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02.06.2009

Wie hielt es Théo Kerg mit dem Nationalsozialismus?

(sk) Wie hielt es Théo Kerg mit dem Nationalsozialismus? Trotz neuer Informationen lässt sie sich nicht mit einem eindeutigen Ja oder Nein beantworten, ist seine politische Biografie doch gekennzeichnet von Brüchen.

Zwischen 1934 und 1936 wurde Kerg, der in Luxemburg als Kunsterzieher arbeitete, wegen kommunistischer Propaganda suspendiert. 1936 nahm er an Kundgebungen gegen den spanischen Bürgerkrieg teil, zwei Jahre später malte er ein Bild über den Krieg. Am 10. Mai 1940 marschierte die Wehrmacht in Luxemburg ein. Am selben Tag machte sich Kerg auf den Weg ins nahe gelegene lothringische Longwy und von dort aus weiter ins Languedoc-Roussillon, wo er seine Verlobte Catherine Vaccaroli heiratete.

Ab diesem Zeitpunkt ändern sich die Vorzeichen in der Biografie des Künsters. Überraschend ist, dass die neue Luxemburger Zivilverwaltung Kerg am 1. Oktober 1940 zum Kunstlehrer an der Industrie-und Handelsschule in Esch-sur-Alzette ernennt. Im Dezember erhält er seine Mitgliedskarte des VDB. Damit gehört er zur Volksdeutschen Bewegung Luxemburgs als Mitglied Nr. 8102. Er bleibt Mitglied bis zum 8.7.1943, als seinem Entlassungsgesuch stattgegeben wird. Nicht nur seine plötzliche Kehrtwendung aus der Emigration zurück ins besetzte Luxemburg verwundert, sondern auch eine historische Ungereimtheit. Wie kam Kerg am 15.12.1940 zu einem Mitgliedsausweis mit der Nummer 8102, wo zu dieser Zeit doch bereits 50 000 Luxemburger zum Eintritt in die VdB gezwungen wurden?

Bald hat er wieder Ausstellungen. Während der Besatzungszeit kamen etwa zwölf Gruppen- und zwei Einzelausstellungen zusammen sowie ein Salon. Einige seiner Werke werden in Kergs Privathaus beschlagnahmt. Die Kreisleitung wirft ihm vor, seine Werke seien "zu französisch". Von "entarteter Kunst" ist nicht die Rede. 1942 löst die Einführung von allgemeiner Wehrpflicht und Arbeitsdienst landesweite Proteste und Streiks aus. Hunderte werden verhaftet. 95 Jungen von Kergs Schule werden nach Schloss "Stahleck" zur Umerziehung geschickt, wogegen er schriftlich protestiert. Er schreibt Rücktrittsgesuche und fehlt wegen "Krankheit". Im Oktober wird Kergs drittem Entlassungsgesuch entsprochen, er verlässt den Schuldienst und kauft einen Bauernhof. Verwunderlich ist, dass Kerg einfach aus der VdB austreten konnte, wo doch allgemein die Weigerung einzutreten mit Zwangsarbeit oder Haft bestraft wurde. Für die "Frühjahrsausstellung moselländischer Künstler" in Luxemburg schafft er Lithografien mit dem Titel "Das schöne Luxemburg" – ein Beleg dafür, dass er sich während der Besatzungszeit der figurativen Kunst zuwandte. Sie werden jedoch abgehängt, und Kerg wird im März 1944 aus der Landeskulturkammer ausgeschlossen. Ein halbes Jahr später endet die deutsche Besatzung.

Vier Tage später verhaften ihn drei Milizionäre. Bis zum Januar 1946 ist er in Haft. Nach seiner Entlassung leistet er "Arbeitsdienste" in einer Farbenfabrik. Als er seinen Pass wieder bekommt, reist er nach Paris ab, wo er sein Künstlerleben wieder aufnimmt. 1948 ist er Angeklagter in einem Spruchkammerverfahren in Luxemburg und wird wegen "Angriffs auf die nationale Sicherheit des Staats" verurteilt. Seine Strafe von zehn Monaten Haft gilt als verbüßt. Sieben Jahre später wird er als "Minderbelasteter" amnestiert. Die Hintergründe von Urteil und Haft liegen im Dunklen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung