Schriesheim im Bild 2023

28.12.2007

„Wir versuchen, ehrlich und authentisch zu sein"

Christian Wolf blickt im RNZ-Jahresgespräch nicht nur auf die großen Themen dieses Jahres zurück. Die Grüne Liste hat auch nächstes Jahr viel vor. Da geht es beispielsweise um die Barrierefreiheit in der Stadt oder den Einsatz regenerativer Energien. Natürlich muss man in der Bilanz auch das Verhältnis der Grünen Liste zu Hansjörg Höfer unter die Lupe nehmen. Schließlich war der Bürgermeister über 20 Jahre lang Stadtrat in ihren Reihen und ihr "Stimmkönig" bei Wahlen. Mit Wolf sprach RNZ-Redakteur Carsten Blaue.

Herr Wolf, wie kann man mit Blick auf die Kommunalwahl besser punkten: Indem man sich mit der Verwaltung möglichst oft anlegt oder sie stützt?

Die Frage habe ich mir nie gestellt. Wir versuchen, in der Fraktion eine sachliche Arbeit zu machen, und ich denke, wir machen das ganz gut. Alles andere interessiert uns nicht. Wir versuchen, ehrlich und authentisch zu sein. Das ist vielleicht unsere Stärke.

Welches Verhältnis hat denn inzwischen die Grüne Liste zu "ihrem" Bürgermeister Hansjörg Höfer?

Der Bürgermeister ist Chef der Verwaltung! Als solches haben wir uns als Fraktion mit dem auseinanderzusetzen, was er vorschlägt und wie er seine Arbeit macht. Und die macht er gut.

Sie prägten den Begriff der "Jahrhundertchance" bezüglich der Entwicklung des OEG-Areals. Ist das nicht etwas zu großartig formuliert?

Nein. Es ist die größte Fläche im Stadtzentrum, die neu gestaltet wird. So eine Chance werden wir in den nächsten hundert Jahren nicht mehr bekommen an einer so zentralen Stelle.

Die Debatten über die Nutzung des Restgeländes um den OEG-Bahnhof sollten aber doch wohl etwas schneller gehen als die Endlos-Diskussionen über den Bahnhofsneubau in diesem Jahr.

Ich bin nicht der Meinung, dass es zu langsam ging. Das ist gelebte Demokratie! Im Gegensatz zu früher wird lange diskutiert, und am Ende steht eine große Mehrheit zu dem, was beschlossen wird. Das ist für die Akzeptanz in der Bevölkerung immer sehr wichtig. Überhaupt wird die Diskussion über das Restgelände viel wesentlicher sein, als die Debatte über die Lage des Bahnhofs. Wir werden uns also mindestens so intensiv auch damit beschäftigen müssen.

In Sachen Bahnhof gehörte die Grüne Liste erst zu den Kritikern des RNV-Konzepts. Zum Schluss waren Sie richtig euphorisch. Wie das?

Die OEG ging im Laufe der Diskussion auf Bedenken und Anregungen ein und konnte auch Zweifel ausräumen. Der Kompromiss ist eine akzeptable Lösung.

Aber auch in Ihrer Fraktion waren doch einige für die Schließung der Unterführung.

Ich selbst gehöre nicht dazu. Als Vater eines Fünftklässlers bin ich dankbar für die Unterführung. In der Fraktion gab es aber unterschiedliche Ansichten. Nicht einverstanden war ich mit der Art und Weise, wie manche im Gemeinderat den Eindruck erweckten, dass es bei der Unterführung um Leben oder Tod von Schulkindern gehe.

Die Freien Wähler kritisierten die Art, wie die Parteien öffentlich mit dem Thema Bahnhofsneubau umgegangen sind. Wie stehen Sie dazu?

Ich habe Hochachtung vor der sachlichen Art, wie die Freien Wähler die Materie behandelt haben. Trotzdem war es richtig, dass wir die Bevölkerung eingeladen und deren Anregungen in unsere Überlegungen einbezogen haben.

In der Mensa-Debatte haben Sie sich darüber gewundert, wie Details des Vertrags zwischen Prof. Lothar Götz und der Stadt an die Öffentlichkeit geraten konnten.

Normalerweise sind solche Verträge nicht mal gemeinderatsöffentlich. Aber wenn Götz seinen Vertrag über die Presse in die Öffentlichkeit bringt, dann muss der Gemeinderat die gleichen Informationen bekommen.

Wie bewerten Sie diesen Streit zwischen Götz und der Stadt?

Götz hat sich um Schriesheim vor allem bei der Altstadtsanierung verdient gemacht. Schon deswegen sollten die Unstimmigkeiten einvernehmlich aus dem Wege geräumt werden. Aber wenn man sich nicht einigt, ist es richtig, in den Rechtsstreit zu gehen, um die Frage des alleinigen Gestaltungsrechts ein für alle Mal zu klären. Für uns ist es wichtig, dass die Stadt nicht auf Dauer von Götz abhängig ist. Wir müssen frei entscheiden können, in welchen Bereichen wir mit ihm zusammenarbeiten möchten oder wo wir einen Schriesheimer Architekten beauftragen wollen.

Die Grüne Liste hat dieses Jahr die Einrichtung eines Runden Tisches in Sachen Verkehr rund um das Gewerbegebiet durchgesetzt.

Weil wir möchten, dass die, die den Verkehr vor der Tür haben, selbst Einfluss auf die Verkehrsgestaltung haben. Sie sollen mitentscheiden, was hier passiert. Das Ergebnis werden wir mittragen. Das ist für uns gelebte Bürgerbeteiligung, aus der die Kommune großen Nutzen ziehen kann. Im Januar wird man sich erstmals zusammensetzen. Wir bedauern, dass kein Verkehrsplaner an den Beratungen teilnehmen soll.

Die Grünen waren ja immer gegen den Branichtunnel. Über die neuen Hoffnungen für seinen Bau dürften Sie sich also weniger freuen.

Bei uns war das ein langer Prozess. Es gibt Argumente für und gegen den Tunnel. Letztendlich haben wir uns für den Schutz der Menschen in der Talstraße entschieden. Für sie wird der Tunnel ein Segen sein.

Welche Vor- und Nachteile hätte der Branichtunnel?

Die Talstraße würde entlastet, und Altenbach sowie Ursenbach würden näher an die Ebene rücken und damit für junge Familien wieder attraktiver werden. Sorgen bereitet uns das erhöhte Verkehrsaufkommen in Altenbach, das wir in der Gestaltung des Ortsmittelpunktes berücksichtigen müssen. Außerdem würde ein großer Teil des Verkehrs am Schriesheimer Ortskern vorbeigelenkt. Das wäre schlecht für das Stadtzentrum und den Einzelhandel. Hier muss die Stadt noch mehr tun.

Zum Beispiel?

Die Heidelberger Straße muss auch hinter der Entengasse für den Einkauf noch attraktiver werden. Da sind auch bauliche Maßnahmen notwendig. Außerdem könnte ich mir einen Weihnachtsmarkt in der Altstadt gut vorstellen. Wir stehen auch an der Seite des Bürgermeisters, was eine Stärkung der Wirtschafts- und Tourismusförderung angeht. Außerdem gehe ich davon aus, dass wir mit dem Einzelhandelsgutachten ein rechtliches Instrument bekommen, mit dem wir Entwicklungen steuern können.

Etwa im Gewerbegebiet?

Richtig. Wir wollen nach dem Umzug von Aldi und Rewe auf den frei werdenden Flächen wieder das Gewerbe ansiedeln, für das das Gewerbegebiet mal entwickelt wurde. Und das ist nicht großflächiger Einzelhandel.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Kinderbetreuung in diesem Jahr?

Krippe, Kindergarten und Hort sind im Moment optimal und vorbildlich. Hier haben Verwaltung, Eltern, Erzieherinnen und Gemeinderat an einem Strang gezogen, und es ist etwas Gutes dabei herausgekommen. Es wird aber immer wieder Veränderungen beim Bedarf der Eltern geben, und darauf muss die Stadt auch in Zukunft reagieren. Ich denke, dass wir auf Dauer noch mehr Krippenplätze anbieten müssen und dass auch in Altenbach eine Hortbetreuung notwendig wird.

Das Jahr klang im Gemeinderat für Ihre Fraktion ja wenig harmonisch aus, wenn man an Ihre Haushaltsanträge denkt, die alle abgelehnt wurden.

Was die 10 000 Euro für den Anschub des Betriebs im Jugendhaus betrifft, sind wir überzeugt, dass das Geld gebraucht wird. Das hat ja eigentlich auch niemand bestritten. Die Jugendlichen engagieren sich für eine Sache, die Aufgabe der Stadt ist. Das muss man honorieren. Gleiches gilt für unseren Antrag bezüglich der Neugestaltung des Strahlenberger Schulhofs. Die Eltern haben sich hier sehr eingesetzt und in die Planung eingebracht. Dieses Engagement muss man stärken, sonst verlieren die Bürger die Motivation.

Wann beginnt der Kommunalwahlkampf der Grünen Liste?

Sicher nicht im Jahr 2008. Wir versuchen weiterhin, eine engagierte und klare Sacharbeit für die Bürger zu machen.

Schon das klingt nach Wahlkampf.

Dann nenne ich Ihnen zwei Beispiele: Einerseits unser Einsatz für eine barrierefreie Stadt. Dann möchten wir, dass Schriesheim Vorreiter in der Nutzung regenerativer Energien wird. Wir wollen den Einsatz von regenerativen Energieformen in öffentlichen Gebäuden ausbauen. Das wird ein Schwerpunkt des nächsten Jahres sein. Hier wollen wir mit der KliBA zusammenarbeiten und mit der Verwaltung ein Handlungskonzept erstellen. Eine Frage wird sein, ob man auf den Dächern der Altstadt künftig Solaranlagen zulässt. Bisher hat das die Altstadtsatzung versagt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung