Schriesheim im Bild 2023

17.03.2011

„Ich komme in bewegten Zeiten"

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Es kam gestern alles etwas anders als geplant. Vor allem kam Stefan Mappus eine halbe Stunde später. Erst gegen 16.30 Uhr rollte sein schwarzer Wahlkampfbus vor dem Gästehaus "Weinstuben Hauser" aus. Der viel beschäftigte Ministerpräsident stieg mit einem Lächeln aus und reagierte auf die Trillerpfeifen und "Abschalten"-Rufe, die ein paar Stadträte und Anhänger der Grünen etwas entfernt und Seite an Seite mit einer Handvoll "Linker" skandierten, gelassen: "Die werden auch immer leiser". Bei den Gegnern war übrigens auch Winzer Dieter Thoni mit selbst beschriebenem Protest-Karton. Unterm Strich ein schwaches Aufbegehren gegen Schwarz-Gelb, gegen Kernkraft und gegen Stuttgart 21.

Man hatte mit mehr gerechnet. Mappus war’s recht. Er war der freundlich begrüßte Festredner der BDS-Mittelstandskundgebung im vollen Festzelt. Auch hier blieben Störungen weitgehend aus.

Das offizielle Protokoll des Besuchs warf der Regierungschef bereits mit seiner Verspätung etwas über den Haufen. BDS-Spitze, Christdemokraten, Bürgermeister, Weinhoheiten, Presse, Polizei: Alles wartete draußen vor der Wirtschaft. Mappus gab sich aufgeräumt, als er schließlich im Hauser’schen Nebenzimmer Platz genommen hatte.

Er komme in bewegten Zeiten, sagte der gebürtige Pforzheimer, der zurzeit als Wahlkämpfer in eigener Sache durchs "Ländle" tourt. Mappus und seine CDU haben die Landtagswahl am 27. März vor sich. Und er, der Streiter für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken, weiß, dass die Katastrophe in Japan seine Position nicht besser gemacht hat. Jetzt ist bei Mappus "Überdenken der eigenen Positionen" angesagt, wie er in der traditionellen Pressekonferenz im Gästehaus gleich zwei Mal unterstrich.

Nach den Fragen war noch Zeit, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Hier stand Mappus als Umwelt-Staatssekretär seit seinem Besuch im Jahr 1999 schon drin, als Ministerpräsident aber noch nicht. Danach noch ein paar Fotos mit den Weinhoheiten, dann musste alles ganz schnell gehen. Die Mittelstandskundgebung sollte pünktlich beginnen. So musste der obligatorische Rundgang durchs BDS-Zelt ausfallen. Nur für einen kurzen Abstecher an den Stand der RNZ reichte es. Dann eilte Mappus weiter aufs Podium im Festzelt, begleitet von Klängen des Musikvereins Mühlhausen, der gleich das "Badner Lied" intonierte. Man sang im Stehen. Danach wurde es still wie selten im Festzelt.

BDS-Präsident Günther Hieber hatte darum gebeten, sich im Gedenken an die Opfer der Tragödien in Japan von den Plätzen zu erheben. Später warnte Hieber die Parteien davor, "auf dem Rücken geschundener Menschen ihre Süppchen zu kochen". Der BDS-Präsident verbat es sich in diesem Zusammenhang auch, bei der Mittelstandskundgebung von einer "Wahlkampfveranstaltung" zu reden: Es gebe nur gute oder schlechte Mittelstandspolitik und keine solche nach einer bestimmten Farbenlehre. In diesen Zeiten der schlimmen Nachrichten sah Hieber nur einen Lichtblick: die "durchlauchtigsten Lieblichkeiten", die Schriesheimer Weinhoheiten. Nicht zuletzt die Mittelstandskundgebung habe den Mathaisemarkt weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt gemacht, sagte Weinkönigin Sandra II. Sie stellte Mappus in ihrem Gruß in die Reihe der Festredner. Als sie hier auch SPD-Ministerpräsident Kurt Beck aus Rhein-land-Pfalz nannte, ging ein Raunen durchs Festzelt. Auch die Weinkönigin ging auf die Landtagswahl ein, sprach von "transparenter diskutierten Themen" und von Bildung jenseits der sozialen Herkunft als wichtigem Schwerpunkt der Politik – gerade mit Blick auf das Berufsleben: "Junge Menschen wie wir benötigen die Chance auf eine ernsthafte Perspektive."

Nach der Rede der Weinkönigin gab’s Küsschen vom Landesvater: "Da komme ich gerne öfter", sagte er, als er endlich nach 37 Minuten der Vorreden ans BDS-Pult trat: "Wer’s in München schön findet, war noch nie in Schriesheim. Wer das Oktoberfest liebt, kennt den Mathaisemarkt nicht." Jubel im Festzelt. Mehr brauchte Mappus nicht, um das Eis zu brechen. Da verzieh man es ihm gerne, dass er die Anfänge des Volksfestes auf 1850 datierte. Immerhin feiert Schriesheim den Mathaisemarkt schon zum 432. Mal.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung