Schriesheim im Bild 2023

18.09.2008

Der rote Koloss leistete ganze Arbeit

Der rote Koloss leistete ganze Arbeit

Von Carsten Blaue.

Werner Bauer, der Inhaber des Winzerhofs Dachsbuckel in Heidelberg, steuert seinen Vollernter über die Rebzeile. An den Stöcken bleiben nur die Stiele zurück. WG-Geschäftsführer Harald Weiss (Zweiter von links) mit den Winzern, die beim Test des Traubenvollernters dabei sind: Klaus Bühler, Winfried Krämer und Matthias Müller-Heberle (v. l.). Fotos: Peter Dorn

Schriesheim. Werner Bauer zirkelt seinen wuchtigen, roten Traubenvollernter mit viel Gefühl und Augenmaß über die Rebzeilen von Winfried Krämer. Zwischen den hohen, hydraulischen Achsen des Kolosses leistet ein Doppelschüttelwerk ganze Arbeit. Der Drahtrahmen vibriert. Wo das schwere Gerät vorbeigefahren ist, hängen nur meistens nur noch die Traubenstiele des Müller-Thurgau am Stock. Die Beeren landen im gut 1200 Kilogramm fassenden Edelstahlbehälter der Maschine. Zieht man mal die Zeiten für die Wendemanöver ab, dann braucht Bauer gut sechs Minuten, um zehn Ar zu lesen: "Mit acht Leuten bräuchten wir für die gleiche Menge etwa zweieinhalb Stunden", sagt Krämer.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Winzergenossenschaft (WG) ist einer von drei Winzern, die in diesem Herbst die Lese mit dem Traubenvollernter testen. Auch Klaus Bühler, der Vater von Weinprinzessin Lena, und Matthias Müller-Heberle machen mit. Gestern Morgen gegen 7 Uhr sind sie schon dabei, als der Traubenvollernter erstmals durch einen Schriesheimer Weinberg fährt. Später wird er auch in ihren Anlagen am Leutershäuser Weg und in Großsachsen Müller-Thurgau lesen. Erfahrungen sammeln, heißt die Devise der WG – bis hin zur Schlaghärte des justierbaren Schüttelwerks. "Das war mir eben zu kräftig, jetzt ist es schonender eingestellt", sagt Krämer. Die Sonne ist noch nicht ganz aufgegangen, doch schon kippt Bauer seinen Behälter über Krämers grünen Bottichen ab. Das Thermometer zeigt gerade mal drei Grad über null. "Prima, diese Bedingungen", schwärmt WG-Geschäftsführer Harald Weiss. Denn wenn es so kalt ist, sind die Trauben länger frisch.

Morgens um sieben ist die Welt eben auch für Winzer noch in Ordnung. Bakterien und Pilze in den Trauben bleiben inaktiv, und die Gärung kommt auch noch nicht in die Gänge. Auch insofern ist Vollernter-Lese also von Vorteil: "Man kann früh viel reinholen", sagt Weiss. Er begutachtet das Lesegut des Traubenvollernters: "Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis." Die Beeren sehen gut aus. Vereinzelt sind die Rappen mit abgeschlagen worden. Das ist kein Problem, denn auch die Inhalte dieser Bottiche gehen im Kelterhaus noch den ganz normalen Weg von der extra umgebauten Traubenannahme (wir haben gestern berichtet) über die Kelter in den Mosttank und danach in den Lastwagen nach Breisach zum Badischen Winzerkeller. Nur mit dem Unterschied, dass das Lesegut aus dem Vollernter separat erfasst und ausgebaut wird: "So können wir danach vergleichen", sagt Weiss.

Er betont, dass die maschinelle Lese nicht auf Kosten der Qualität geht: "Für den Vollernter kommen nur Weinberge in Frage, die vorher von unbrauchbarem, krankem Lesegut befreit wurden. Bei zu viel Fäulnis kann man sowieso gleich ganz mit der Hand lesen." Die Anlagen, die jetzt beim Test dabei sind, wurden zuvor genau auf ihre Tauglichkeit geprüft.

Schon seit Jahren sei die Lese mit dem Vollernter ein Thema der Führungsgremien der Winzergenossenschaft, ergänzt Krämer. Dann kam der total verregnete Problem-Herbst 2006. Tempo war gefragt, um einen möglichst großen Teil der Ernte zu retten, "und so schnell bekommt man oft keine Lesemannschaft zusammen", so Krämer. Schriesheim kam damals noch davon, aber in anderen Orten hätte es ohne Vollernter düster ausgesehen. "Wir wollen in Zukunft vorbereitet sein", sagt Weiss. Es geht aber nicht nur um effiziente Schlagkraft bei widrigen Bedingungen und um eine schnellere Lese. Es geht auch ums Personal: "Das bricht weg. Die Erntehelfer werden immer älter, und wo soll man Leute her nehmen", so WG-Vorstandsmitglied Karl-Heinz Spieß. Auch er schaut beim Test vorbei, muss dann aber weiter – zur Handlese am Leutershäuser Weg.

Info: Der Leseplan der WG für kommende Woche wird morgen veröffentlicht. Telefonische Anfragen heute unter der Nummer 06203/61560.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung