Schriesheim im Bild 2023

21.03.2008

Wenn das Klavier die Motten kriegt...

(kaz) Als Reiner Mertens 23 Jahre alt war, warf er den Klavierunterricht hin. Seinen Worten nach interessierte er sich damals mehr für Mädchen als für die Musik und fand die Stücke, die er bei seiner alten Lehrerin lernen musste, langweilig. Er hätte wohl nicht gedacht, dass ihn das Klavier später durch sein Berufsleben begleiten würde. Seit 1996 stimmt Reiner als Gründer des Unternehmens "Piano Mertens" die Klaviere in der Region. Angefangen bei jenen im Nationaltheater Mannheim sowie der Musikschulen Heidelberg und Schriesheim. Überdies hat er prominente Kundschaft wie Nigel Kennedy und Götz Alsmann. Reparaturen und Konzertdienst gehören ebenfalls zu seinen Dienstleistungen. Außerdem verkauft Reiner Mertens Klaviere und Flügel. Dies neuerdings im renovierten Keller des etwa 90 Jahre alten Hauses in der Ladenburger Straße 10, wo er mit seiner Familie lebt.
Zur Einweihung der neuen Räume lud er jetzt diejenigen ein, die bei ihm ohnehin schon auf der Kundenkartei stehen. Der Keller ist dank atmendem Kalkputz und mehrschichtigem Fußboden "klaviergerecht" ausgestattet.
Um die 20 Grad Zimmertemperatur und zwischen 50 und 60 Prozent Luftfeuchtigkeit sind Standard. Platz ist für sieben bis acht Klaviere und ein bis zwei Flügel. Damit hat Mertens seine Ausstellungsfläche gegenüber früher deutlich vergrößert. Beratung und Verkauf ist allerdings nicht sein Hauptgeschäft. Schließlich arbeitet der "Klavier- und Cembalosbaumeister" (so steht’s auf seiner Visitenkarte) vorwiegend im Außendienst. "Irgendwie bin ich jemand zwischen Klempner und Hausarzt", scherzt er, wohl wissend, dass sein Beruf sehr vielseitig ist. Anfang der 80er Jahre begann der gebürtige Heidelberger, der in Schriesheim aufwuchs, im Ruhrgebiet seine Ausbildung. Zuvor hatte er ein Studium in mehreren Fächern begonnen. Aber nur, weil er nicht wusste, was er werden sollte. Dann lernte er einen Klavierbauer kennen und erkannte: Das wäre etwas für mich. Nach neun Gesellenjahren beim Reparaturbetrieb Rau in Mannheim machte er in Ludwigsburg die Meisterprüfung.
Ein "maßgeschneidertes" Klavier kann sich heute eigentlich niemand mehr leisten. "Es würde um die 150 000 Euro kosten", sagt Mertens. Inzwischen würden die Instrumente zu 80 Prozent in China produziert, wobei die Produktion auf deutsche Qualitätsansprüche ausgerichtet sei. Immer beliebter und technisch ausgereifter: das Hybrid-Klavier als akustisches und digitales Instrument. Der Vorteil: Damit kann man mit Kopfhörer spielen und zum Beispiel auch mitten in der Nacht üben, ohne andere zu stören. Ein Hybrid-Klavier koste etwa 1000 Euro mehr als ein herkömmliches, so Mertens. Im Keller hat er allerdings auch ein Jugendstil-Klavier vom Hersteller Pfeiffer stehen, das er selbst restaurierte. Ansonsten führt er die Marken Blüthner, Haessler, Irmler, Klima und Estonia.
Und wie funktioniert das Stimmen? "Das ist Kunsthandwerk mit dem Stimmhammer", sagt der Fachmann. Es gehe darum, das Gehörte umzusetzen. Die Kombination von körperlicher und geistiger Arbeit sei nicht leicht. Schließlich habe ein Klavier etwa 25 Saiten. Dass Klavier oder Flügel einmal jährlich "verstimmt" sind, ist quasi der Normalfall und hat viel mit Witterungseinflüssen zu tun, die auch in eine "wohltemperierte" Wohnung dringen. Schlecht für Klavier und Flügel ist die Fußbodenheizung. Die Wärme von unten führt häufiger zu Verstimmungen.
Ein gutes Klavier für Einsteiger gibt es laut Mertens ab 3000 Euro, Fortgeschrittene sollten ab 5000 Euro investieren. Bei Profis fängt der Spaß ab 10 000 Euro an. Das regelmäßige Stimmen-Lassen ist für die Instrumente wie eine "Wartung". Nicht zu unterschätzen sind die Schäden, die die Kleidermotte am Klavier verursachen kann. "Die meisten Klavierspieler wissen kaum über das Innenleben des Instruments Bescheid", sagt Mertens. Dort gibt es auch Teile "auf Wollbasis" wie Tuch und Filz, aber auch Leder. Das mögen Motten. Auch in dem Fall kann "Piano Mertens" helfen. Infos per E-Mail: info@pianomertens.de oder im Internet: www.Piano-Mertens.de.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung