Schriesheim im Bild 2023
schriese.de zieht um!
zu den neuen Bilderserien
„Da kann man nicht einfach aussteigen"
Von Carsten Blaue
Schriesheim. Die Stadt muss sich die Straßenbahnlinie 5 der RNV einiges kosten lassen. Im Haushalt 2010 lag der Zuschuss noch bei 302000 Euro. Dieses Jahr wird er sich mehr als verdoppeln – auf gut 650000 Euro. "Diese Größenordnung kam für uns überraschend", sagte gestern Hauptamtsleiter Edwin Schmitt. Mit Bürgermeister Hansjörg Höfer erläuterte er Schriesheims teuren Beitrag zum Bahnfahren, der finanziell mit dem zweigleisigen Ausbau zwischen Schriesheim und Weinheim nichts zu tun hat.
Schon Ende Januar saßen Kommunalpolitiker aus den Anlieger-Gemeinden an den Bahnlinien 4 und 5 auf Einladung von Landrat Stefan Dallinger im Landratsamt zusammen. Der Rhein-Neckar-Kreis ist Vertragsnehmer der RNV. Deren Geschäftsführung erläuterte die Lage und begründete die Kostenexplosion.
"Die Diskussionen waren heftig. Die Frage stand im Raum, wie die Kommunen das finanzieren sollen. Aber die Städte und Gemeinden sind eine Solidargemeinschaft. Da kann man nicht einfach aussteigen", sagte Höfer. Mit anderen Worten: Es gibt keine Alternative, und die RNV bestimmt den Preis. Dass der Kreis Mehrkosten übernimmt, ist politisch nicht durchsetzbar. Er ist selbst klamm – und was haben schließlich Sinsheim oder Walldorf von der Linie 5? Also rechnet Höfer nicht damit, dass sich ein Gemeinderat zwischen Dossenheim und Viernheim (Linie 5) sowie in Heddesheim (Linie 4) quer legt und gegen die Kostenbeteiligung votiert. Es bedarf der Zustimmung aller Kommunalparlamente, damit das Finanzierungskonstrukt zustande kommt. Schriesheims Gemeinderat entscheidet am 23. Februar.
Ursprünglich forderte die RNV zur Finanzierung der beiden Strecken eine Erhöhung des Zuschusses von 1,58 Euro je gefahrenen Kilometer auf 3,55 Euro. Wobei sich die Gesamtkosten jeder Gemeinde aus der Strecke errechnet, die die RNV-Züge jährlich auf ihrer Gemarkung zurücklegen. Dieser Verteilungsschlüssel trifft Schriesheim besonders hart – beginnt die Stadt doch vor den Toren Leutershausens und erstreckt sich bis kurz vor Dossenheim. So kommen für Schriesheim pro Jahr rund 191470 zurückgelegte Bahn-Kilometer zusammen. Und damit ein enormer Kostenaufwand. Dass die kommunale Kilometer-Gebühr wenigstens um 15 Cent auf 3,40 Euro gedrückt wurde, verdanken die Bahn-Anrainer dem Schriesheimer Hauptamtsleiter und Gerhard Nelius, dem Leiter des Rechnungsprüfungsamts beim Kreis.
Die beiden verhandelten im Namen der Städte und Gemeinden mit der RNV über mögliche Spielräume beim Zuschusssatz. Die waren aber gering, denn, so Schmitt: "Die Zahlen der RNV sind ja plausibel und betriebswirtschaftlich begründet." Entsprechend anstrengend seien die Gespräche gewesen: "Alle Kostenpunkte wurden konkret angesprochen. Alles wurde hinterfragt", berichtete Schmitt. Die RNV begründet die Zuschusserhöhung mit dem steigenden Aufwand für die Instandhaltung der Infrastruktur, mit Mehrausgaben bei Personal- und Energiekosten, mit nötigen Investitionen, mit Zinsen und Abschreibungen von Infrastrukturmaßnahmen, die nicht durch Zuschüsse gedeckt sind, sowie mit geringeren Einnahmeerlösen aus dem Topf der regionalen Verkehrsanbieter. Dazu kommt der Kauf von elf neuen Niederflurbahnen, die voraussichtlich erst in zwei Jahren in Betrieb gehen. Die RNV werde den Bahnverkehr sicherer und attraktiver machen – und den Investitionsstau auflösen, den die OEG als ehemaliger Betreiber hinterlassen hatte: "Da können wir nicht nein sagen", meinte Höfer. Ein zehn Jahre altes Gutachten summierte den Investitionsbedarf alleine auf der Linie 5 mit 100 Millionen Euro.
Schmitt rechnete damit, dass sich die gestiegenen Fahrgastzahlen für die RNV erst ab dem Jahr 2014 in Einnahmezuwächsen bemerkbar machen wird. Den Kommunen bringt das freilich vorerst wenig. So werden sie laut Schmitt im kommenden Jahr sogar 3,80 Euro pro gefahrenen Kilometer aufbringen müssen, was für Schriesheim Kosten in Höhe von 727000 Euro bedeutet. Mittelfristig wird’s noch schlimmer. Schmitt ging davon aus, dass sich der jährliche Kilometerpreis bei vier bis 4,20 Euro einpendeln wird. Öffentlicher Personennahverkehr als teurer Spaß.
Doch Höfer wollte auch das Gute sehen. Er verwies auf den zweigleisigen Ausbau der Linie 5 zwischen Schriesheim und Weinheim: "Dieser ist jetzt schon ein Erfolg. Die Fahrgastzahlen haben sich während der bisherigen Bauzeit verdoppelt." Mit dem zweiten Gleis ist der Zehn-Minuten-Takt der Bahnen und der barrierefreie Ausbau der Bahnhöfe verbunden: "Das wird ein echter Attraktivitätsschub", so Höfer.
Copyright (c) rnz-online