Schriesheim im Bild 2023

18.08.2008

Poetischer Zauber verfehlte die Wirkung nicht

Von Nicoline Pilz

Schriesheim. Bis zum Nachmittag sandte Regisseur Peter Schlechter immer wieder bange Blicke gen Himmel.

Der Kulissenaufbau für den Kleist Klassiker "Käthchen von Heilbronn" ging im Hof der Strahlenburg noch im Regen über die Bühne, und immer wieder griffen die freiwilligen Helfer zu ihren Wischlappen, um Tische und Stühle zu trocknen. Doch schließlich machte der Himmel seine Schleusen dicht und schickte gar einen bezaubernden Sonnenuntergang, den die Zuschauer vor historischer Kulisse und einem umwerfenden Panoramablick andächtig verfolgten.

Zugleich erlebte das Auditorium eine höchst charmante Eröffnung der insgesamt drei Wochenendvorstellungen, bei der alles passte. Als "Maître de Plaisier" fungierte der frühere Schauspieler am Mannheimer Nationaltheater, Gerhard Piske. Mit sonorer Stimme und feiner Mimik spann Piske als Erzähler den roten Faden zwischen den Hauptszenen weiter. Und er begleitete manche Umbauphase mit Humor und einem Rattenschwanz von Nachwuchsschauspielern, die er zum Kichern brachte: "Ein Umbau auf offener Bühne – wo gibt’s das sonst noch. Kommt, wir schauen mal." Eine Bereicherung war das Akkordeonspiel von Laurent Leroi. Der Elsässer verlieh so mancher Szene eine kraftvolle Dramatik und sorgte für eine eigentümlich schöne Dynamik im historischen Ritterspiel.

Für Glanz und Gloria sorgte das vielköpfige Ensemble aus Verkehrsverein und den drei Schriesheimer Gesangvereinen Eintracht, Liederkranz und Lyra, selbst. 17 Sprechrollen hatte Regisseur Schlechter zu besetzen, dazu kamen die Beisassen des Femegerichts, Souffleusen, Mitarbeiter für Bühne, Gestaltung, Dekoration und Ausführung, für Kostüme und Ausstattung und für die Maske. Und alle machten einen prima Job, den das Publikum am Ende im Stehen mit langem Applaus quittierte. Unter den Zuschauern war auch Günther Emig, Direktor des Kleist Archivs Sembdner der Stadt Heilbronn: "Er unterstützte die diesjährige Aufführung mit Rat und Tat", dankte Piske namens des veranstaltenden Verkehrsvereins. Ein weiterer Willkommensgruß galt Dr. Peter Staengle, Literaturwissenschaftler an der Uni Heidelberg und renommierter Autor einer "lesbaren Kleist-Biografie", wie Piske formulierte.

Kleists 1810 in Wien uraufgeführtes romantisches Schauspiel ist hochdramatisch, die Sprache voll von poetischem Zauber, der seine Wirkung nicht verfehlte. Schon beim Einzug des Femegerichts erhob man sich auf Piskes Zuruf von den Plätzen, um mitzuverfolgen wie Waffenschmied Theobald Friedeborn (Claus Breutner) Friedrich Wetter, Graf vom Strahl (klasse Jürgen Schusters grandiose Monologe), der Verführung seiner Tochter Katharina anklagt. Katharina Rufer gab "ein Käthchen, als ob der Himmel von Schwaben sie geboren hätte."

In dieser frühen historischen Seifenoper ist alles enthalten, was das Zuschauerherz begehrt: unverbrüchliche Liebe und Treue, Intrigen, Verbrechen und am Ende ein Happy End (das es hingegen für Heinrich von Kleist nicht gab). "Über dir schwebt Gott", meint der Graf vom Strahl nach einer furiosen Feuerszene zu Käthchen, die aus der brennenden Burg ihrer Rivalin Kunigunde (schön fies hier Irmgard Mohr) ein vermeintliches Bildnis ihres Herzallerliebsten Friedrich rettet, dessen Antlitz ihr ein Engel in einer Silvesternacht als Bräutigam zeigte. Fortan läuft sie ihm nach, "treu wie ein Hund, der vom Schweiß seines Herrn gekostet".

Doch in Wahrheit ist Käthchen des Kaisers (verschmitzt Karl-Heinz Schulz) uneheliches Kind, gezeugt während einer lustigen Sause in Heilbronn. "Ein Wunder an Kraft und Anmut" seien die Werke von Kleist, sagte einst Gerhart Hauptmann, einer der wenigen wohlwollenden Kritiker von Kleists schwer einzuordnenden Schriften. Ob ein neues Stück erarbeitet wird, darüber wollen die Laiendarsteller und ihr Regisseur demnächst beraten.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung