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07.08.2008

„Was man da hört, ist oft unfassbar"

Schriesheim. (sk) "Meine Frau ist kürzlich gestorben." "Ich bin nach der Scheidung allein mit meinen zwei Kindern" – so oder ähnlich kann ein Gespräch beginnen, wenn in der TelefonSeelsorge das Telefon klingelt. Menschen in Notlagen rufen hier an, und am anderen Ende der Leitung sitzt jemand, der zuhört. Er hilft dem anderen Lösungen zu finden oder nennt konkret Adressen und Telefonnummern weiterer Ansprechpartner.

Die TelefonSeelsorge schreibt sich übrigens mit einem großen "S" in der Mitte, denn, so erklärte Gabi Wolters: "Der Schwerpunkt liegt auf der Seelsorge, das Telefon ist das Medium." Zusammen mit Helga Turek informierte sie jüngst im Rahmen einer Veranstaltung der Frauen- Union über die TelefonSeelsorge Rhein- Neckar.

Früher war das undenkbar, da Verschwiegenheit eines der obersten Prinzipien ist. Da es aber seit vier Jahren einen Förder- und Freundeskreis zur Unterstützung der Organisation gibt, können Wolters und Turek an die Öffentlichkeit gehen. Wolters, die Vorsitzende des Vereins und seit 14 Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin ist, räumte mit dem Vorurteil auf, dass die TelefonSeelsorge eine geistliche Vereinigung sei: "Bei den Ehrenamtlichen wird keine Konfessionszugehörigkeit verlangt. Die Leitung ist allerdings ökumenisch." Welche beruflichen Voraussetzungen ein ehrenamtlicher Mitarbeiter mitbringe, spiele übrigens keine Rolle. Wichtig seien persönliche und weltanschauliche Offenheit und Kompetenz.

Ein anderes Vorurteil ist, dass die TelefonSeelsorge eine Art Suizid-Notruf sei. Hier könne jedoch jeder anrufen, Menschen mit Problemen in Familie, Beruf, Ehe, mit psychischen oder Suchtproblemen, Menschen, die in Lebenskrisen stecken, Schicksalsschläge zu verkraften haben, einsam sind oder einfach jemanden zum Reden brauchen. Manche Anrufe gehen dermaßen unter die Haut, dass auch die Mitarbeiter regelmäßig Beratung brauchen.

Es gibt viele Missbrauchsopfer. Was man da hört, ist oft unfassbar", schilderte Turek erschütternde Schicksale. Suizidgedanken gebe es nach vermasselten Prüfungen bei Studenten oder bei jungen Mädchen wegen ungewollter Schwangerschaften. Viele klagten über Perspektivlosigkeit durch den Verlust der Arbeit. "Diese Probleme treten heutzutage verstärkt auf", bemerkte Turek, die seit sieben Jahren in der TelefonSeelsorge arbeitet. "Es rufen viele Schüler und Jugendliche an, aber auch viele ältere Menschen." Bei den Senioren ist es oft Einsamkeit, nachdem ein Partner den anderen jahrelang gepflegt hat. Den Kontakt per E- Mail, der seit 1999 möglich ist, wählen oft Menschen zwischen 20 und 40 Jahren.

Die TelefonSeelsorge hat bundesweit 105 Stellen, an denen jeweils zwischen 70 und 170 Mitarbeiter arbeiten. Das Telefon ist an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt. In der Metropolregion ist die Geschäftsstelle Mannheim zuständig, wo 160 Mitarbeiter Ratsuchende in einem Gebiet betreuen, das von Bad Dürkheim im Westen bis Adelsheim im Osten reicht – hier leben zwei Millionen Menschen.

Im letzten Jahr gingen etwa 37 000 Anrufe ein, von denen die meisten ernst gemeint waren, aber auch über 8000 so genannte Scherz- oder Testanrufe. Die Anrufe sind kostenlos, da die Telekom die Organisation seit 1997 unterstützt, die Nummer taucht nicht in der Telefonrechnung auf – ein solcher Anruf hinterlässt also keine "Spuren" – außer in der Form zwischenmenschlicher Hilfe.

Info: TelefonSeelsorge: 0800/ 1110111 und 0800/1110222 oder per E- Mail: www.telefonseelsorge.de. Förderverein: foerderverein@telefonseelsorge-rhein-neckar.de oder Postfach 1256 Schriesheim.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung