Schriesheim im Bild 2023

05.01.2006

Walter Bender wollte Kunst studieren – aber er wurde Bergmann

„Schriesheimer Jahrbuch 2005“: Curt R. Full ergänzt mit dem Artikel „Die letzten Schriesheimer Bergleute“ und neuen Informationen die Ausführungen aus dem Jahrbuch 2004

Von Nadja Müller

Schriesheim. Im Jahrbuch 2004 hat Curt R. Full bereits ausführlich über den Schriesheimer Schwerspatbergbau und die Grubenarbeiter berichtet. Weil sich darüber weitere Kontakte zu den Nachfahren der Bergleute ergeben haben, hat Full einen ergänzenden Artikel für das Jahrbuch 2005 über „die letzten Schriesheimer Bergleute“ verfasst. Offenbar waren in Schriesheim doch mehr gelernte Bergleute beschäftigt, als Full ursprünglich angenommen hat: Neue Informationen hat er über Walter Bender, Heinrich Gries und dessen Sohn Franz herausgefunden.

Vom Bürogehilfen zum Maler

Bender stammte aus dem Siegerland und wurde 1906 in der Bergbaugemeinde Altenseelbach geboren. Schon sein Vater Arnold war Bergmann: Er hatte ein Verfahren entwickelt, um die Eisenherstellung effizienter zu machen und mehrere Patente angemeldet, so dass Walter in einer vermögenden Familie aufwuchs. Im Betrieb seines Vaters machte er eine Ausbildung zum „Bureaugehülfen“, wurde aber nicht übernommen. 1922 begann er auf Anraten des Vaters die traditionelle Bergbaukarriere als Huntestößer und Fördermann. 1925 legte er seine Hauerprüfung ab.

Glücklich war Walter mit der harten Arbeit in schmutzigen Eisengruben nicht. Deshalb begann er eine dritte Lehre als Maler und Anstreicher, denn Walter begeisterte sich für Farben und Kunst – er wollte an der Kunstakademie in München studieren. Obwohl er seine Arbeit gut machte, wurde er wieder nicht übernommen. Walter ging als Geselle auf Wanderschaft, wobei er sich immer wieder in Gruben sein Geld verdienen musste.

Am 8. September 1930 kam er nach Schriesheim, wo der gelernte Bergarbeiter als Hauer im Vortrieb arbeitete. Walter Bender erlebte die Übernahme der Gruben durch verschiedene Firmen und deren Fusionen mit, bevor er vier Jahre später gekündigt wurde. Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, trat der NSDAP bei und fand Arbeit als Hallenarbeiter bei der Oberrheinischen Eisenbahn Gesellschaft (OEG) in Mannheim. Im Alter von 38 Jahren wurde er an die Ostfront eingezogen, und geriet schwer verwundet in Kriegsgefangenschaft. Dort musste er in Kohlegruben bei Aachen arbeiten. 1945 wurde er wegen „Grubenuntauglichkeit“ aus der Grube „Adolf“ entlassen.

Walter Bender kehrte nach Schriesheim zurück, wo er vergeblich versuchte, ein Malergeschäft aufzubauen. Vor seiner Pensionierung arbeitete er in der Reparaturwerkstatt der Edinger Wagenhalle und schließlich als Lackierer. 1989 starb Walter Bender – zuvor widmete er sich der Kunst und hinterließ einige Gemälde.

Auch Heinrich Gries war in der Schriesheimer Grube beschäftigt. Er wurde 1886 als Ältester von vier Geschwistern in Dossenheim geboren. Ob Gries den Beruf gelernt hat, ist nicht sicher, aber er war als Steinbrecher und Bergmann tätig: In einem Bergwerk in Lothringen. Dorthin kehrte er auch nach dem ersten Weltkrieg zurück – in die Gemeinde Roncourt, wohl in das Eisenbergwerk „St. Jacques“. Hier verlor Gries bei einer Sprengung ein Auge. Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs im ersten Weltkrieg und der Räumung der besetzten Gebiete – darunter eben auch Lothringen – kehrte Gries nach Schriesheim zurück. Mündlichen Überlieferungen zufolge arbeitete er in den 30er Jahren wohl überwiegend im Tagebau in der Schriesheimer Schlucht. Nach dem Konkurs der „Spat-und Erdfarbenwerke“ lebte die Familie von der Unterstützung, die die Gemeinde den Bergarbeitern gewährte.

Ende der 30er Jahre arbeitete Gries dann als Führer einer Dampfwalze für die Gemeinde. Auch am Bau des Huberwegs soll er mitgewirkt haben. Gries starb 1959. Sein Sohn Franz kam 1920 auf die Welt. Als 15-Jähriger begann er mit der Arbeit in den Gruben als ungelernter Arbeiter und Lesejunge. Eigentlich wollte er Drucker werden. Als die Gewerkschaft Alba 1936 aus dem Betrieb ausstieg, war auch für den jungen Gries die Zeit als Bergarbeiter zu Ende. Er begann in Dossenheim eine Lehre als Zimmermann.

Bilder und Zeitdokumente, zum Beispiel ein Auszug aus dem Arbeitsbuch Walter Benders, ergänzen Fulls interessanten Artikel. Er führt zurück an den Anfang und die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, gibt Einblick in andere Lebenswelten und zeigt, wie die Weltkriege das Schicksal von Menschen berührt haben. Full ist ein sehr lesenswerter Aufsatz gelungen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung