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07.04.2011

„Das ändert am Schulalltag nicht viel"

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Die künftig grün-rote Landesregierung will die bindende Grundschulempfehlung ab dem Schuljahr 2012/13 abschaffen. Sie stellt den Eltern nach der vierten Klasse die Entscheidung über die weiterführende Schule für ihre Kinder frei. Außerdem sollen Schüler länger gemeinsam unterrichtet werden. Was halten Elternvertreter und Schulen von den Ideen? Die RNZ hat nachgefragt.

Die Elternbeiratsvorsitzende der Strahlenberger Grundschule, Tina Pailer, begrüßte die Entscheidung: "Ich finde das gut. Es nimmt den Druck von den Kindern." Außerdem seien die Grundschulempfehlungen nicht aussagekräftig genug gewesen. Die Eltern hätten künftig mehr Spielraum bei ihrer Entscheidung. Es sei aber gut und sinnvoll, dass es auch in Zukunft eine Beratung durch die Grundschullehrer gebe: "Sie kennen die Kinder aus dem Schulalltag und können besser einschätzen, welche Schulart im Einzelfall die richtige ist." Pailer sah einen positiven Effekt auch für die weiterführenden Schulen. Vielleicht würden ihnen bei der Aufnahme der Schüler mehr Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt.

Der Wegfall der bindenden Grundschulempfehlung bilde ab, was "längst Realität" sei in der Schule und ändere am Schulalltag nicht viel, meinte der Vorsitzende des Elternbeirats der Kurpfalz-Grund- und Werkrealschule, Prof. Dr. Ekkehard Grünig: "Die Eltern wurden schon immer in den Gesprächen mit den Lehrern berücksichtigt. Sie wollen eine Einschätzung des Potenzials ihres Kindes hören." Die Kompetenz der Pädagogen würde auch in Zukunft gebraucht.

Wenn ein Lehrer im Beratungsgespräch die Werkreal- oder die Realschule empfehle, dann würden die Eltern ihrem Kind keinen Gefallen tun, wenn sie es im Gymnasium anmelden. Die Befürchtung, dass es Werkreal- und Realschulen ohne bindende Grundschulempfehlung schwerer haben könnten, sei ein anderes Problem, aber: "Die Werkrealschule in Schriesheim ist gut aufgestellt. Sie kann und muss ihr Profil noch stärker zeigen." Die Werkrealschule, so der Elternvertreter, sei für Schriesheim ein Glücksfall. Sie werde engagiert geführt und habe ein großes Leistungsspektrum: "Um einen Rückgang der Schülerzahl mache ich mir daher keine Sorgen." Für überfällig hielt Grünig ein längeres gemeinsames Lernen: "Es ist richtig, wenn der Klassenverband länger zusammenbleibt. Das wird den meisten Kindern entgegenkommen."

Der Elternbeiratsvorsitzende der Altenbacher Grundschule, Volker Neveling, wollte sich ganz "aus der politischen Diskussion heraushalten". Auch die Rektorin der Strahlenberger Grundschule, Barbara Ost-Sollors, wollte die neue Entwicklung eigentlich nicht bewerten. Sie sagte jedoch: "Für uns hat das keine großen Auswirkungen." Für die Kinder und ihre Eltern werde die Lage vielleicht etwas entspannter, doch habe sie die Grundschulempfehlung nie mit Druck in Verbindung gebracht, so Ost-Sollors: "Wir haben uns dabei ja immer am Leistungsstand der Kinder orientiert und hatten daher nie Probleme. Es ist doch unsere Aufgabe, jedes Kind und seinen Weg individuell zu sehen." Druck habe es höchstens dann für die Eltern gegeben, wenn sie einen anderen Schulwunsch gehabt hätten, als die Grundschule empfohlen habe. Sie hoffte, dass es beim Beratungsverfahren durch die Grundschulen bleibt.

Zum Thema "Gemeinschaftsschulen" gab die Rektorin der Strahlenberger Grundschule zu bedenken: "Zehn Jahre lang gemeinsam zu lernen ist eine so neue Idee, dass man in der Politik darüber erstmal gut nachdenken sollte. Damit ist eine große Verantwortung verbunden, zumal es enorme Auswirkungen hätte."

Der Direktor des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS), Matthias Nortmeyer, sagte über das Modell der Gemeinschaftsschule: "Das sehe ich in den nächsten fünf Jahren nicht kommen. Außerdem wollen wir eine gewisse Ruhe und nicht schon wieder Reformen. Denn wir haben jetzt erstmal eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, nämlich den Doppeljahrgang 2012 erfolgreich zum Abitur zu führen." Die als mögliche Kultusministerin der neuen Regierung gehandelte Mannheimer Bildungsbürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) plädiert dafür, dass Gymnasien künftig selbst entscheiden können, ob sie das Abi nach acht Jahren (G8) behalten oder abschaffen zugunsten von G 9. Nortmeyer zeigte sich hier skeptisch: "Das würde zunächst eine Revision des Bildungsplans bedingen."

Durch den Wegfall der Grundschulempfehlung sah er keine Konsequenzen für das KGS: "Ich vermute, das gibt keine großen Veränderungen für uns." Den von der Geschäftsführenden Schulleiterin Weinheims, Christina Eitenmüller, erwarteten "Run auf die Gymnasien" sah Nortmeyer so nicht: "Unser Anteil an der Übergangsquote ist ohnehin schon groß."

Die Leitung der Kurpfalz-Grund- und Werkrealschule war für eine Stellungnahme zum Aus der Grundschulempfehlungen nicht zu erreichen. Gleiches galt für Schriesheims Geschäftsführende Schulleiterin, Kurpfalz-Realschulrektorin Petra Carse, und die Rektorin der Altenbacher Grundschule, Renate Menke.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung