Schriesheim im Bild 2023

18.03.2009

Das macht ein Baumfäller nur einmal im Leben

Von Carsten Blaue.

Schriesheim. Sie haben zwei Jahrhundertwenden überdauert; sie wurden gepflanzt, als Otto von Bismarck Reichskanzler und Wilhelm II. Kaiser war. Das Berliner Reichtagsgebäude befand sich gerade im Bau. Gestern mussten die beiden Mammutbäume in der Talstraße weichen – nach genau 120 Jahren. "Ich habe schon Tausende Bäume gefällt, aber so etwas wie heute macht ein Baumfäller nur einmal im Leben", sagte Udo Hadek. Der Fachmann aus Wiesloch-Baiertal hat die beiden Baumriesen gestern gemeinsam mit zwei Mitarbeitern nach allen Regeln der Kunst abgetragen und zersägt – insgesamt 32 Tonnen Holz.

Gewachsen sind sie im Vorgarten der ehemaligen Villa Hübsch, dem heutigen Anwesen des ehemaligen KSV-Vorsitzenden Rolf Schuster. Sein Urgroßvater, der Bildhauer Adolf Backhaus, war es, der die beiden Bäume im Jahr 1889 pflanzte. Er setzte sie in zwei Kalkmörtelgruben. Die beiden Mammutbäume – wohl ein Küsten- und ein Bergmammutbaum – sollen Geschenke von Christian Friedrich Graf von Berckheim gewesen sein, dem Begründer des Weinheimer Exotenwalds. Die Pflanzung von "Exoten", also fremdländischer Bäume, war damals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso en vogue wie sie zu verschenken. England war hier das Vorbild.

Über die Verbindung zwischen Berckheim und Backhaus ist allerdings nichts bekannt. Wohl aber, dass die Bäume schon in den 1980er Jahren Probleme bereiteten mit ihrem enormen Wurzelwerk, das auch beim Bau der Hübsch’schen Mühle auf der anderen Straßenseite freigelegt wurde. Dem Bürgersteig hat es ebenso zugesetzt wie der Talstraße selbst, die sich in der Mitte leicht wölbt. Das Wachstum war zuletzt aber nicht mehr das Problem. Im Gegenteil. Die Bäume waren krank. Äste drohten bei Sturm zu brechen – fast schon eine lebensbedrohliche Gefahr, wenn man das Gewicht des Holzes bedenkt.

Insofern war Schuster gestern froh, wenn auch mit einem weinenden Auge: "Es wird schon etwas fehlen hier." Der Vorsitzende des Obst-, Wein- und Gartenbau-Vereins, Werner Merkel, einer der vielen Augenzeugen, sah es ähnlich: "Es ist schade, aber sie müssen weg." Genau 28 und 30 Meter hoch wurden die beiden Baumriesen, die 120 Jahre Zeit hatten zu wachsen, in nicht einmal acht Stunden gefällt waren und so aus der Silhouette der Stadt verschwanden. Viele beobachteten das Spektakel und schossen letzte Erinnerungsfotos – darunter auch Rudi Kling und Georg Weber. In Ebenen wurden die beiden Kolosse zersägt, wobei ein schwerer Kran die Baumstücke langsam zu Boden brachte. Mit dem roten Holz kann man so viel gar nicht machen. Brennen tut es auch nicht lange. Am interessantesten ist es sicher für Holzschnitzer.

Die Talstraße war für die Baumfällarbeiten voll gesperrt zwischen Schönauer und Bismarckstraße. Eigentlich sollte sie noch bis einschließlich Donnerstag zu sein. Aber Hadek sagte gestern Nachmittag: "Wir müssen nur noch die Straße sauber machen, dann kann man sie abends schon wieder für den Verkehr öffnen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung