Schriesheim im Bild 2023

02.01.2008

In Schriese ist der Kurgast immer herzlich unwillkommen

In Schriese ist der Kurgast immer herzlich unwillkommen

Jürgen Gustke (ganz links) hatte als Alt-Bauer ein schweres Los zu tragen. Verzweifelt versucht er – gemeinsam mit seinem Junior (Georg Brand) – die Pensionsgäste aus Berlin zu vergraulen und vom Hof zu treiben. Foto: Dorn (kaz) "Ihr seid über euch hinausgewachsen. Es war ein kurzweiliger Abend und hat viel Spaß gemacht. Ich habe außerdem nicht gewusst, dass ihr so viele Fremdsprachen beherrscht..." Das Lob von Bürgermeister Hansjörg Höfer für die Theatergruppe der "Eintracht-Familie" kommt von Herzen. Apropos Fremdsprachen: Beim vierstündigen Bühnenprogramm ist außer "Schriesemerisch" auch Sächsisch zu hören, wird "berlinert" und ansatzweise auch Hochdeutsch gesprochen. Darin versucht sich vor allem Erika Hölzel alias Bäuerin vom Hofe Morast, wenn sie sich mit den Sommerfrischlerinnen aus der Großstadt unterhält. Und schon sind wir mittendrin im Geschehen: Brunhilde und Anita Gänslein, Mutter und Tochter aus Berlin (im richtigen Leben Irmgard Mohr und Sandra Hölzel), wollen auf dem Bauernhof in Schriesheim vier Wochen Ferien machen.

Was die Bäuerin und deren Tochter (Michaela Brand) gut finden, der Bauer senior (Jürgen Gustke) und der Bauer junior (Georg Brand) aber nicht.
Sie beschließen, die ungebetenen Gäste zu vergraulen. Zu diesem Zweck lassen sie sich einige Streiche einfallen. Bis sie ihre Strategie von jetzt auf nachher ändern. Weil das Stück "Seine Majestät, der Kurgast" oder "Herzlich unwillkommen" von Peter Jehl noch drei Mal im Zehntkeller und danach nochmals in der Keltensteinhalle in Rippenweier aufgeführt wird, wollen wir an dieser Stelle nicht zuviel über den Inhalt verraten.Aber zum Beispiel, das Marietta Gustke als ungelenke Stallmagd eine prima Figur macht und es auf der Bühne bestens versteht, leere Koffer so zu schleppen, als seien sie mit Steinen bestückt. Wem gehört das ganze Gepäck? Natürlich den Sommerfrischlerinnen. Als sächselnder Antikhändler hat auch Rolf Köster die Lacher immer wieder auf seiner Seite. Jürgen Mohr als Jagdgehilfe aus Hilsenhain ("Hilsehoo") ebenfalls.

Vor der Premiere ein kurzer Blick hinter die Kulissen. "Schenkt euch noch was ein, in zwei Minuten geht’s los", so die Anweisung von Regisseur Peter Brenner. Stimmt nicht ganz: Erst singt der Männerchor noch ein paar Lieder und verteilt der Vereinsvorsitzende Helmut Hölzel noch einige Geschenke an diejenigen, die ehrenamtlich besonders viel geleistet haben. Bleiben wir noch etwas "backstage". Stellt sich die Frage: Hat jemand Lampenfieber? Mit einem Schriesemer "Abba" (also: Nein) antwortet Jürgen Mohr, der erst seit zwei Jahren zum Ensemble gehört. Derweil ist Erika Bock noch mit dem Schminken beschäftigt. Die Bauern haben da schon ihre frische Gesichtsfarbe. "Isch’s Esse gerischt?" Das ist der erste Satz, den Jürgen Gustke auf der Bühne zu sagen hat. Noch ahnt niemand, dass er bald seinen Schnupftabak (nach dessen Genuss er normalerweise herrlich herzhaft niest) in die Büchse mit dem Tee schütten wird. Warum nur? Verraten wir auch nicht. Nur so viel: Auch das hat mit besagter "Wirvergraulen-die-Sommerfrischlerinnenvom-Hof-Strategie" zu tun.

Dabei ist es gar nicht so leicht, ein geeignetes Stück zu finden, wie Peter Brenner weiß. Zurzeit hat die Theatergruppe, die vor 28 Jahren wieder gegründet wurde, neun Aktive. Also muss erst mal ein Neun-Personen-Stück gefunden werden, das auch noch "abendfüllend" sein soll. Solche Wünsche richtet der Regisseur an Fachverlage und bekommt dann im Durchschnitt 70 bis 80 Stücke zur Auswahl. Die RNZ ahnt: Kaum ist zum Jahresende ein Theaterstück über die Bühne, hat Peter Brenner erst einmal jede Menge Lesestoff für die kommende Saison. Er versteht es, die Szenen mit Komik zu würzen. Was beim aktuellen Stück sogar beim Zusammenfalten eines Bettlakens zum Ausdruck kommt. Und dann muss das Ganze stets mit einem Schuss "Lokalkolorit" gewürzt werden. Klar, dass der selbstgebrannte Schnaps, mit dem Bauer Morast und Brunhilde Gänslein anstoßen vom "Jäcke Lui" stammt.

Der geplante Ausflug zum "Altstadtfescht in Ladeberg" muss natürlich auch vorkommen. Oder der "Kamelbuckel" in Hilsenhain als romantischer Ort für Verliebte. Oder soll es eher die Schlauchbootfahrt bei Mondschein sein? Wenn ja, dann auf dem Rückhaltebecken... Das Muhen von Kühen, Vogelgezwitzer, Hundegebell – für die Technik ist beim Theaterstück Stephan Bock verantwortlich. Derweil sorgen Nelli Edelmann und Anette Edelmann-Scheid als Souffleusen hinter dem Vorhang dafür, das niemand "hängen bleibt." Und wenn doch, wird das grandios überspielt. So wie von Erika Hölzel. Als ihre Bühnenpartnerin den Einsatz verpasst, verkündet sie: "Dann spiel’ isch halt aloo weider..." Das Publikum spendet dafür einen Sonderapplaus.

Info: Das Theaterstück der "Eintracht" ist noch drei Mal im Zehntkeller zu sehen. Die Vorstellung am Samstag, 5. Januar, ist ausverkauft. Karten gibt es noch für den 4. Januar um 19 Uhr und für den 6. Januar um 17 Uhr. AmSonntag, 13. Januar, um 15.30 Uhr gastiert die Gruppe in der Keltensteinhalle Rippenweier.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung