zurückgeben würden. Gerade seien sie dabei, sich richtig in ihren Berg einzuarbeiten. Das würde etwas dauern, da die Übergabe nicht von langer Hand geplant gewesen sei. Etwas schade sei es, dass der Wein letztlich in Breisach gekeltert wird, was ihnen die Möglichkeit nimmt, am Prozess im Keller dabei zu sein. Haas hofft: "Vielleicht können wir ja mal reinschauen und probieren."

Generell lieben sie den Beruf, in dem sie sich eine Zukunft wünschen: "Es ist ein megacooler Job", findet Haas. Beide konnten sich bisher mit jedem Aspekt anfreunden. Sei es im Weinberg, im Verkauf, im Keller oder auf dem Schlepper. Die Natur würde ihnen jeden Tag eine neue Aufgabe stellen, was immer spannend sei. Manche Aufgaben seien allerdings schwierig, da sie beide klein seien, erzählen sie und lachen.

Auch für die Zeit nach der Ausbildung haben sie schon Pläne. So will Haas das Studium der Önologie an der Hochschule Geisenheim beginnen. Spieß ist sich noch unsicher, ob es Richtung Studium, Meister oder Techniker gehen soll. Sie hat aber auch noch ein Jahr Zeit, um sich zu entscheiden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung