Schriesheim im Bild 2023

01.10.2008

Wildschweine fressen die besten Trauben weg

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Harald Weiss hat während der Wochen der Weinlese so ziemlich alles in der Hand – bis auf das Wetter. Denn das ist Schicksal. Den Rest kann der Geschäftsführer der Schriesheimer Winzergenossenschaft (WG) mit Sachkenntnis, den Winzern, seinem Qualitäts-Team und der Mannschaft im Kelterhaus lösen. Doch gestern wirkte er machtlos. Quasi seit dem Lesestart suchen Wildschweine die Weinberge heim, pflügen die Böden um und fressen die Trauben: "Und sie nehmen nicht die grünen, sondern nur die besten, die süßen", so Weiss gestern im RNZ-Gespräch. Er sucht den Schulterschluss mit dem Rathaus und den Jägern.

Beispiel Sauvignon Blanc: Hier haben die Tiere rund ein Viertel des Ertrags von WG-Aufsichtsratschef Winfried Krämer zerstört. "Das Problem ist flächendeckend", sagte Weiss. Und es ist nicht neu, sondern seit Jahren bekannt. Es beschränkt sich nicht auf Schriesheims Lagen. Auch in Hirschberg und Dossenheim gibt es Ernteverluste durch das Schwarzwild. Dazu Weiss: "In Großsachsen am Marbacher Hof wollten wir Müller-Thurgau mit dem Vollernter lesen. Das ist wegen der Bissschäden gescheitert. In Leutershausen in der Lage Kahlberg war eine Riesling-Anlage für Sektgrundwein stark in Mitleidenschaft gezogen. Oberhalb des Madonnenbergs waren die Wildschweine im Riesling-Weinberg, und die Schäden beim Sauvignon Blanc traten am Ölberg auf, und zwar auf Dossenheimer Gemarkung." Und das sind nur Beispiele. Ständig würden Winzer anrufen und von Schäden berichten: "Einige sind extrem betroffen", so Weiss. Die Wildschweine würden sich nicht auf Rebzeilen am Waldsaum beschränken: "Die fühlen sich so sicher und kommen runter bis an die Häuser", sagte der Geschäftsführer. Dornfelder, Chardonnay, Silvaner: Nichts blieb verschont. "Und dabei hängen die besten Trauben für unsere Spezialitäten ja noch", sagte Weiss: "Was nützt es zudem, wenn wir über das ganze Jahr Qualität predigen und daran arbeiten, wenn unsere Winzer Angst haben müssen um ihre Trauben?". Weiss will die Ernte der Top-Weine so lange wie möglich herauszögern.

Daher bringe es auch nichts, über das Problem erst nach der Lese zu sprechen. Abhilfe sei sofort nötig: "Einige Winzer sind auch schon an die Jäger herangetreten. Man müsste zudem den Dialog suchen mit Dossenheim und Hirschberg. Da muss man mal gemeinsam etwas unternehmen." Das hat der WG-Geschäftsführer gestern auch Bürgermeister Hansjörg Höfer gesagt, den er als Vermittler in dieser Sache sieht. Höfer reagierte prompt: "Wir werden Kontakt mit den Jägern aufnehmen. Auch die Winzer müssen mit an den Tisch. Zudem werde ich die anderen Gemeinden einbeziehen. Wir müssen das alle zusammen besprechen. Und es muss schnell gehen", unterstrich der Verwaltungschef.

"Das Thema ist aktuell, keine Frage", sagte der stellvertretende Leiter des Hegerings I Weinheim in der Jägervereinigung Mannheim, Mathias Rechner, auf RNZ-Anfrage. Er zeigte sich offen für jede Art der Kooperation: "Absolut! Eigentlich sollte es machbar sein, alle Jäger auf Schriesheimer Gemarkung unter einen Hut zu bekommen." Rechner wies aber darauf hin, dass Wildschäden kein lokales Phänomen seien. Zudem gab er zu bedenken, dass auch Dachse für Schäden in den Reben verantwortlich sein könnten. Das müsse man von Fall zu Fall prüfen.


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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung