Schriesheim im Bild 2023

12.12.2008

„Wir bauen an Schriesheims Zukunft"

Schriesheim. Die Stadt verändert ihr Gesicht. In diesem Jahr begannen zahlreiche Bauprojekte, die Schriesheim für Generationen prägen werden. Äußere Zeichen eines auch sonst ereignisreichen Jahres, das am Mittwoch mit der letzten Sitzung des Gemeinderats seinen kommunalpolitischen Abschluss fand – mal abgesehen von der Weihnachtsfeier der Stadträte am heutigen Freitag in der "Pfalz". Im RNZ-Jahresgespräch mit Redakteur Carsten Blaue zieht Bürgermeister Hansjörg Höfer Bilanz.

Herr Höfer, haben Sie dieses Jahr erreicht, was Sie wollten?

Ich blicke auf dieses arbeitsreiche Jahr zufrieden zurück. Wir haben viel gemacht. "Wir" sage ich ausdrücklich, denn letztlich gibt der Bürgermeister nur die Richtung vor. Die Entscheidungen trifft aber der Gemeinderat, und die Verwaltungsmitarbeiter setzen sie um.

Zurzeit gibt es auffällige Baustellen, darunter der Wegebau in der Rebflurbereinigung, die Lärmschutzwand und die Brückenbauwerke an der künftigen Zufahrt zum Branichtunnel sowie die Mensa.

Diese Baustellen sind schon symbolisch für dieses Jahr. Wir bauen an Schriesheims Zukunft. Der schnelle Wegebau im Kuhberg wurde nach den Schlammlawinen dieses Jahres dringend nötig. Ansonsten zeigt sich in der Rebflurbereinigung mit ihren Reben und Biotopen, dass sich Naturschutz und Weinbau nicht ausschließen. Der Branichtunnel wird Auswirkungen haben auf die ganze Stadt und nachfolgende Generationen. Nicht zu vergessen auch der Abriss des Forschner-Geländes. Zusammen mit dem OEG-Bahnhof und dem Gschwander-Gelände wird sich das Bild der Schriesheimer Ortsdurchfahrt in den kommenden Jahren komplett verändern.

Sie sagten, der Branichtunnel werde Auswirkungen haben auf die ganze Stadt. Welche sind das?

Natürlich hat uns die Finanzierungszusage des Landes völlig überrascht. Altenbach und die Talstraßenbewohner werden die großen Gewinner sein.

Aber Altenbach fürchtet eine Verlagerung des Verkehrsproblems in die eigene Hauptstraße.

Sicher ist, dass wir in Altenbach dieses Jahr nur eine Baugenehmigung für einen Hausbau hatten. Die Verkehrsanbindung war immer ein Problem. Durch den Tunnel können wir auf neue Einwohner hoffen. Platz gibt es genug.

Was muss passieren, damit die Kundenströme künftig nicht an Schriesheim vorbeifahren?

Durch das Einzelhandelskonzept, das wir dieses Jahr auch verabschieden konnten, haben wir die Rahmenbedingungen geschaffen für eine Stärkung der Innenstadt. Wenn der Branichtunnel fertig ist, müssen wir die Talstraße zwischen B3 und Gaulsbrücke attraktiv gestalten. Schon hier muss ein Geschäftsleben entstehen, das den Eindruck vermittelt, man sei in der Altstadt. Auch die Attraktivität der anderen Einkaufsstraßen darf nicht nachlassen. Da sind wir mit dem BDS in engem Schulterschluss.

Vom Wirtschaftsförderer hört man dazu jedoch recht wenig.

Dr. Hans Jörg Schmidt hat die Aufgabe, den Bestand zu sichern. Der Druck auf den Einzelhandel ist so groß wie noch nie. Wenn wir den Bestand in den nächsten fünf Jahren halten, dann haben wir viel erreicht. Schon das bedarf großer Anstrengungen. Im Übrigen besucht der Wirtschaftsförderer die Betriebe, hört sich Sorgen und Entwicklungsperspektiven an und vernetzt die Betriebe informell miteinander. Das bekommt die Öffentlichkeit nicht mit.

Stimmt. Öffentlichkeitswirksam sind gerade seine touristischen Aktivitäten.

Die Kombination als Archivar und Wirtschaftsförderer jeweils mit halber Stelle erweist sich bei Herrn Dr. Schmidt in der Tat als vorteilhaft. Er hat Schriesheims Stärken zusammengefasst und die Stadt für den Tagestourismus interessanter gemacht – man denke nur an den Altstadtrundweg, die Geopark-Initiativen oder an den künftigen Themenweg in der Rebflurbereinigung. Die Touristen kommen und bummeln durch die Heidelberger Straße. Das wollten wir. Zudem haben wir als Weinbauort in der Nachbarschaft ein Alleinstellungsmerkmal. Das alles bewerben wir über den Tourismus-Service "Die Bergstraße" und über unsere eigene Homepage. Diese ist schon sehr gut, aber sicher können wir da noch besser werden.

Ein heiß diskutiertes Thema war auch die neue Lärmschutzwand in "Nord".

Richtig. Sie ist Teil des Bebauungsplans für das Wohngebiet, und insofern gibt es auch einen Rechtsanspruch auf den Lärmschutz. Er sichert den Wohnwert hier. In Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und den Bürgern ist eine attraktive Planung gelungen.

Hier redeten die Bürger bis ins Detail mit. Auch in der St.-Wolfgang-Straße waren es einige wenige, die einen bestehenden Beschluss des Bauausschusses zur Gestaltung ihrer Straße kippen konnten. Lassen Sie sich da das Heft aus der Hand nehmen?

Sicher nicht. Wir müssen aber gemeinsam mit interessierten Bürgern die Entwicklung unserer Stadt voranbringen. Die Betroffenen sind die besten Sachverständigen. Wir diskutieren hart. Aber das Ergebnis wird von allen angenommen. Das ist die größte Auszeichnung. Zudem hat das letzte Wort noch immer der Gemeinderat.

Wagen Sie einen Tipp für die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat nach der Kommunalwahl?

Erst mal bin ich gespannt auf die Aufstellung der Listen. Danach kann ich mir ein besseres Bild machen. Sicher ist der Rückzug von FW-Fraktionssprecher Friedrich Ewald ein Verlust für den gesamten Gemeinderat und die Kommunalpolitik. Und ich weiß nicht, wer sich noch zurückziehen wird.

Schriesheim hatte in diesem Jahr auch den Tod von SPD-Stadträtin Dr. Maria Bullinger-Baier zu beklagen.

Das hat mich ganz stark berührt! Sie ist aus der Mitte des Gremiums heraus verstorben. Jeder von uns merkte danach, dass man streiten und diskutieren kann, dass es aber viel Wichtigeres gibt. Ich denke, der Gemeinderat ist hier ein Stück weit zusammengewachsen.

Dennoch gab es dieses Jahr immer wieder Kritik, etwa an der Beteiligung der Schulkonferenzen und des Jugendgemeinderats im Vorfeld der Mensa-Entscheidung. Alle waren für Götz, Morast bekam den Zuschlag. SPD-Fraktionschef Hans-Jürgen Krieger sprach von einer "Farce".

Die Gremien wurden gehört. Ihre Meinungen flossen ein in die Entscheidungsfindung des Gemeinderats. Damit muss man sich zufriedengeben – auch wenn man eine andere Lösung favorisiert. Unstrittig ist, dass die Mensa eine wichtige Investition in die Zukunft des Schulstandorts Schriesheim ist.

Aber hätten Sie nicht versuchen müssen, den Urheberrechtsstreit mit dem Planer des Schulzentrums, Prof. Lothar Götz, langfristiger zu klären?

Es gibt bestehende Verträge, die Götz nicht löst. Das muss ich akzeptieren. Dennoch passen diese Verträge nicht mehr in die Zeit. Der Schutz des geistigen Eigentums darf den Wettbewerb der Ideen nicht verhindern.

Der Jugendgemeinderat fühlte sich nicht nur bei der Mensa übergangen, sondern auch in der Neubesetzung der Stelle für Jugendsozialarbeit, nachdem Jana Burwitz überraschend zum 1. Oktober nach Heidelberg wechselte.

Jugendgemeinderat und Push-Verein waren bei den Auswahlgesprächen dabei und hatten beratende Funktion. Die Einstellung von Personal bleibt dem Gemeinderat vorbehalten. Die Jugendlichen hier mitstimmen zu lassen, wäre rechtlich angreifbar gewesen.

Auch der Push-Verein war zuletzt nicht glücklich mit Ihnen und beklagte mangelnde Anerkennung seiner Arbeit für das Jugendhaus.

Es bleibt dabei: Das Jugendzentrum muss jetzt fertig werden. Ich bin für Gespräche offen. Wir werden das gemeinsam beraten. Und das Ganze wird nur etwas, wenn sich hier mehr Jugendliche einbringen. Von mangelnder Wertschätzung kann jedenfalls keine Rede sein.

Soll die künftige Jugendsozialarbeiterin Nicola Klamer auch im Jugendhaus arbeiten?

Ja, wenn es fertig ist. Wir werden aber zunächst an die Arbeit von Jana Burwitz anknüpfen. Ihr gelang die Verzahnung der Hauptschule mit dem Berufsleben. Über Job Central gibt es zudem das Engagement der ehrenamtlichen Lernbegleiter – vor allem aus den Reihen des Arbeitskreises Schriesheimer Senioren, der ganz wertvolle Arbeit leistet.

Bleiben wir in der Nähe des Push-Geländes: bei den Obdachlosenunterkünften. Der Gemeinderat hält den Standort der "Hollandhäuser" nicht für eine Dauerlösung, der Tennisclub will hier zwei neue Plätze bauen. Sie aber sagen, es gebe in absehbarer Zeit keine Lösung für das Problem. Machen Sie es sich da nicht etwas zu leicht?

Ich mache es mir überhaupt nicht zu leicht! Es gibt die Abmachung zwischen Stadt und TCS, dass der Tennisclub die Fläche zur Erweiterung bekommt, wenn die "Hollandhäuser" nicht mehr gebraucht werden. Aber wir brauchen sie noch, weil es keine vergleichbare Alternative gibt. Dabei ist die Wohnsituation für die Menschen da unten schon lange grenzwertig. Ich hätte hier für 100000 Euro solide Häuser gebaut.

Die wollte im Gemeinderat keiner.

Daher müssen wir jetzt eine gemeinsame Lösung finden. Ich verschließe mich da nicht. Zumal der TCS hervorragende Arbeit leistet.

Wie wäre es mit dem Kreisaltenheim, das 2010 geschlossen wird?

Das ist zu weit weg. Da fehlt der Anschluss an die Stadt. Außerdem wird der Kreis das ganze Gelände mit ziemlicher Sicherheit verkaufen wollen.

Kommen wir zum Betreuungsangebot für Kinder. Das baut die Stadt weiter aus. Zudem führt sie den Orientierungsplan in Kindergärten ein Jahr früher ein. Das alles kostet eine Menge Geld.

Bildung ist Zukunft. Und Zukunft ist eben nicht kostenlos zu haben. Beim Orientierungsplan gibt es keinen Grund zu warten. Ich wünsche mir zudem eine weitere Verzahnung von Kindergarten und Grundschule. In der Stadt haben wir da kurze Wege, und in Altenbach sind wir über das Kinderhaus hervorragend aufgestellt.

Nochmal zu den Kosten: Wie schlägt sich der Ausbau der Kinderbetreuung im nächsten Haushalt nieder?

Für den Ausbau der Kleinkindbetreuung werden wir 360000 Euro zusätzlich in die Hand nehmen. Der Ausbau des Ganztagesangebots in Kindergärten wird 350000 Euro mehr kosten. Zudem haben wir auch in den Schulen einen verstärkten Investitionsbedarf. Und wenn es nach mir geht, dann beginnen wir nächstes Jahr auch mit der Sanierung unserer Spielplätze. Jedes Jahr sollte einer erneuert werden.

Daher also neue Schulden und Rücklagenentnahme trotz Einnahmerekords?

Nicht nur deshalb. Wir investieren in den Kanal- und Straßenbau, vor allem in der St.-Wolfgang-Straße, im Dossenheimer Weg und ab April in der Talstraße. Zudem zahlen wir alleine 400000 Euro mehr für den ÖPNV, den öffentlichen Personennahverkehr.

Man vermisste da schon Ihren öffentlichen Protest, als die Explosion der ÖPNV-Kosten publik wurde.

Öffentlicher Streit hätte keinen Sinn gemacht. Der ÖPNV ist für eine Stadt zu wichtig, als dass man ihn schlechtreden sollte. Hinter verschlossenen Türen gab es harte Auseinandersetzungen, als uns die Rechnung für die neuen Bahnen präsentiert wurde, von deren Kauf wir nichts wussten. Künftig werden Investitionen vorher mit den Gemeinden besprochen.

Eine Investition, der Sie sich zurzeit verschließen, ist die Neugestaltung des Altenbacher Schulhofs.

Mein Vorschlag gilt: Wir sollten ein Sanierungsgebiet ausweisen und versuchen, ins Landesprogramm hineinzukommen. Das hat zehn bis 15 Jahre lang Gültigkeit und ist kein Strohfeuer. Private Hausbesitzer könnten für energetische Sanierungen bis zu 30 Prozent Zuschuss in Anspruch nehmen. Das sollten wir uns nicht entgehen lassen.

Nach all’ der Arbeit dürfen sie heute noch den Weihnachtsmarkt am Rathaus eröffnen. Der hat endlich Holzbuden und verdient seinen Namen.

Man kann den engagierten Vereinen und der Markus-Paul-Stiftung nur gutes Wetter wünschen. Hier haben wir ein weiteres Beispiel für ehrenamtliches Engagement in der Stadt. Jede Woche haben wir in Schriesheim die Möglichkeit, uns bei Festen und Veranstaltungen zu treffen. Das bringt uns zusammen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung