Schriesheim im Bild 2023

20.08.2003

Henkel werden zu Knubbeln

Schriesheim. (ron) Um ihren Trauben mehr Qualität auf dem Weg ins Fass mitzugeben, lassen sich die Schriesheimer Winzer immer etwas Neues einfallen. Jetzt hat Peter Haas eine neue Art des Ausdünnens in Südtirol "geklaut". Es scheint zu funktionieren.

Das Verfahren ist auf den ersten Blick so simpel, dass man sich unweigerlich fragt, warum noch keiner früher darauf gekommen ist. Schon Mitte Juni, als die Traubenhenkel wenige Wochen nach der Blüte gerade erst mit kleinen harten Beeren ausgebildet waren, hat Haas die Henkel einfach in der Mitte quer durchgeschnitten. Bei Exkursionen in Südtirol hat der Rebschutzwart der Winzergenossenschaft diese Art der Traubenbehandlung abgeschaut. Die Schriesheimer Winzer schneiden ja seit einigen Jahren schon einen Teil ihrer Früchte "auf den Boden", um den Rebstock zu entlasten. Bislang setzten sie die Rebschere aber am ganzen Henkel an. Haas ist der erste, der jeden einzelnen Henkel einfach in der Mitte teilt. Die Trauben seines acht Jahre alten Ruländer-Weinbergs nahe des Großen Mönch hängen jetzt eher in Knubbeln als in länglichen Henkeln am Stock - ungewohnt sieht das aus.

Und der neue Anschnitt funktioniert. Ende der letzten Woche nahm der Winzer mit seinem Refraktometer erstmals Maß: und siehe da, die Ruländer brachten bereits mehr als 100 Öchsle Mostgewicht auf die Waage. Das bewegt sich jetzt bereits im Spätlese-Bereich. Mitte August! "So kann man Prämiumweine erzielen", schwärmte Haas - selbst überrascht von seinem Erfolg. Die länglich belassenen Henkel liegen zehn Grad Öchlse darunter.

Mit einem gewissen Risiko ist das "Halbieren" übrigens durchaus verbunden. Wenn der Winzer dabei gerade eine feuchte Wetterperiode erwischt, locken die am Henkel auseinandergeschnittenen Trauben Schädlinge an und können Fäulnis ansetzen. Aber in diesem heißen und trockenen Sommer war das natürlich kein Problem. Peter Haas ist sichtlich stolz auf seinen Ruländer und mächtig gespannt auf die Ernte, die auch in Schriesheim in diesem Jahr deutlich früher als in normalen Jahren stattfinden wird. Womöglich liegt die Weinwanderung am 21. September schon mitten in der Weinlese.

Übrigens halten die Schriesheimer Winzer das Gerede ihrer vollmundigen Kollegen von einem "Jahrhundertwein" für ziemlich überzogen. In manchen Lagen des Kuhbergs litten die Rebstöcke schlichtweg Durst, wegen der Hitze kann es außerdem sein, dass den guten Rieslingen die natürliche Säure fehlt. "Wer von einem Jahrhundertwein redet, bevor die Trauben zumindest im Eimer sind, ist unseriös", schimpft Wolfgang Amann, Vorstandsmitglied der Winzergenossenschaft. Und Georg Bielig, Kellermeister des renommierten Weingutes Freudenberg in Weinheim, lehnte es auf RNZ-Anfrage schlichtweg ab, eine Prognose abzugeben: "An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht."

Die Trauben entwickeln sich je nach Lage und Alter vielmehr sehr unterschiedlich. Manche kleineren Hobby-Winzer beklagen einen Ausfall von "bis zu 70 Prozent", andere verweisen auf die Gefahr von Platzregen, denen die kleinen und prallen Trauben in den nächsten Wochen noch ausgeliefert sein können. Die bangen Blicke der nächsten Wochen gehen jedenfalls noch zum Himmel. Der Regen der letzten Tage hat gut getan, aber besonnene Winzer geben ein Urteil ab, wenn die Ernte in der Kelter ist. Zumindest an der Bergstraße hält man es so.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung