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16.05.2008

Die „Chemie" muss stimmen

Von Stephanie Kuntermann

Was ist ein Lernbegleiter? Das wollten einige interessierte Bürger wissen, die zum Informationsabend in die Kurpfalz-Grund- und Hauptschule gekommen waren. Gemeinsam mit "Job Central" und auf Initiative des Kultusministeriums von Baden-Württemberg will die Schule im Hauptschulzweig jetzt das Projekt "Lernbegleiter" beginnen."Immer mehr Jugendliche benötigen für den gelingenden Übergang zwischen Schule und Beruf zusätzliche Unterstützung", heißt es in der vom Land herausgegebenen Broschüre, die beim Treffen auslag. Ursachen können einerseits fehlende Motivation aufgrund jahrelanger schulischer Misserfolge sein, zum anderen die Sprachschwierigkeiten ausländischer Schüler. "Wir sind auf der Hauptschule, wir sind ja eh doof": Beinahe jede Woche bekommt Konrektor Thilo Engelhard diesen Satz zu hören. Hilfe bräuchten eigentlich alle in seiner 22 Schüler starken Klasse, nicht nur die "Problemkinder".

"Wir haben hier keine Berliner Verhältnisse", spielte Rektorin Beate Hirth-Pferdekämper auf die Vorfälle in der Rütli-Schule an: "Hier sind keine kriminellen Oberchaoten, sondern ganz normale Jugendliche, die nur das Problem haben, dass sie früher als ihre Altersgenossen aus anderen Schulen ins Berufsleben müssen." Und die das Problem haben, dass viele Betriebe, wenn überhaupt, lieber Realschüler oder nur Hauptschüler mit guten Zeugnissen ausbilden wollen. Hier sollen die Lernbegleiter ansetzen. Sie sollen Kontakte mit Betrieben herstellen, die Schüler fördern und sie über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren in wöchentlichen Treffen begleiten. "Ein Lernbegleiter soll keine kostenlose Nachhilfe sein", betonte Sabine Beckenbach von "Job Central" auf wiederholte Fragen. Beckenbach nahm vielen Besuchern die Angst, sie könnten der Aufgabe fachlich nicht gewachsen sein: "Es geht oft um Basiswissen, das einigen Schülern schon seit der Grundschulzeit fehlt." Wichtiger als das gemeinsame Lernen mit dem Schüler sei das Fördern seiner Stärken: "Um seine Schwächen geht es in der Schule ja ohnehin andauernd."

Beckenbach betonte, dass Freiwilligkeit von Seiten des Schülers ebenso vorausgesetzt werde wie von Seiten des Begleiters. Dessen Engagement soll für Schule, Schüler und Land vollkommen kostenlos sein. Allerdings werden ihm regelmäßige Fortbildungen und Treffen mit anderen Lernbegleitern angeboten. In Weinheim und Heddesheim, wo seit längerem Lernbegleiter-Projekte laufen, würden sie gut angenommen, wie Beckenbach berichtete: "Wir haben beide Male mit drei bis fünf Leuten angefangen, und bei jedem Treffen kamen neue Lernbegleiter dazu. Bei den Schülern hat es sich herumgesprochen, da gehört es schon zum guten Ton, einen Lernbegleiter zu haben." Auch wenn beim Schüler zunächst keine messbare schulische Verbesserung erkennbar sei, bedeute doch für viele die Zusammenarbeit mit einem "Außenstehenden" eine Bestätigung: "Ein Schüler, der immer die Schule schwänzte und auf nichts Lust hatte, machte auf einmal einen richtigen Entwicklungsschub." Dabei wächst das Selbstbewusstsein, außerdem lernen die Jugendlichen nebenher Tugenden wie Disziplin, Zuverlässigkeit oder Durchhaltevermögen. Nach den Pfingstferien will Beckenbach das Projekt der siebten Klasse vorstellen. Nach zwei bis drei Wochen Vorarbeit geht es dann gleich los. Am wichtigsten sei allerdings beim Treffen von Lernbegleiter und Schüler, dass "die Chemie" stimmt und sie sich gut verstehen.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung