Schriesheim im Bild 2023

03.08.2009

Als Neueinsteigerin holte sie zwei Mandate

Als Neueinsteigerin holte sie zwei Mandate

Von Carsten Blaue.

Ihr Listenplatz sechs für die Gemeinderatswahl war ein Signal. Sie wollte mehr als nur auf einer Liste stehen. Daher war Fadime Tuncer eigentlich nicht überrascht, als ihr Name unter den neuen Stadträten auftauchte. Dass sie aber auch noch den Sprung in den Kreistag schaffen würde, das hatte sie nicht erwartet. Zumal es ihre ersten Kandidaturen für kommunalpolitische Gremien überhaupt waren. Und mehr noch: Mit 2553 Stimmen war sie bei der Gemeinderatswahl mit Abstand die Stärkste unter den drei Neueinsteigern.

Fadime Tuncer erklärt sich das auch mit ihrer Präsenz vor Ort: "Ich bin immer zu Fuß in der Stadt unterwegs und kaufe hier ein." Auch abgesehen davon ist sie in Schriesheim keine Unbekannte. Die zweifache Mutter war schon mal Elternbeirätin im Kindergarten Sofienstraße, und man verbindet die Politologin mit dem erfolgreichen Bürgermeisterwahlkampf von Hansjörg Höfer im Jahr 2005.

"Er suchte damals über einen Aushang in der Uni eine Assistentin." Tuncer versprach sich erste Erfahrungen in der politischen Beratung, die Chemie mit Höfer stimmte, und so wurde sie Mitglied in Höfers Wahlkampfteam – mit dem bekannten Ergebnis. Nur aus dem Posten der Referentin des neuen Bürgermeisters wurde damals nach der Wahl nichts. Die politischen Widerstände waren groß: "Ich hätte ihn gerne bei seinem Start unterstützt", sagt Fadime Tuncer, die heute Projektleiterin der Heidelberger "umwelt.plus.karte" ist. Eine Tätigkeit, die auch manchen ihrer kommunalpolitischen Schwerpunkte wie etwa die nachhaltige Stadtentwicklung widerspiegelt. Jugend, Familie, Bildung und sozialpolitische Themen gehören ebenfalls dazu.

Dabei kann Fadime Tuncer sicher auch die Erfahrungen ihrer Biografie einbringen. Geboren in der Türkei, wuchs sie zunächst bei ihrer Großmutter in einem von der Natur geprägten Umfeld auf – eine Grundlage ihrer heutigen Verbundenheit mit Themen des Natur- und Ressourcenschutzes. Erst zogen die Eltern nach Deutschland, dann holten sie ihre damals sechsjährige Tochter nach.

Die Älteste von vier Geschwistern wurde in Mannheim-Neckarau groß. An ihre Einschulung erinnert sie sich noch genau: "Ich hatte keine Deutschkenntnisse und konnte nicht mitreden." Die Lehrer motivierten sie, und sie entdeckte das Lesen für sich. Das war ihr Sprung in die Sprache. Die vermittelte Toleranz ihres muslimischen Elternhauses zeigte sich etwa auch darin, dass sie in katholischer Religion ihr mündliches Abi machte: "Keine Religion darf absolute Werte für sich beanspruchen. Man muss sie hinterfragen und nicht einfach alles übernehmen." Überhaupt hat Fadime Tuncer es stets als Bereicherung empfunden, die türkische und deutsche Kultur zu leben: "Ich habe da eine gute Balance. Man muss sich einlassen und auf einander zugehen. Das ist mein Integrationsbeitrag."

Nach der Schule studierte sie Jura, um schließlich doch noch beim Magister-Studium der Politologie, Soziologie und des Öffentlichen Rechts zu landen. Im Jahr 2000 legte sie die türkische Staatsangehörigkeit ab, um Deutsche zu werden: "Auch, weil ich hier meinen Lebensmittelpunkt habe." Seit 1994 lebt Fadime Tuncer mit ihrer Familie in Schriesheim. Sie wünscht sich, dass im Gemeinderat mehr passiert in Sachen Gesprächs- und Diskussionskultur. Auch fragt sie sich, ob nicht auch mal Klausurtagungen zu den großen Themen der Stadt möglich sein könnten, in denen sich fraktionsübergreifende Arbeitsgruppen mit Teilaspekten beschäftigen. Aufeinander zugehen, sich einlassen: Für Fadime Tuncer geht das auch in der Kommunalpolitik.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung