Schriesheim im Bild 2023

09.12.2022

Warum ein Großteil der Sirenen stumm blieb

In Edingen-Neckarhausen und Ladenburg gibt es bislang keine Lautsprecher für Katastrophenmeldungen.

Von Max Rieser

Edingen-Neckarhausen/Ladenburg. In vielen Städten und Gemeinden des Landes gab es am Donnerstagvormittag lauten Alarm – in Edingen-Neckarhausen und Ladenburg blieb es allerdings stumm. Die Gemeinden hatten den bundesweiten Probealarm zum Katastrophenschutz, der um 11 Uhr ausgelöst wurde, nicht etwa verpasst: In beiden Ortschaften gibt es aktuell keine Sirenen.

> Edingen-Neckarhausen. "Wir hören zwar den Alarm aus Friedrichsfeld und Suebenheim, einen eigenen haben wir aber nicht", berichtete der Feuerwehrkommandant von Edingen-Neckarhausen, Stephan Zimmer. Diesen Zustand zu verändern, ist allerdings nicht ganz leicht, sagte die Bürger- und Ordnungsamtsleiterin der Doppelgemeinde, Nicole Brecht: "Edingen, Neu-Edingen und Neckarhausen verteilen sich auf ein breites Gebiet, bei dem es schwierig ist, es flächendeckend zu beschallen", erklärte sie. Trotzdem hatte der Gemeinderat der Investition von 80.000 Euro zur Neuanschaffung der Audio-Signale zugestimmt. Dass dieses Geld nicht reichen würde, merkte man schnell, als es dann in die konkrete Planung ging, erläuterte Brecht. Außerdem wurde der Antrag der Verwaltung auf das "Sirenenförderprogramm" des Landes abgelehnt: "Das lag daran, dass man die Sirenen erst bauen muss, um die Förderung zu erhalten", sagte Brecht. Lediglich drei Steuerungselemente für die zukünftigen Sirenen im Wert von 3000 Euro wären förderberechtigt gewesen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, da die prognostizierten Kosten in die Hunderttausende gingen.

Die Kostenexplosion hat mit der Überlastung der wenigen Firmen zu tun, die solche Systeme überhaupt herstellen. "Entweder gibt es gar kein Angebot, die Wartezeiten sind extrem lang oder die Anfrage wird einfach abgewiesen", sagte Brecht. Das hat mit der erhöhten Nachfrage nach Sirenen seit der Unwetterkatastrophe im Ahrtal zu tun. "Die Haushaltsberatungen werden zeigen, ob der Gemeinderat bereit ist, mehr Geld einzuplanen", sagte die Amtsleiterin.

Wehrlos steht die Gemeinde einem Katastrophenfall aber nicht gegenüber. Es wurden beispielsweise ein mobiles Notstromaggregat angeschafft, Rollcontainer, die mit Werkzeugen und Material wie Pumpen bestückt sind, und Ölheizer, um Hallen als Auffanglager warm zu bekommen. Und wie werden die Bürger informiert, wenn was passiert? "Wir würden zuerst die Feuerwehr benachrichtigen, die dann mit Lautsprecherwagen ausrückt", sagte Brecht.

Sollte die gerade im Einsatz sein, müssten die Verwaltungsmitarbeiter selbst losziehen, schätzte sie ein: "Außerdem würden wir über die Internetseite der Gemeinde, über das Radio und Flyer Informationen streuen", sagte sie. Zudem nehmen die Verwaltungsangestellten regelmäßig an Workshops teil, wie in einem Katastrophenfall zu handeln ist. Zudem soll ein Krisenhandbuch entstehen.

> Ladenburg. Etwas anders, wenn auch gleichsam schwierig, gestaltet sich die Situation in Ladenburg. Hier gab es im Februar 2022 einen Zuwendungsbescheid vom Regierungspräsidium Karlsruhe in Höhe von 86.000 Euro für die Anschaffung von Sirenen, wie Stadtsprecherin Nicole Hoffmann berichtete. Dass es bislang auch hier kein solches Warnsystem gibt, liegt am gleichen Problem wie auf der anderen Neckarseite: "Bis dato liegen uns keine Angebote für Sirenenanlagen vor", erklärte sie. Auch in Ladenburg scheitert es an den überlasteten Herstellern und Fachbüros: "Wir rechnen mit einer Wartezeit von bis zu zwei Jahren", so Hoffmann.

Ein Schallgutachten soll klären, wie viele Sirenen es genau braucht, um alle Anwohner zu erreichen. Bislang rechnet die Verwaltung mit sieben solcher Anlagen, um das ganze Stadtgebiet abzudecken, teilte Hoffmann mit. Auch in Ladenburg bereitet man sich aber vor. Wie in Edingen-Neckarhausen nimmt auch ein Arbeitskreis der Stadt Ladenburg an Trainingsmaßnahmen teil, die von Krisenexperten des Energieversorgers EnBW angeboten werden. Und auch hier soll ein Krisenhandbuch ausgearbeitet werden, in dem "Ablauforganisation im Krisenfall sowie Alarmierungs- und Kriseneinsatzpläne" festgeschrieben werden sollen.

Solange es allerdings keine Sirenen gibt, werden auch in Ladenburg die Anwohner per Lautsprecherdurchsagen informiert, so Hoffmann.

Schriesheim. (hö) Beim zweiten bundesweiten Warntag gingen am gestrigen Donnerstag die meisten eingeschalteten Handys los – sofern ihr Betriebssystem aktuell genug war –, aber auch drei der fünf Sirenen im Stadtgebiet: die auf dem Kindergarten in der Römerstraße, auf dem ehemaligen Altenheim Edelstein und auf dem Dorfgemeinschaftshaus in Ursenbach. Zwei blieben stumm: die auf dem Privathaus an der Schotterersbrücke (links) und auf der Altenbacher Grundschule (Mitte) – also alles so wie beim ersten bundesweiten Warntag vom 10. September 2020. Feuerwehrkommandant Oliver Scherer hatte seine "Späher" zu den fünf Sirenen entsandt, um sie zu überprüfen, nachdem er sie im Feuerwehrhaus per Knopfdruck in Gang gesetzt hatte. Denn vom Pult aus konnte er nicht sehen, ob sie auch wirklich funktionieren. Einzig die in Ursenbach, die mit Abstand modernste, konnte er nicht aktivieren, das macht die Leitstelle in Ladenburg.

In Schriesheim gaben die drei Sirenen übrigens nur Feueralarm, andere Signale (wie für Katastrophenalarm) sind technisch nicht möglich. Nach diesem eher gemischten Ergebnis hält es Scherer schon für notwendig, dass die Stadt ein neues Warnsystem mit acht Anlagen installiert – allein schon wegen der Gefahren, die bei Hochwasser oder vom Dossenheimer Chemiewerk der Firma Evonik drohen könnten. Das ist zwar seit einem Jahr vom Gemeinderat im Grundsatz beschlossen, ist aber wegen der ausbleibenden Bundesförderung noch nicht umgesetzt. Aber das ist nicht das einzige Problem: In Deutschland gibt es nur zwei Hersteller, die lange Lieferzeiten haben.

Daher meint Scherer: "Selbst wenn der Gemeinderat sofort die Gelder bereitstellen würde, ist eine schnelle Umsetzung nicht machbar." Zwei bis drei Jahre würde es schon dauern, bis die neuen Sirenen – die auch Sprachnachrichten übertragen können – im Einsatz sind.

Weinheim. (web) Die Feuerwehr Weinheim ruft die Bevölkerung dazu auf, Rückmeldungen zum bundesweiten Warntag über die Seite https://warntag-umfrage.de einzugeben. "Natürlich sind alle 28 Sirenen im Stadtgebiet alarmiert worden, aber die Auswertung der Ergebnisse erfolgt deutschlandweit", so Wehrsprecher Ralf Mittelbach am Donnerstag.

"Nach unseren Erkenntnissen hat die Alarmierung der Sirenen nicht überall funktioniert", sagt er. Das gelte insbesondere für die Ortsteile. So blieben die Sirenen in Lützelsachsen und Rippenweier um 11 Uhr offenbar stumm, in Oberflockenbach und Ritschweier kam wohl die Entwarnung nicht an. "Die Sirenen funktionieren", so Mittelbach. Das hätten lokale Proben gezeigt. Warum es mit der überlokalen Alarmierung der Geräte aus der Zeit des Kalten Kriegs nicht läuft, werde geprüft.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung