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26.01.2011

An „S21" scheiden sich die Geister

 An „S21" scheiden sich die Geister

Die Schüler stellten den Landtagskandidaten in der gut gefüllten Aula des Schulzentrums kritische Fragen. Matthias Hördt (Linke), Dr. Birgit Arnold (FDP), Uli Sckerl (Grüne), Gerhard Kleinböck (SPD) und Georg Wacker (CDU) bemühten sich um Antworten. Foto: Dorn

Schriesheim. (sk) Was tut die Landesregierung, um genügend Ausbildungs- und Studienplätze zu schaffen? Wie kann man Jungwähler für Politik interessieren? Und: Wie geht man in Stuttgart mit dem Debakel um die "S21"-Demonstrationen um? Diese Fragen legten gestern die Schüler des Gemeinschaftskunde-Kurses am Kurpfalz-Gymnasium (KGS) bei ihrer Podiumsdiskussion den fünf eingeladenen Landtagskandidaten vor.

Viele in der voll besetzten Aula bewegt das Thema "Bildungsausgaben". Allzu offensichtlich wird an diesem Vormittag, dass es hier an allen Ecken und Enden fehlt, trotz eifriger Beteuerungen der anwesenden Politiker. Augenfälliges Beispiel ist die marode Mikrofonanlage. Die gut vorbereiteten Fragen der beiden Moderatoren Sawis und Daniel und ihrer fünf Mitschüler Anissa, Julia, Anna, Christopher und Jakob gehen zum Teil unter, da die Mikrofone ständig aussetzen. Eine halbe Stunde später ist die Technik völlig ausgefallen, die Verstärker melden sich nur noch sporadisch durch Knackgeräusche. Wenigstens der Bild-und Ton-Beitrag zum Thema Demonstrationen ist noch abrufbar. Und schon ist die Runde mittendrin im ersten Thema, den Demonstrationen am Stuttgarter Bahnhof. Dabei steht weniger das Bauprojekt zur Debatte, sondern der Polizei-Einsatz anlässlich der Demonstrationen gegen "S21".

"Die Verantwortlichen haben es in den letzten Jahren versäumt, die Bürger zu informieren und frühzeitig in das Projekt einzubinden", gibt Bildungs-Staatssekretär Georg Wacker (CDU) zu, betont aber auch: "Die Polizei hat dafür zu sorgen, dass ein demokratisch legitimiertes Projekt auch umgesetzt werden kann."

Dass es legitimiert ist, dröselt FDP-Landtagsabgeordnete Dr. Birgit Arnold auf. "S 21" sei nach jahrelanger Vorbereitung von 30 Planungsbüros durch alle demokratischen Instanzen mit Mehrheiten um die 75 Prozent gebilligt worden. Trotzdem, hält der grüne Landtagsabgeordnete Uli Sckerl dagegen, "wurde die Polizei von der Politik in unverantwortlicher Weise in diesen Einsatz getrieben". Als Mitglied einer Untersuchungskommission arbeitet er den derzeit auf und benennt Ministerpräsident Stefan Mappus als Hauptverantwortlichen.

Vom Landtagskandidaten der "Linken", Matthias Hördt, wird das Stichwort Volksabstimmung in die Diskussion gebracht. "Die Hürden dafür sind viel zu hoch", kritisiert er und schlägt vor, die Wähler am 27. März zum Thema Stellung nehmen zu lassen. "Dann hätten wir ein Stimmungsbild." Arnold stellt Sckerl die Gretchenfrage: "Würden Sie, wenn Sie Regierungsverantwortung hätten, aus ’S21’ aussteigen? Bitte antworten Sie nur mit Ja oder Nein." Sckerl gibt den Schülern mit seiner Antwort eine kleine Lektion in Sachen Politiker-Rhetorik: "Wir machen eine Volksabstimmung, und deren Ergebnis werden wir auf jeden Fall respektieren." Dazwischen feuern die Schüler immer wieder kritische Fragen auf die Politiker ab. Etwa in Richtung des SPD-Landtagsabgeordneten Gerhard Kleinböck, dessen Partei die Kursteilnehmer unscheinbar, zerrissen und unattraktiv finden. Zerrissen sei seine Partei in der Tat beim Thema "S 21", sagt Kleinböck, stellt dann aber auch den Schwerpunkt der SPD in Sachen Niedriglöhne und Sozialpolitik heraus. Auch Hördt muss sich die Frage nach der Zielrichtung seiner Partei gefallen lassen. Er selbst favorisiere schon den Kommunismus, gibt er zu Protokoll, "aber nicht mit Mauer, Schießbefehl und Stacheldraht, sondern als eine solidarische Gemeinschaft, in der alle Menschen glücklich und zufrieden miteinander leben."

"Utopie", hält Arnold dagegen. Auch sie muss sich ins Gebet nehmen lassen, etwa was die Vorkehrungen des Landes für das bevorstehende Doppel-Abitur 2012 angeht. Hier nennt die Bildungs-Expertin Zahlen: In drei Tranchen sorge das Land derzeit für die Schaffung von 20000 neuen Studienplätzen mit den Schwerpunkten Duale Hochschule und MINT-Studiengänge. "36 Prozent des Landeshaushalts gehen jedes Jahr in Bildung und Wissenschaft", so Arnold. Und auch Wacker hat eine Zahl parat. 71 100 Schulabgänger seien 2012 zu erwarten: "Etwa drei Viertel beginnen sofort mit einem Studium." Zu denen, wie Kleinböck vorrechnet, durch die Aussetzung der Wehrpflicht noch 6500 weitere Studien-Anfänger kommen. Hier habe die Regierung zu lange mit den Vorbereitungen gewartet. Das Thema erhitzt auch bei den Schülern die Gemüter und äußert sich in Angst vor überfüllten Hörsälen und schlechten Ausbildungschancen. Dass Studienplätze geschaffen würden, heiße noch nicht, dass jeder auch am Wunsch-Ort studieren könne, sagt Wacker: "Da kann man schon einen Wohnortwechsel verlangen, aber das macht sich nicht schlecht in einer Ausbildungsbiografie."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung