Schriesheim im Bild 2023

15.04.2009

„Das ist hier nicht zu vergleichen mit dem, was in Polen war"

„Das ist hier nicht zu vergleichen mit dem, was in Polen war"

Von Stephanie Kuntermann.

Schlafen, kochen, essen und fernsehen in einem Raum: Muse und Zelfi Krasnizi leben seit vier Jahren in der Wohnwagensiedlung am Wiesenweg. Foto: Peter Dorn

Schriesheim. "Hier hat es noch nicht gebrannt, aber draußen auf der Brücke brannte schon drei- oder viermal der Schutthaufen", berichtet Avdy Krasnizi. Er wohnt mit seinen Eltern und seinem Bruder in einem der "Hollandhäuser", also einem der mit Brettern verkleideten Wohnwägen am Wiesenweg. Nach dem verheerenden Brand in einem Obdachlosenheim im polnischen Kamien Pomorski stellt sich die Frage, wie es um den Brandschutz in den Schriesheimer Notunterkünften bestellt ist.

"Von oben sieht das alles nicht so schlimm aus", sagt Feuerwehrkommandant Oliver Scherer. Die Freiwillige Feuerwehr nahm das Gebiet am Wiesenweg vor 14 Tagen per Drehleiter unter die Lupe. "Das hier ist nicht zu vergleichen mit dem, was in Polen war", so Scherer.

Die Wohnwägen würden nicht allzu nah bei einander stehen, und die Fluchtwege seien kurz. Zumal es auch keine Treppenhäuser gibt, die zur Falle werden können. "Wenn die Wohnwägen aber mal brennen, dann brennen sie wie Zunder", so seine Einschätzung. In Augenschein genommen hat die Feuerwehr das Gelände bislang aber noch nicht: "Damit wollen wir warten, bis in der Sache Ruhe eingekehrt ist." Damit meint Scherer die aktuelle Debatte über die Unterbringung der Bedürftigen sowie über den Standort der Notunterkünfte.

Tatsächlich stehen die "Hollandhäuser" nicht so nah bei einander. Zwischen den einzelnen Behausungen stapelt sich allerdings der Müll. Fast bis in Fensterhöhe reicht ein Berg von altem, aus einer der Behausungen herausgerissenen Laminat. An einer anderen Stelle liegt ein abgetretener Teppich, in der kaputten Telefonzelle stapeln sich weitere Teppiche. Dazwischen scharren Hühner in einem provisorischen Verschlag, und am Rande der "Siedlung" ist Unrat in einem Holzhäuschen untergebracht, das buchstäblich auseinander fällt.

Familie Krasnizi hat Besuch. Überall tummeln sich Kinder und Verwandte der Familie. Alle sitzen draußen unter einem improvisierten Sonnenschutz. Drin wäre es einfach zu eng für die Gäste. Der Wohnwagen ist an der Längsseite unterteilt, so dass rechts und links vom "Hauptraum" zwei winzige Verschläge mit Betten entstanden sind. Im Durchgangsraum, den die Vier so gut es ging mit Farbe und Teppichen etwas wohnlicher gestaltet haben, wird gekocht, gegessen und ferngesehen.

Auf dem Sofa schläft Nachts Vater Muse. Wenn er überhaupt schläft. Manchmal raubt ihm das Ungeziefer den Schlaf. "Hier gibt es solche Ratten", sagt der Familienvater aus dem Kosovo und zeigt mit seinen Händen etwa die Größe einer kleinen Katze an. Mutter Zelfi beklagt sich über Kakerlaken. Einige brachte sie zum Beweis auch schon mal ins Rathaus. Bewirkt hat das nichts. Immer wieder dichtet die Familie ihre Unterkunft notdürftig ab, schon wegen der Mäuse, die sich unter der Spüle durch die Außenwand gefressen haben. Im Winter wird die Heizung angeworfen, dazu spenden transportable Heizöfchen ein wenig Wärme in der schlecht isolierten Behausung. Im Sommer ist es umso heißer hier.

Mit einem Radiator gegen die Kälte behelfen sich Rosa Mbimua und ihr Sohn Muna, die ein paar Türen weiter wohnen. "Wir sind seit zwei Jahren hier und frieren im Winter sehr", sagt die Mutter, die aus Kamerun stammt. Ihr Sohn habe jeden Winter starken Husten, klagt sie. Die beiden haben noch weniger Platz als ihre Nachbarn.

Ihnen steht nur ein halber Wohnwagen zur Verfügung, in dessen Ecke die offene Küche untergebracht ist. An den Wänden und in jedem Zwischenraum stapeln sich Kleider, Geschirr und Taschen. "Das ist kein schöner Ort für ein Kind", sagt Rosa. Ein anderes "Hollandhaus" steht dagegen leer: Die fünfköpfige Familie, die darin wohnte, wurde unlängst in eine umgewidmete Wohnung in Altenbach eingewiesen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung