Schriesheim im Bild 2023

31.08.2009

Die Weinberge sind bestens in Schuss

(kaz) Wie wird der Jahrgang 2009? Da kann auch Patrick Schreieck, Referatsleiter im Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg, nur spekulieren. Nach dem schönen August müssten die Trauben reichlich Sonnenschein gespeichert haben. Schon mal eine ein gute Voraussetzung, um zu einem guten Tropfen zu werden. Aber was aus dem Jahrgang wird, wissen auch die Winzer erst, wenn der Wein im Fass gereift ist – und das dauert nun mal ein paar Monate. Die Winzergenossenschaft Schriesheim hat quasi vom Rebschnitt bis kurz vor der Lese immer wieder Experten des Freiburger Instituts zu Gast.

Der Rundgang durch die Weinberge ist meistens recht gut besucht, der Rat vom Fachmann willkommen. Jetzt ging es vor Ort bereits darum, von den Rebstöcken Proben zu entnehmen, um die Oechsle-Grade zu ermitteln. Dafür suchte Patrick Schreieck immer mal wieder Freiwillige, die er zum Beeren-Pflücken schickte. Etwa hundert Stück pro Plastiktüte sollten es sein und am besten bunt gemischt. Also große und kleine und welche, die unten oder oben am Weinstock wachsen. Die werden noch in der Tüte von Hand zerquetscht, um Saft für den Refraktometer zu gewinnen. Beim Grauburgunder liegt der ermittelte Wert schon mal bei 75. Das ist nicht schlecht. Laut Patrick Schreieck sind die Schriesheimer Weinberge richtig gut in Schuss beziehungsweise außerordentlich gut gepflegt.

Das heißt auch: Faulende Trauben sind momentan eigentlich kein Thema, nur hier und da ist das Gipfellaub, bedingt durch einen Pilz braun geworden. Das tangiert die Qualität der Trauben aber nicht. Eigentlich gibt es nur ein kleines Problem, das aber mit etwas Handarbeit noch beseitigt werden könnte: Weil es während der Rebblüte nochmals ziemlich kühl wurde, sind nun einige Beeren an den Taubenhenkeln schon fast reif und die anderen noch ziemlich hart. Die Blüte zog sich schließlich einige Wochen hin. Beim Spätburgunder ist der Unterschied am deutlichsten sichtbar, da wachsen rote und grüne Beeren nebeneinander. Auch die bislang noch grünen Beeren werden bis zur Lese, die ab Mitte September beginnen dürfte, rot sein, aber dennoch nicht reif. Würden sie so geerntet, könnte sich das negativ auf die Oechsle-Grade auswirken. Noch kann dies der gewissenhafte Winzer vermeiden und die grünen Beeren entfernen.

Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2007 begann die Lese außerordentlich früh, schon Anfang September. Da geht in Schriesheim traditionell das Straßenfest über die Bühne und die Winzer standen quasi vor der Wahl. Sollen wir Trauben ernten oder feiern? Letztes Jahr war erst Ende September Lesebeginn und 2009 liegt wohl irgendwo dazwischen. Beim Gang durch die Weinberge ist unter anderem die "Beerenhautstabilität" ein Thema. Die nimmt mit zunehmender Reife ab und die Gefahr des Botrytisbefalls wächst. Dabei handelt es sich um eine Pilzerkrankung.

Warme Tage, kühle Nächte: Das ist es, was die Winzer sich jetzt wünschen. Und bloß keine "Regenperiode", weil die den Ertrag verhageln könnte. Laut Peter Haas, Zweiter Vorsitzender der Winzergenossenschaft Schriesheim, sitzt der "St. Laurent" schon in den Startlöchern und muss als erster geerntet werden.

Im Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg wird unter anderem die "Fäulnisförderungsvariante" herangezüchtet. In diesem Fall sind das Reben, die unter den denkbar schlechtesten Bedingungen heranreifen. Sie werden stark gedüngt, nicht entblättert, Doppel- und Kümmertriebe bleiben dran. Entsprechend sieht das Ergebnis aus. Laut Patrick Schreieck wurden die Trauben richtig faul und haben sogar schon gestunken. Dagegen war auf dem "Versuchsweinberg" mit Mulch als Bodenbelag und wenig Düngung kaum eine faule Traube zu finden. Längst ist klar: Falsche Bodenbearbeitung und zuviel Stickstoffdünger fördern die Fäulnis.

Doch in Schriesheim gibt es ja so gut wie nichts zu beanstanden. Im Gegenteil: Auf einem Areal, auf dem die Spätburgunder Selektion reift, äußert sich Patrick Schreieck lobend über das gesunde Blattwerk in Dunkelgrün. Immer wieder geht es beim Rundgang um die Oechsle-Grade. Beim Riesling werden 71 gemessen, beim Müller-Thurgau 73. Die Negativ-Beispiele sind wirklich selten. Nur soviel: Ein Weintraubenhenkel, der mehr als 300 Gramm wiegt, hat zu viele Beeren angesetzt.

Weinbau ist eine Wissenschaft für sich, wobei für den Verbraucher wohl eher das Endprodukt zählt und er sich keine Gedanken darüber macht, dass sich in den Trauben die Aromen schneller breit machen als der Zuckergehalt. Beim Rundgang musste Patrick Schreieck länger suchen, um ein Beispiel für "beginnende Essigfäule" zu finden. An das Publikum verteilte er schließlich noch Handzettel mit Informationen darüber, was gegen Vogelfraß und Wildschaden zu tun ist. Ansonsten wünschte er nach der letzten Weinberg-Führung einfach nur "einen schönen Herbst". Noch ein Schmankerl am Rande: Auf den Versuchsflächen des Weinbauinstituts Freiburg fühlt sich auch eine Dachsfamilie wohl. Diese ist nun Gegenstand einer Diplomarbeit. Und wie schneidet Schriesheim bei der "Reifeprüfung" der Trauben ab? Momentan besser als Freiburg.

Die Oechsle-Grade sind mit den denen in Blankenhornsberg vergleichbar. Wobei die frühreife Sorte "Solaris", angebaut in Ebringen, mit 109 gerade den Oechsle-Rekord hält. Sie wurde jüngst auch auf dem nördlichsten "Wingert" Deutschlands angebaut. Der liegt auf dem 55. Breitengrad südlich der Kirche von Keitum auf Sylt. Auch wenn die Reben reifen, ist mit der ersten Lese frühestens 2012 zu rechnen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung