Schriesheim im Bild 2023

07.11.2022

An der Realschule gab es schon immer Raumnot

Die Schule berichtete 1982 in einem Büchlein über ihr zehntes Jubiläum. Die Umfrage zeugt: Der Hälfte der Neuntklässler gefiel im Gebäude gar nichts.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Realschule feierte groß diesem Jahr ihren 50. Geburtstag – und dazu gibt es auch eine reich bebilderte Festschrift, die man im Sekretariat für fünf Euro kaufen kann. Allerdings gab es auch zum zehnten Jubiläum 1982 eine fast hundertseitige Broschüre, die Helga Lehmann aus Altenbach der RNZ zur Verfügung gestellt hat. Dieses Büchlein stammt von ihrem jüngeren Sohn, der selbst diese Schule besucht hat. Helga Lehmann, Jahrgang 1939, selbst ist Schriesheimerin, sie stammt aus der Landwehr-Familie in der Herrengasse. Ihr Mann Bernd Lehmann kam ursprünglich aus Brandenburg an der Havel und flüchtete mit seinen Eltern nach dem Mauerbau aus der DDR nach Schriesheim. 1969 zog das Ehepaar nach Altenbach in die Rosenstraße; ihr Mann starb 1994 mit 53 Jahren. An Altenbach selbst schätzt sie "die frische Luft" und die gute Nachbarschaft.

Serie: Fundstücke

Aber zurück zum Buch, das Lehmann in ihrem alten Sekretär fand. Schon das Vorwort von Schulleiter Gerhard Phieler ist überraschend aktuell: "Schulraumnot, Lehrermangel und hohe Klassenstärken stellten sich dem kontinuierlichen Aufbau oft als schier unüberwindliche Hindernisse in den Weg. Das verlangte von Schülern, Lehrern und Eltern immer von Neuem ein hohes Maß an Einsicht, Verständnis und Geduld." Die Raumnot war 1972 das größte Problem, denn der Bau im neuen Schulzentrum war noch nicht fertig, erst zum Schuljahr 1973/74. Behelfsmäßig kamen die beiden Riesenklassen mit zusammen 83 Schülern der neu gegründeten Realschule in der Strahlenberger Grundschule, im evangelischen Gemeindehaus, im katholischen Schwesternhaus, im alten Rathaus und sogar im Feuerwehr-Gerätehaus unter, teilweise sogar im frisch eingeweihten neuen Rathaus. "Ganze drei Lehrkräfte standen zu Beginn des Schuljahres für die zwei Klassen zur Verfügung: Erdmute Küster, Hermann Neureither und Gerhard Phieler, der mit der kommissarischen Leitung der Schule beauftragt worden war", heißt es in der kurzen Chronik Phielers.

Die Raumprobleme wurden auch nach dem Umzug ins neue Schulzentrum nicht kleiner, im ersten Bauabschnitt drängten sich neben der Realschule die Grund- und Hauptschule und das frisch gegründete Gymnasium. Am Ende der Chronik, zum Schuljahr 1982/83, unterrichteten an der Realschule insgesamt 41 Lehrkräfte, 26 davon Frauen (63 Prozent). 40 Jahre später hat sich mit 36 Lehrern, davon 20 Frauen (55,6 Prozent), überraschend wenig verändert. Zu jenem Schuljahr 1982/83 stand auch ein Name erstmals auf der Kollegiumsliste: Hans-Jürgen Krieger. Er sollte nicht nur 1993 selbst Leiter der Realschule werden (was er bis zu seiner Pensionierung 2008 blieb), sondern saß auch für die SPD 27 Jahre ab 1985 im Gemeinderat, davon die letzten 16 Jahre als Fraktionschef.

In der maschinengetippten Broschüre finden sich neben allerhand Proben aus der 1982er Abschlussprüfung auch die Rede des Abschlussjahrgangs – gehalten von Annegret Schmidt, die sich darin vor allem mit der Freiheit auseinandersetzt –, aber auch Berichte aus den einzelnen Fächern. So bemerkte Lehrerin Gisela Treiber über die Hauswirtschaftslehre, dass es mittlerweile ein "deutlich größeres Interesse bei unseren Jungen" an diesem Fach gebe. Auch Zeitgeschichtliches findet sich hier: Die Klasse 9a besuchte 1981 das KZ Struthof-Natzweiler im Elsass, durch das ein ehemaliger Häftling führte. Im selben Jahr packten Realschüler Päckchen für Polen. In diesem Land herrschte nach der Verhängung des Kriegsrechts gerade im Winter bittere Not – und die Empfänger dankten den engagierten Schülern mit bewegenden Briefen.

Besonders aufschlussreich war 1981 eine Umfrage unter Schülern aus der fünften und der neunten Klasse, wobei die Jüngeren in der großen Mehrheit mit dem Schulgebäude zufrieden waren, während die Älteren zur Hälfte sagten, es gefiele ihnen gar nichts: Die Farben in den Klassenzimmern seien zu grell, zu kalt und die Gänge zu trostlos. Lehrerin Brigitte Frey stellte fest, "dass die Fünftklässler mit ihrer Situation in der Schule viel zufriedener sind als die Neuntklässler. Sie sind der Schule gegenüber noch sehr positiv eingestellt. Die Größeren betrachten vieles nach fünf Jahren Schulzeit an unserer Schule kritischer, wobei ein großer Teil der Kritik, zum Beispiel am Schulhaus, berechtigt ist".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung