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17.05.2008

„Wir haben heute zu wenig Herzensbildung"

Von Stephanie Kuntermann

"Ins Herz schließen, ans Herz wachsen, aus dem Herzen gesprochen": In vielen Redensarten spielt das Herz eine Rolle. Um das Herz ging es auch im Vortrag von Dr. Gabriele Berrer- Wallbrecht, den sie im Vortragssaal der Volkshochschule hielt. Die Islamwissenschaftlerin verdeutlichte mit einem tiefen Griff in den Zitaten-Fundus, wie oft man auch heutzutage vom Herzen spricht, während man glaubt, vom Verstand geleitet zu werden. Was medizinisch nur ein faustgroßer, muskulöser Hohlkörper ist, spielt in der Kulturgeschichte eine zentrale Rolle. Dichter, Denker und Mystiker haben sich des Themas angenommen. Berrer-Wallbrecht beschränkte sich an diesem Abend denn auch nicht auf die arabisch-islamische Kultur, sondern machte einen geistesgeschichtlichen Rundumschlag, der bei den Sumerern begann und in der Gegenwart endete. Mit profunder Kenntnis und einem Blick fürs Detail führte sie ihr Publikum von der griechischen Antike ins alte China, von den Troubadouren bis zur Renaissance und von der islamischen Mystik bis zu Goethe und Pascal.

Nach ägyptischem Glauben erschuf der Gott Ptah die Welt mit seinem Herzen, in Indien ist das Herz die Wohnstatt des Brahma, Plutarch verglich das Herz mit der Sonne, und für Aristoteles war es das Zentrum des Lebens, weil dort die Seele wohnt. Skurril war die Meinung, die sich der griechische Arzt und Naturforscher Galen im zweiten Jahrhundert über das Herz gebildet hatte: Für ihn war das Herz eine Art Lampe oder Ofen, wärmte das Blut und beatmete es mit "pneuma". Im Gegensatz dazu erkannten die Chinesen bereits 2000 vor Christus, dass das Herz eine Pumpe ist. Der Islam unterscheidet zwei Formen des Wissens: das rationalformale Wissen des Verstandes und das existentiell-intuitive Wissen des Herzens. "Ich finde, dass wir heute zu wenig Herzensbildung haben und zu sehr verstandesorientiert sind", erklärte Berrer-Wallbrecht. Eine gute Mischung von beidem sei das Ideal im Islam.

Im Sufismus, der islamischen Mystik, wird das Herz als Bindeglied zwischen Gott und dem Diesseits, zwischen sichtbarer und unsichtbarer Welt angesehen.Dem Rhythmus des Herzens von Systole und Diastole sind Meditationszustände zugeordnet. Zum Herzen gehört natürlich auch die Liebe, und hier folgte ein längerer Abschnitt zum Thema Bibel, der reichlich mit Zitaten gespickt war. Ein Beispiel christlicher Nächstenliebe war übrigens der Heilige Valentin, der im dritten Jahrhundert trotz Verbots Christen mit einander verheiratete. Auf ihn geht der Valentinstag zurück.
Damit auch die Balance zwischen geistiger und körperlicher Nahrung stimmte und um den Zuhörern einen Eindruck islamischer Gastfreundschaft zu vermitteln, gab es in arabischen Tee, Kuchen und Schokolade- natürlich in Herzform.




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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung