Schriesheim im Bild 2023

16.10.2009

Und von der Kurpfalz pfeift der Wind herüber

Von Nadja Müller.

Schriesheim/Breisach. Immer drei Bottiche auf ein Mal heben die Flaschenzüge von den Anhängern, dann gleiten sie auf Schienen in die Halle zu der Reihe mit den Schachten und kippen die Trauben in die richtige von rund 80 Öffnungen. An den drei Annahmestationen des Badischen Winzerkellers in Breisach brummt es dieser Tage – 4,5 Millionen Kilogramm Trauben können dort täglich angenommen werden.

"In seinem Berufsleben hat man 40, 45 Chancen so eine Ernte reinzuholen", sagt Jörg Wiedemann, der Chef der Breisacher Kellerwirtschaft (Foto: zg). Drei oder vier Wochen sind die Mitarbeiter des Badischen Winzerkellers rund um die Uhr gefordert. Sie arbeiten im Schichtbetrieb, 24 Stunden lang. Denn: "Trauben sind verderbliches Gut, da zählt jede Stunde."

Die Schriesheimer Genossenschaftswinzer dagegen können langsam ihre Rebscheren wieder weghängen. Am Montag ist der letzte Laster aus Schriesheim in Breisach vorgefahren. Die WG ist dabei durchaus ein Sonderfall für die Breisacher. Sie liegt nicht nur weiter vom Keller entfernt als die anderen Genossenschaften, die ihre Trauben abliefern: Die WG macht auch in ihrem Kelterhaus einiges selbst und liefert etwa im Falle von Weißwein oder Rosé bereits den Most im Winzerkeller ab. Nur die Rotweintrauben kommen ganz an. "Sie haben damit auch eigenen Einfluss auf die Qualität des Materials", erklärt Wiedemann. Denn die Spanne zwischen Kelterung und Gärung entscheide über rund 75 Prozent der Qualität des künftigen Weins. Über die soll zwar nicht geredet werden, bevor die Trauben im Keller sind. Aber Wiedemann fühlt sich an das Jahr 2003 erinnert, aus dem ein "Jahrhundertjahrgang" hervorging, wie man später sagte. Er ist schon sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Lese.

Zwar ist die Ernte relativ gering, aber dafür die Werte hervorragend, sagt er. Einziger Haken ist die Weinsäure: "Die Reife war so gut, dass die Säure gering ist." Deswegen hat sich der Winzerkeller eine Sondergenehmigung eingeholt, um den PH-Wert zu senken. "Wir dürfen bis zu 1,8 Gramm Weinsäure zugeben, um makrobiologisch auf der sicheren Seite zu sein." Wiedemann vergleicht die Entwicklung der Trauben mit der von anderen Obstsorten: Äpfel oder Pflaumen wurden schnell reif in diesem Jahr, und genauso schnell überreif. Entsprechend kurz war auch die Traubenlese. "Wir wollten gar nicht länger ernten," gerade mit Blick auf die "innere Uhr der Rebe", sagt der Kellerchef. Und: "Mehr Zucker wollen wir gar nicht": Wiedemann errechnet 13,5 Volumenprozent.

"Hervorragend" dabei die Öchsle-Werte aus Schriesheim. Die Weinstadt gehört zu den klimatisch bevorzugten Gebieten, vergleichbar mit dem Kaiserstuhl. Eine Insellage, wobei der Wind aus der Kurpfalz den Eintrocknungseffekt beschleunige. Das Ergebnis: kleinere, aber fruchtigere Trauben. Auffällig ist ebenso, dass Schriesheim eher zu den frühen Gebieten gehört; hier beginne die Lese oft drei bis fünf Tage vor den anderen. Nach rund drei Wochen ohne einen Regentropfen und einem verdorbenen Wochenende hat die WG in diesem Herbst 1138000 Kilogramm Trauben geerntet. Das sind laut Geschäftsführer Harald Weiss rund 20 Prozent weniger als im vergangenen Jahr – aber noch einiges Mehr als 2003. Damals lag die Menge um nochmals rund 280000 Kilo unter dem Ergebnis von diesem Jahr. Dieser Herbst brachte auch die höchsten Mostgewichte seit 2003.

In Breisach findet sich Schriesheimer Material vor allem im Kleingebindekeller. Noch diese Woche rotiert es also an den Annahmestellen des Badischen Winzerkellers, wenn die eigentlichen Mengen angeliefert werden. Nächste Woche werden dann nur noch Parzellen übrig sein, die gezielt ausgereizt werden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung