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07.12.2006

„Höfer wird noch nicht in allen Punkten seinen eigenen Ansprüchen gerecht"

„Höfer wird noch nicht in allen Punkten seinen eigenen Ansprüchen gerecht"

Schriesheim. Jahresbilanz der Fraktionssprecher, heute: Christian Wolf (Grüne Liste) – "Das Verhältnis zwischen Erstem Stellvertreter und Bürgermeister ist nicht mehr stimmig"

Der Fraktionssprecher der Grünen Liste und Stellvertretende Ortsvorsteher in Altenbach, Christian Wolf. Foto: Dorn
(cab) Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Zeit für Bilanzgespräche mit den Fraktionschefs im Gemeinderat. Christian Wolf (Grüne Liste) beleuchtet darin besonders kritisch das Verhältnis zwischen Bürgermeister Hansjörg Höfer und seinem Ersten Stellvertreter, Siegfried Schlüter.

Herr Wolf, sind sie zufrieden mit ihrem neuen Bürgermeister?

Im Großen und Ganzen ja.

Was heißt das?

Es gibt immer etwas zu verbessern. Auch für Herrn Höfer. Ich denke, er arbeitet daran. Für uns von der Grünen Liste ist seit der Bürgermeisterwahl aber eine neue Zeitrechnung angebrochen. Der neue Bürgermeister hat Dinge angepackt, die unter seinem Vorgänger nicht denkbar gewesen wären: der Schulpavillon oder die Jugendsozialarbeiterin etwa. Gegen die Stelle hat sich Riehl ja 20 Jahre gewehrt. Dann die Verkehrsprobleme rund um das Gewerbegebiet. Das war in Bezug auf den Verkehr zudem erst der Anfang. Und dann natürlich die Umgestaltung der Kriegsopfergedenkstätte. Das muss man als historisch bezeichnen. Auch die frühe Haushaltseinbringung war gut für die Stadt.

Stichwort Verkehr: Als es um die Frage ging, wie der Verkehr am Dossenheimer Weg und an der St.-Wolfang-Straße beruhigt werden kann, fühlte sich der Gemeinderat mehrheitlich etwas überfahren vom Tempo, das Höfer gerne für die Beschlussfassung vorgelegt hätte. Der Gemeinderat hat ihn gebremst. Die Verlegung des Wochenmarkts ging nicht durch. Die Erhöhung der Kindergartengebühren wurde abgelehnt, und auch die Mittel für Höfers Beraterin strich der Gemeinderat. Es wurde der Vorwurf laut, dass der Bürgermeister im Vorfeld solcher Entscheidungen zu wenig das Gespräch mit den Entscheidern und den Betroffenen sucht.

Er wird noch nicht in allen Punkten seinen eigenen Ansprüchen gerecht, und das aufgrund der Arbeitsfülle. Er hat als Verwaltungschef eben viel abzuarbeiten. Er ist angetreten mit dem Anspruch, die Bürger mehr einzubeziehen. Dafür wurde er auch gewählt. Und er hat auf dem Gebiet auch schon viel getan, siehe Gedenkstätte. Das war der klassische Fall der Bürgerbeteiligung. Manches hat er aber nicht so umgesetzt, wie er es sicher gerne getan hätte, etwa bei den Kindergartengebühren. Zur Verkehrsdebatte muss man sagen, dass wir das im Gemeinderat Jahre lang diskutiert haben. Alle haben sich damit auseinandergesetzt. Es gab also die Vorbereitung und Sachkenntnis. Da hat Höfer gar keinen Fehler gemacht.

Glauben Sie nicht, dass er die 7000 Euro für seine Beraterin durchbekommen hätte, wenn er vorher offener mit der Sache umgegangen wäre?

Da gab es keine handwerklichen Fehler in der Vorbereitung. Der Bürgermeister sollte nicht für jede 1000 Euro für externe Beratungen den Gemeinderat fragen müssen. Wer diese Beratung ablehnt, will den Bürgermeister nur schwächen. Und ich bleibe dabei: Der Bürgermeister braucht Beratung von außen. Am Beispiel PPP haben wir das gesehen. Hier wären wir ohne seine externe Beraterin noch lange nicht so weit.

Der Antrag für die Kürzung der Beratungsmittel kam von der CDU, also der Fraktion von Höfers Erstem Stellvertreter Siegfried Schlüter.

Das zeigt, dass das Verhältnis zwischen Erstem Stellvertreter und Bürgermeister nicht mehr stimmig ist. Unter Riehl war es stimmig. Er und Schlüter sind menschlich ausgekommen und stimmten in den großen Zielen für die Stadt überein. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Es stimmt atmosphärisch und inhaltlich nicht mehr. Der Erste Stellvertreter sollte für den Bürgermeister auch eine Vertrauensperson sein. Und da ist die momentane Konstellation nicht glücklich. Mit dem Antrag zur Kürzung der Beratungsgelder wurde der Zusammenarbeit zwischen Höfer und Schlüter ein Stück weit das Vertrauen entzogen. Der Stellvertreter ist aufgerufen, Diskussionen mit dem Bürgermeister bei Bedarf zu führen, aber nicht unbedingt immer über die Öffentlichkeit. Schlüter versucht zu oft, vermeintliche Fehler Höfers öffentlich anzuprangern, um den Bürgermeister dadurch zu schwächen.

Also fordern Sie, dass Schlüter das Amt niederlegt?

Sagen wir’s so: Wenn ich als Stellvertreter des Ortsvorstehers in Altenbach einen solchen Dissens mit Alfred Burkhardt hätte, dann wäre das nicht gut für den Ort. Dann würde ich selbst sagen, dass die Stellvertretung ein anderer machen müsste.

Die Grüne Liste hat dieses Jahr auch mit dem Genmais- und dem Rauchverbotsantrag auf sich aufmerksam gemacht. Die Gen-Debatte muss man nicht mehr führen. Aber stört es Sie nicht, dass das Rauchverbot nicht konsequenter und weniger widersprüchlich umgesetzt wird?

Bei so einem neuen Thema gibt es immer Punkte, die nicht zu Ende gedacht wurden. Ich bin froh für alles, was bisher umgesetzt wurde. Eine 95-prozentige Umsetzung ist mir noch immer lieber als gar keine.

Und wann stellt die Grüne Liste den Antrag auf Verbot der Tabakprämiierung während des Mathaisemarkts?

Ach, kommen Sie! Den Antrag wird es nicht geben.

Es wäre aber konsequent.

Nein, von uns kommt da nichts.

Die FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Birgit Arnold hat kürzlich gesagt: "Erst haben die Grünen die Rebflurbereinigung abgelehnt, und jetzt tun sie so, als hätten sie’s erfunden". Stört sie sowas noch?

Nein, denn wir haben in der Sache ja noch immer Recht. Der Leitende Ingenieur Frank Holtmann hat uns erstens bestätigt, dass er noch nie eine dermaßen ökologisch ausgerichtete Neuordnung erlebt hat. Und er hat uns bestätigt, dass am Anfang die Grundplanie ein Thema war. Erst nach heftigen Widerständen von mehreren Seiten wurde die Umplanung nach ökologischen Aspekten nötig.

Thema der nächsten Jahre wird die Zukunft des Bahnhof-Geländes und des Gschwander-Areals. Hat die Grüne Liste hier schon Gestaltungswünsche?

Es wäre schön, die Ecke Bahnhofstraße/Bahnhof/B3 über eine Platzsituation räumlich und optisch quasi als Eingangssituation besser mit der Innenstadt zu verbinden. Weiter sind wir hier noch nicht, freuen uns aber auf die Diskussion. Wir sind da ganz offen, wollen aber auf keinen Fall einen zweiten Dossenheimer "Petrus". Auf dem Gschwander-Gelände wollen wir einen weiteren Supermarkt verhindern.

Wie ist denn jetzt das Verhältnis der Fraktion zum Bürgermeister, der mal in ihren Reihen saß?

Das hat sich schon geändert. Er ist jetzt Chef der Verwaltung, wir weiterhin Teil des Gemeinderats. Unsere Rolle und Aufgabe als Wächter der Verwaltung hat sich nicht verändert.
Die Grüne Liste hat mit Bernd Molitor und Johannes Scharr zwei ganz junge Stadträte.

Darüber sind wir froh. Die "Alten" lernen nämlich auch von den Jungen. Wenn man 20 Jahre im Gemeinderat sitzt, ist es gut, wenn man mal mit frischen Ansichten konfrontiert wird.

Einige sehen in der Grünen Liste seit der Bürgermeisterwahl die neue starke Kraft im Gemeinderat. Was halten Sie von solchen Einschätzungen?

Die Arbeit im Gemeinderat ist für uns leichter geworden. Aber eben nicht nur für uns, sondern auch für die anderen Fraktionen. Ich habe das Gefühl, dass die Kommunalpolitik befreiter gestaltet wird. Es wird viel mehr über die Sache diskutiert als früher. ...mehr im RNZ E-Paper

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung